tod

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zora feldman

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QRISTE IIa

Ich habe alles mit mir machen lassen. Ich habe geschwiegen, als sie mir den Kopf kahlrasierten; ich habe mich nicht gewehrt, als sie mich in den Wagen stießen, ich habe nicht versucht zu flüchten. Ich habe keine Regung gezeigt, als die anderen Gladiatioren mich anstarrten, es machte mich nur noch starrer. Aber als sie dann gingen, als das tor sichhinter ihnen schloß, hätte ich am liebsten geweint und geschrien. Ich wollte alles tun. Alles, wenn sie mich nur wieder aus dieser Halle befreiten, die erfüllt war vom Gestank des Todes und verlorener Hoffnung. Ich wollte leben! Hätte alles gegeben, um meine Entscheidung rückgängig machen zu können, wäre doch seine Hure geowrden, wenn ich dafür nur Licht und Leben gehabt hätte. Aber ich blieb stumm, angekettet von meinem Stolz.
Auch jetzt, während ich zusammengekauert in einer Ecke der Halle auf den Kampf warte, auch jetzt höre ich die Stimme in mir. Die Stimme schreit weit unter der Stahlplatte, die mein Innerstes versiegelt. Ich spüre Angst sich wie einen fetten Wurm unter meiner Bauchdecke winden, unter meiner Lunge der Trotz: Ich will schreien, mich aufbäumen - nicht in die Arena gehen, in der ich zum ersten Mal und so oft danach zur Mörderin geowrden bin, um mein eigenes Leben zu retten. Doch es war meine Wahl, ich habe mich selbst dazu gemacht. Sklavin sein heißt, seinen Körper für die Zwecke anderer hergeben zu müssen, und ich habe geglaubt, diese Art sei die bessere; ich wollte mich nicht seinem schmutzigen Willen fügen, nun bin ich selbst schmutzig.
Wie ein Salzstein würgt es mich in der Kehle. Ich weiß, auch die anderen Gladiatoren fragen sich, ob sie heute zum letzten Mal Angst haben, jeder versucht, die Schmerzen vorauszusehen, die jenseits der Tore warten. In der ersten Zeit, vor meinem ersten Kampf, glaubte ich noch, ich sei die einzige, die Angst hat; ich glaubte, die anderen seien schon erstickt an ihrem Schicksal. Jetzt weiß ich es besser: wir alle fürchten den Tod, aber jeder muß sich allein verteidigen.
Ich bleibe in mir selbst verkrochen, bis mein Name gerufen wird. Ich will den Tod nicht sehen, bevor er mich sehen will.
Schließlich werde ich zum Kampf gerufen. Ich fürchte, mich übergeben zu müssen, meine Arme sind schwach - schnell stehe ich auf, bevor sie einknicken können. Ich trinke einen Schluck Wasser und nehme mein Schwert. Unter dem Torbogen begegnet mir ein Gladiator, der gesiegt hat; er weint. Ich beneide ihn um sein Gefühl, für einen kurzen Augenblick erkenne ich einen anderen Menschen. Dann stehe ich in der Arena, der Sand unter meinen Füßen heiß und blendend wie die Sonne über mir, die Menge um mich herum tost. Sie kennen mich, lieben mich, weil ich für sie töte. Ich hasse sie, sie wissen nicht, was der Tod ist, so lange andere ihm begegnen, ist er ein grandioser Schausteller. Ich hebe die Hand zum Gruß und wende mich dem Tor zu, aus dem mein Gegner tritt. Ein Vrunt, eine Kreatur der Wüste, die nichts von der Angst vor dem Tod weiß, weil sie nichts vom Leben weiß. In dem primitiven Körper ist keine Seele, ich gebe ihm keine Schuld, ich empfinde selbst keine Schuld.
Wir umkreisen uns langsam. Ich sehe seine schwere Keule pendeln, ich weiß, wieviel Schmerz sie bringt: keine Fleischwunden, nur zersplitterte Knochen. Ich will nicht töten. Ich schlucke und stürme vor; schließe die Augen, als mein Schwert in sein Fleisch fährt, ein zu vertrautes Geräusch. Aber ich treffe nicht, dort, wo ich sein Herz zerstoßen wollte, rutsche ich vom Knochen ab. Meine eigene Kraft kehrt sich gegen mich. Ich taumle, lasse mein Schwert fallen. Bevor ich weiß, daß ich verloren habe, fährt seine Keule herab, trifft meine Brust. In mir höre ich Rippen brechen; ich falle auf die Knie, wage nicht zu atmen. Mit jedem Keuchen sticht es in meiner Lunge, ich schmecke Blut, sauer wie kaltes, flüssiges Eisen. Ich habe die Augen geschlossen, ich höre das Zischen in der Luft. Wieder trifft mich seine Keule, mein Rückgrat seufzt auf, von der Last meines Körpers befreit - ich verliere die Beine im Schmerz. Der harte Sandboden in meinem Gesicht. Ich höre die Menge: sie jubelt dem Tod zu. Ich spüre den Vrunt über mir, öffne die Augen, um ihm zu danken für das Ende der Angst. Aber er versteht nicht, er ist nur ein Tier. Seine Bewegung, verlangsamt: er kniet neben mir und streckt die Hände aus. Die Schmerzen treiben davon, mein Geist krallt sich an ein Todengebet, das ich vor tausend Jahren gelernt habe: »Das Sterben ist lang, aber der Tod ist ewig. Der Tod ist die Vegebung und die Stille.« Mein Kopf versinkt in den Pranken des Vrunts und die Erkenntnis erfüllt mich: noch einmal wird mein Rückgat brechen, aber ich werde es nicht mehr hören.
 



 
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