Das eigentliche Problem ist, dass wir eine japanische Form in eine deutsche überführen. Dabei sind die Sprachen nicht direkt aufeinander abbildbar, Grammatik, Intonation, Wortaufbau und anderes unterscheidet sich stark.
Die deutsche Silbe ist eine Methode, die Form abzubilden. Sie entspricht der japanischen aber nur einigermaßen. Deshalb haben andere Versucht, andere Methoden zu verwenden.
Das bedeutet: es gibt keine klare Entscheidung entweder oder, die für alles gültig ist.
Alternativ gilt gegebenenfalls: relative Gewichtung, das lässt je nach Wortwahl andere Silbenzahlen zu.
Verzicht auf diese - also Konzentration auf Kürze.
Hierbei bleiben beim Haiku streng drei kurze Verse erhalten, die aber die anderen Formbedingungen erfüllen sollten.
Weil die Welt schlecht ist, gehen die Japaner selbst teilweise von klassischen Formen und Themen ab.
Selbst das "Jahreszeitenwort" bleibt nicht unbedingt.
Von der Natur ausgehend wurden die Themen erweitert, hin zu sozialen Themen, was schließlich zur neuen Form Senryu führte.
Wesentlich bleibt für mich, dass ein Bild der Natur gezeigt, nicht aber bewertet wird, wobei ein mystisches Haikumoment erhalten bleibt. (Für mich etwas mystisch, weil ich es nicht definieren, sondern nur fühlen kann.)
Du kannst also bei 5-7-5 bleiben oder abweichen, das ist Dir überlassen.
Einfacher ist es, weil es Dir ein Gerüst gibt.
Beim Sonett gab es auch solche Entwicklungen. Beim Übertragen ins Deutsche hat sich das Sonett stark gewandelt, was zu erheblichen Streitereien unter den Sonettisten führte.
Auch in der Leselupe.
In einem hat Aligaga recht: Nicht die Gesellschaft entscheidet, sondern Du.
Dafür kann es Kritik hageln oder Lob. Beides musst Du aushalten.
Analoges gilt beim Tanka, das ja eines der Ausgangspunkte vom Haiku war.
Wesentlich bleiben 5 Verse, geteilt in drei und zwei. Und die Länge als Formmerkmal, zumindest relative Längen sollten bleiben.
PS: Meist verzichtet wird in Deutsch auf die senkrechte Anordnung.