Willibald
Mitglied
Trainees achter Zwerg:
Botschaften aus der Bubblegum-Blase
(0) Intro
Hier ein intressanter Text von Trainee:
Und so geht das hoffentlich auch mit dem Besuch beim Linguisten.
Hat mein Blick diese Zeilen nun wenigstens gestreift? Gestreift und nicht drangeblieben, weil: Da ist zu viel zu sehr zu wenig Zusammenhang? Aber. Seltsamerweise stutze ich, eher halbbewusst, bei Wörtern mit dem a-Laut: Blase, Achter Zwerg, Prosa, Mastixhaus, adipös und dem Bubblegum (darin gleich zweimal ein verdeckter a-Laut, phonetisch). Äh, und ja, "Bubble", mundartlich "babbeln", "quasseln", "plappern". Sprachliches Schlendern.
Nun ja, bleiben wir dran? Geheimnissen wir etwas hinein, Eierkopf-Eiertänze? Lohnt es sich? Mag sein. Mal sehn.
https://up.picr.de/34488718vg.jpg
(Meta-Phores: Trans-Fer; Trans-Port)
(1) Basics
Hier spricht ein Ich, liefert eine Positionsbeschreibung und eine Körperhaltung: „Ich hock“, ein Ausdruck des Geducktseins, vielleicht des Eingesperrtseins ("Ich hock in einer Blase."?„Ich hock in meinem Bonker“).
Der Ort: Alles andere als kommod und stabil: Eine Blase, wohl die Blase eines Kaugummis von der Bubblegum-Sorte. Gleichzeitig in der Selbstreflexion des Ichs ein Hinweis auf eine Rolle, die man „gibt“, die das Ich „gibt“. Vorgetäuscht? Gezwungen? Situationsgerecht sich adaptierend? Dann gibt es da noch andere Bewohner des Textes: Sieben Zwerge, eher fett, gemästet, sich der Mast hingebend? Eine Assoziation zum Mastixhaus.
Aber nein: Mastix ist ein Grundmaterial für Kaugummi, also sitzt das Ich mit der Zwergenrolle in einem Kaugummihaus, hat da sein „Heim“ (V8). Und das ist vom Zerplatzen bedroht (V9).
Adressaten: Das Ich, das so redet und sich reflektiert und uns mit seinem Bild eines Höhlendaseins in der Blase konfrontiert, spricht uns nicht direkt an. Wir sind latent vorhanden. Nehmen die Textbilder und das Ich wahr. Sind so mit Literatur, mit einem Text, mit einem lyrischen Text befasst, wenn wir uns darauf einlassen. Der Kommunikationsraum von lyrischem Ich und rezipierendem Du ist bruchstückhaft da, lässt sich durch unser Hören und Sehen komplettieren, wenigstens ansatzweise.
Der Wahrnehmungsraum vor uns: wird beherrscht von zwei Instanzen. Da ist die mächtige Gruppe der sieben fetten „adipösen“ Zwerge und der eher hilflose achte, fastende Zwerg. Zwei Domänen, ungleich besetzt, ungleich gewichtet.
(2) Verortung und Domänen
Ziemlich spannend, die Orte der Textfiguren, der Zwerge aufzusuchen, zu untersuchen. Und sie als Domänen zu verstehen, Bezirke und Machtbereiche irgendwie.
Die sieben Zwerge sind „adipöse Brüder“. Der achte Zwerg allerdings, der Zwerg außerhalb der märchenhaft bekannten Reihe ist nicht nur ein Faster, also nicht adipös, er ist auch kein „echter Bruder“, ist nur „adoptiert“ und nicht wohlgelitten. Wird an der Tafel nur selten gelitten. Bekommt als achter Zwerg die Konnotation „fünftes Rad am Wagen“, die Älteren erinnern sich vielleicht noch an diese Redensart, eine Metapher für Überflüssiges, Unnötiges. Gilt sogar als ein Fall für die Psychiatrie, die „Langzeitkur in Riedstadt“ ist ja nun wirklich eine zynisch-ironische Formel, die man dem Adressaten auf den Weg mitgibt, weg von der „Normalbehausung“ Blase, weg von der Normalbehausung der Sieben.
Die aber ist nun bei den sieben Zwergen von besonderer Art. Das „Häuschen im Wald“ der Grimmschen Zwerge ist hier eine Höhle, genauer eine Tafelstätte im „Höhlenpurpur“. Das Rot mag eine königlich-dominante Konnotation besitzen, es kann zusätzlich auch auf eine Mundhöhle hinweisen, abgesichert ist dieses Bild durch das seltsame Lexem „Prosamund“. Nun ist „Prosa“ ein Gegenbegriff zu Lyrik und Versen, also zu dem, was wir hier vor uns sehen. So gewinnt der Text plötzlich den Schauwert einer „Sprechblase“, die Sprechblase ist nun allerdings das „Mastixhaus“, also das Kaugummihaus, das vielleicht an die Gummizelle alter Psychiatrien erinnern mag, aber eben nicht deren Festigkeit besitzt. So spricht einiges dafür, die Blase, die der Prosamund „gepustet“ hat, nicht nur als Produkt übelwollender Brüder zu sehen, sondern eher als eine Art instabiles Refugium, ein „Austragshäusl“, eine besondere, gar nicht verachtenswerte Enklave, ein gar nicht fernes Exil, eine Absonderung im mehrfachen Sinn des Wortes.
„Plot“ ist nun ein erzähltechnischer Begriff, gemeint ist die Ereigniskette, die - Ballade ist die Ausnahme – prosaischen Erzählungen zugrunde liegt und nur in Schwundform der typischen Lyrik. Sie ist eher der Ort für Imaginationen, Emotionen, Bilder des Vorbewusstseins, aber luzide Bilder.
Einmal ist das die Absage an die Märchenerzählung und ihren Plot von der Bedrohung Schneewittchens und ihrer Aufnahme durch die sieben Zwerge und die Errettung aus dem todesähnlichen Schlaf. Dann ist es vielleicht die Fokussierung auf lyrisches Sprechen und eben nicht auf das typische Erzählen mit einer Orientierungsfigur, welche auf vergangene Ereignisse zurückblickt und so einen vergangenen Wahrnehmungsraum konstruiert, über den sie mit dem Leser kommunizieren kann. Hier in diesem Gedichtraum haben wir eben kein geselliges Kommunikationsspiel, vielmehr vor allem eine Selbstaussage und eine Selbstbeschreibung, gesprochen und vor Augen gestellt von einem Ich, lokalisiert in einem Forum.
Dann ist der durchgehende Jambus, der lyriktypische Zeilenumbruch, die Dreistrophigkeit, der angedeutete Hebungsprall in „Auf, auf“ die lyrisch codierte Beschreibung einer Außenseiterposition und auch ein wenig die Feier dieser Außenseiterposition durch die Mittel lyrischen Sprechens und lyriktypischen Verrätselns und Ambiguität.
(3) Deutungsprobleme, Deutungskonflikte
Ein wenig befremdlich und gar nicht glatt ist die Konfliktlinie: Einerseits ist das lyrische Ich der Sprechblase „ausgestoßen“, ein Bewohner der Lyrikblase, nahe am Sprechermund und der Sprache, aber vielleicht doch in einer Position, die dem lyrischen Ich angemessen ist. Und in der es sich nicht ganz unwohl fühlt. Ein gewisser Widerspruch.
Dann ist das Platzen der lyrischen Sprechblase im Bilde ein wenig schwierig. Ist das nun die vernichtende Rezeption von einer Sprachausübung? Kollabiert die Sprechblase mangels Resonanz? Kollabiert sie durch negative Kritik? Kollabiert sie durch Prosaproduzenten, die eben auch – natürlich – Kritiker sind und lyrische Äußerungen als minderwertig, als klappsmühlenreif, als vernichtbar behandeln? Der achte Zwerg eben ein Schriftsteller, aber nicht für voll zu nehmen?
Kollabiert aber dieser Verstehensrahmen vielleicht schon allein deswegen und grundsätzlich, weil die Märchenzwerge des Quelltextes nun einmal keineswegs sich mit Texten und Texturen befassen. Wie überzeugend ist der Transfer von sieben grimmschen „Zwergen“ in das Feld literarischer Arbeit?
Akzeptiert man aber diese Metapher, diesen Transport, dann wären Zwerge eben keine Riesen, keine Größen der Literaturszene, sondern eben das Personal, das sich in Foren gerne finden lässt. Trainee hat hier einen indirekten Hinweis gesetzt, der vielleicht um sieben Ecken herum doch auf der Ebene X das Forumgeschehen antippt, in dem Trainee mit der Rollenbezeichnung „achter Zwerg“ zuwege war und sich jetzt zum Trainee selbstironisch gemausert hat?
Schalten wir einen Gang zurück: Das Lexem „Bubblegum“ bezeichnet denotativ eine besondere Art von Kaugummi. Eine Genussware, die ihren Geschmack durch ständiges Kauen und ihren Wert durch (reinigenden) Speichelfluss erzielt, beruhigend wirkt und lässig cool aussieht, in der Wirkung reichend bis hin zur Provokation gesitteter älterer Herrschaften.
Das Besondere: Dieser Kaugummi lässt sich durch Blasen in Ballonform und Ballongröße transformieren, man kann ihn zum Platzen bringen, man kann die entstehenden Fäden wieder in den Mund einziehen und manchmal dann durch Kauen wieder in eine energetische Form zurückbringen.
Auf der konnotativen Ebene, der sozialen, wirkt das oft anstößig, irgendwie – so sagte man früher – „halbstark“, „respektlos“, „normbrechend“. In dieser popliterarisch fundierten Normbrechung sitzt - mehr oder weniger unfreiwillig unser lyrisches Ich, der achte Zwerg.
Wird er hier respektlos behandelt, ist er Teil einer aktiven respektlosen Behandlung der Zuschauer durch die prosaischen Zwerge? Agieren die auf ihre Weise – trotz Alters – in einer unwürdigen, provokanten, cool-lässigen, despektierlichen, halbstarken Weise? Ist der achte Zwerg passives Opfer dieser nach außen gerichteten Provokation, die eben auch die Zuschauer zu Beleidigten und Opfern machen soll?
(4) Vortrag und Vertrag
Tja, fahren wir zunächst mal schwere Geschütze auf, einen Satz des Soziobiologen Eckart Voland:
Willibald hat es immer wieder am eigenen Leib und im eigenen Kopf gespürt. Und dann verweigert sich der Kopf dem kognitiven Imperativ, auch wohl dessen musikalisch-emotional-ikonischer Variante/Parallele. Irgendwie – so das Gefühl – verstößt der sich splittende Text gegen den stillschweigenden Vertrag zwischen Texter und Leser, gegen das latente Versprechen, dass es im „Vortrag“ einen dechiffrierbaren Zusammenhang gibt, dass es Bestätigungen gibt, die das Hypothesenspiel nicht fast als Rorschach-Test erscheinen lassen.
(5) Im Herzen des Denkens
Auf seine Weise ist auch dieses Bubblegum-Gedicht für den Leser ein wenig oder gar sehr ein Ärgernis. Sein Provokationswert, seine ästhetische Qualität ist trotzdem und deswegen gegeben. Das Gedicht ist befremdlich, aber doch auf eine besondere Weise zuverlässiger: Es ruft über die Lexeme und Verbindungen und Metaphern in überschaubarer Zahl kulturelle Einheiten, Frames und Scripte auf. Und reizt dann bei allem freien Flottieren zum Dechiffrieren und zum Mitschauen. Die anfängliche Phase der Desorientierung löst sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auf, wenn man den Text als metaphorisches Sprechen erkennt.
Dafür gibt es Textsignale. Man teste sich etwa hier. Ohne allzu lange zu überlegen, wird man seltsame und weniger befremdliche und gar nicht befremdliche Gorillas erküennen. Im Herzen unseres Denkens erkennen und verstehen wir Metaphern:
Richard ist ein Gorilla.
Richard ist manchmal ein richtiger Gorilla
Richard ist ein drei Jahre alter Berg-Gorilla.
Die Kontexte enthalten eben doch Hinweise, ob ein Lexem aus seinem Ursprungsbereich herausgezogen wurde, auffällt, das Verstehen verzögert. Oder glatt und schnell verstanden werden kann, weil automatisiertes Sprechen und Verstehen greift.
Hier, in Trainees Text, funktioniert über weite Strecken Frame (und Script) des Überschriftlexems. „Bubblegum“ bezeichnet denotativ eine besondere Art von Kaugummi. Eine Genussware, die ihren Geschmack durch ständiges Kauen und ihren Wert durch (reinigenden) Speichelfluss erzielt, beruhigend wirkt und lässig cool aussieht, bis hin zur Provokation gesitteter älterer Herrschaften. Das Besondere: Der Kaugummi lässt sich durch Blasen in Ballonform und Ballongröße transformieren, man kann ihn zum Platzen bringen, man kann die entstehenden Fäden wieder in den Mund einziehen und manchmal dann durch Kauen wieder in eine energetische Form zurückbringen, auf der konnotativen Ebene wirkt das oft anstößig, irgendwie – so sagte man früher – „halbstark“, „respektlos“, „normbrechend“.
Unser Text setzt aber nicht nur diese Grundbedeutung samt ihrer Denotation und Konnotation ins Kommunikationsspiel mit dem Leser. Sehr kühn und wohl nicht zu halten: Im Bedeutungshof von „Blase“ liegt auch, wenn auch sehr entfernt, Aggregation, ein Clan, eine Clique. Mit den bekannten Eigenschaften, seien sie nun Offenheit für Nichtzugehörige oder Verhöhnung oder Abschottung gegenüber eher verachtenswürdigen Gliedern der „out-group“. Intern ist solchen Gruppierungen nicht oft Parität der Mitglieder zugeordnet, vielmehr sind Alpha- und Beta-Figuren, Ranghöhere und Rangniedere zu unterscheiden. Niederhalten oder gar Ausstoßen der Minderrangigen ist Teil des aggressiven Spieltriebes in solchen Gruppenblasen.
Kurz: Wer Bubble-Gum liest und den Schlüssel zum Thema - „Prosamund“ und „Plot“-Verlust - überliest, der wird sich von den Zwergen und ihren Verhaltensweisen frustriert abwenden. Wer aber das Haupt-Thema „literarische Produktion“ und „literarisches Sprechen“ in dem Bild der Sprechblase dechiffrieren kann, die seltsamen Zwerge verorten kann, der wird Lust an einer immer komplexer und doch feststrukturierten Großmetapher empfinden, wird wildes und detektivisches Denken im und am Text erleben. Eine produktive mesalliance der beiden Domänen Bubblegum und Literatur und eine erotische Zusammenarbeit nicht introspektierbarer Verstehenvorgänge mit rational hermeneutischen und fast schon analytisch-sezierenden und abwägenden logischen Verfahren.
https://up.picr.de/34488943wt.jpg
(kein wildes Denken)
Und er wird sich - schließlich/endlich/vorläufig - trotzdem an den Unschärfen und Problemen der beiden Bereiche und ihrer Kopplung reiben. Wärme – lasst es uns kühl und verfahrenstechnisch formulieren - wird dabei auf jeden Fall erzeugt. Und ja doch, auch ein Gaumenschmaus lääst sich genießen, dieser/s Bubblegum gibt sich was her und aus.
https://up.picr.de/34491689ld.jpg
(Augen- und Gaumenschmaus mit Bubblegum.
Trainees lyrische Metapherologie.)
(6) Bonus-Track: Die Struktur einer Metapher (Gebäude und Website)
• Ein konkreterer und sinnlich erfahrbarer und relativ durchschaubarer Ursprungsbereich Y hält bestimmte Lexeme bereit. Und die darin gespeicherten Konzepte/Modelle/Szenarios/Features/Gemeinplätze/
Weltklasse/Allgemeinwissen.
• Man nutzt diese Lexeme und ihre Konzepte, um abstraktere Phänomene außerhalb von Y in ihrer Struktur aufzuhellen. Diese Phänomene bezeichnen wir mit X.
• Werkzeug für diesen Vorgang ist die Metapher, eine Art poetisches Vehikel, das Wörter/Lexeme aus ihrem Ursprungsbereich heraustransportiert. Dabei werden die in den Wörtern gespeicherten Seme/Merkmale heraus- und weiter transportiert und dann projiziert . Projiziert auf das zu erhellende Phänomen und seine Struktur. Projiziert werden Seme, Konzepte oder Modelle oder Szenarios (Scripts) oder Features auf den Bildempfänger und seine bereits vorfindlichen Modelle. Das nennt man mapping, manchmal auch cross-mapping.
• In der Modellkopplung (Konzeptkopplung) wirken bestimmte Elemente des Herkunftsbereiches besonders hervorstechend, da sie in ihrem neuen Umfeld dessen Kategorien verletzen; man nennt solche Elemente die salient features (auffällige Merkmale), sie sind die zentralen Träger der entstandenen Metapher. Bestimmte, weniger passende Merkmale werden randständig, sie werden sozusagen „narkotisiert“. Die verbleibenden sind dann besonders deutungsmächtig.
• In der Terminologie eingebürgert für den Ursprungsbereich: uneigentliches Wort (Aristoteles, Quintilian), vehicle (Richards)subsidiary subject (Black), Bildspender, bildspendendes Feld (Weinrich), source domain/source concept (Lakoff, Johnson u.a.)
• In der Terminologie eingebürgert für den Zielbereich: eigentliches Wort (Aristoteles, Quintilian), tenor (Richards), principal subject (Black), Bildempfänger, bildempfangendes Feld (Weinrich), target domain/target concept (Lakoff, Johnson u.a.).
• Fokussieren: Bei einer erfolgten Metaphernkonstruktion fallen zunächst kontextfremde Lexeme auf. Dann wirkt der Kontext wie ein Filter: Nur bestimmte Seme werden durchgelassen. So entsteht eine Art Schnittmenge mit bestimmten Semen. Solche Merkmale gelten als kompatibel und erklärungsrelevant. Sie bilden die Kernanalogie ab.
Andere Merkmale treten eher in den Hintergrund. Sie wirken (zunächst) inkompatibel (unverträglich) und kaum erklärungsrelevant.
Fokussieren ist der Oberbegriff für betonen/markieren und verbergen/narkotisieren. Die folgende Skizze zeigt im Zusammenhang, was man unter Fokussieren versteht.
https://up.picr.de/34491743gp.jpg
(Gebäude//Website)
Botschaften aus der Bubblegum-Blase
(0) Intro
Hier ein intressanter Text von Trainee:
Vorsichtshalber auch eine Anmerkung. Was jetzt kommt ist Erklärbär-Sprech der linguistischen, literaturwissenschaftlichen Art. Gewiss abschreckend. Allerdings tröste ich mich damit, dass Besucher bei einem Juristen nach einiger Zeit verstehen wollen und können, was er in seinem Juristendeutsch b(r)abbelt. Und umgekehrt versteht der Jurist das Reden seines Klienten.Bubblegum
Ich hock in einer Blase und geb den Achten Zwerg.
Der Plot verflüchtigt sich in jenem Prosamund,
aus dem man mir das Mastixhaus gepustet hat.
Im Höhlenpurpur tafeln sieben adipöse Brüder;
ich faste meist, bin adoptiert und lebe mehr auf Probe.
Für mich ist selten eingedeckt. Zuweilen reicht es für
ein Give-away: „Auf, auf zur Langzeitkur nach Riedstadt!“
Am liebsten mögen sie es aber, wenn mein Heim
zerplatzt und ich an einem zähen Gummiband
in ihre Gegenwart zurückgezüngelt werde.
(Für Paul)
Vorsichtshalber eine Anmerkung: Der Achte Zwerg trägt hier Symbolcharakter und hat mit meiner früheren Lupen-Inkarnation als eben solcher rein gar nichts (oder allenfalls auf Ebene X) zu tun.
Und so geht das hoffentlich auch mit dem Besuch beim Linguisten.
Hat mein Blick diese Zeilen nun wenigstens gestreift? Gestreift und nicht drangeblieben, weil: Da ist zu viel zu sehr zu wenig Zusammenhang? Aber. Seltsamerweise stutze ich, eher halbbewusst, bei Wörtern mit dem a-Laut: Blase, Achter Zwerg, Prosa, Mastixhaus, adipös und dem Bubblegum (darin gleich zweimal ein verdeckter a-Laut, phonetisch). Äh, und ja, "Bubble", mundartlich "babbeln", "quasseln", "plappern". Sprachliches Schlendern.
Nun ja, bleiben wir dran? Geheimnissen wir etwas hinein, Eierkopf-Eiertänze? Lohnt es sich? Mag sein. Mal sehn.
https://up.picr.de/34488718vg.jpg
(Meta-Phores: Trans-Fer; Trans-Port)
(1) Basics
Hier spricht ein Ich, liefert eine Positionsbeschreibung und eine Körperhaltung: „Ich hock“, ein Ausdruck des Geducktseins, vielleicht des Eingesperrtseins ("Ich hock in einer Blase."?„Ich hock in meinem Bonker“).
Der Ort: Alles andere als kommod und stabil: Eine Blase, wohl die Blase eines Kaugummis von der Bubblegum-Sorte. Gleichzeitig in der Selbstreflexion des Ichs ein Hinweis auf eine Rolle, die man „gibt“, die das Ich „gibt“. Vorgetäuscht? Gezwungen? Situationsgerecht sich adaptierend? Dann gibt es da noch andere Bewohner des Textes: Sieben Zwerge, eher fett, gemästet, sich der Mast hingebend? Eine Assoziation zum Mastixhaus.
Aber nein: Mastix ist ein Grundmaterial für Kaugummi, also sitzt das Ich mit der Zwergenrolle in einem Kaugummihaus, hat da sein „Heim“ (V8). Und das ist vom Zerplatzen bedroht (V9).
Adressaten: Das Ich, das so redet und sich reflektiert und uns mit seinem Bild eines Höhlendaseins in der Blase konfrontiert, spricht uns nicht direkt an. Wir sind latent vorhanden. Nehmen die Textbilder und das Ich wahr. Sind so mit Literatur, mit einem Text, mit einem lyrischen Text befasst, wenn wir uns darauf einlassen. Der Kommunikationsraum von lyrischem Ich und rezipierendem Du ist bruchstückhaft da, lässt sich durch unser Hören und Sehen komplettieren, wenigstens ansatzweise.
Der Wahrnehmungsraum vor uns: wird beherrscht von zwei Instanzen. Da ist die mächtige Gruppe der sieben fetten „adipösen“ Zwerge und der eher hilflose achte, fastende Zwerg. Zwei Domänen, ungleich besetzt, ungleich gewichtet.
(2) Verortung und Domänen
Ziemlich spannend, die Orte der Textfiguren, der Zwerge aufzusuchen, zu untersuchen. Und sie als Domänen zu verstehen, Bezirke und Machtbereiche irgendwie.
Die sieben Zwerge sind „adipöse Brüder“. Der achte Zwerg allerdings, der Zwerg außerhalb der märchenhaft bekannten Reihe ist nicht nur ein Faster, also nicht adipös, er ist auch kein „echter Bruder“, ist nur „adoptiert“ und nicht wohlgelitten. Wird an der Tafel nur selten gelitten. Bekommt als achter Zwerg die Konnotation „fünftes Rad am Wagen“, die Älteren erinnern sich vielleicht noch an diese Redensart, eine Metapher für Überflüssiges, Unnötiges. Gilt sogar als ein Fall für die Psychiatrie, die „Langzeitkur in Riedstadt“ ist ja nun wirklich eine zynisch-ironische Formel, die man dem Adressaten auf den Weg mitgibt, weg von der „Normalbehausung“ Blase, weg von der Normalbehausung der Sieben.
Die aber ist nun bei den sieben Zwergen von besonderer Art. Das „Häuschen im Wald“ der Grimmschen Zwerge ist hier eine Höhle, genauer eine Tafelstätte im „Höhlenpurpur“. Das Rot mag eine königlich-dominante Konnotation besitzen, es kann zusätzlich auch auf eine Mundhöhle hinweisen, abgesichert ist dieses Bild durch das seltsame Lexem „Prosamund“. Nun ist „Prosa“ ein Gegenbegriff zu Lyrik und Versen, also zu dem, was wir hier vor uns sehen. So gewinnt der Text plötzlich den Schauwert einer „Sprechblase“, die Sprechblase ist nun allerdings das „Mastixhaus“, also das Kaugummihaus, das vielleicht an die Gummizelle alter Psychiatrien erinnern mag, aber eben nicht deren Festigkeit besitzt. So spricht einiges dafür, die Blase, die der Prosamund „gepustet“ hat, nicht nur als Produkt übelwollender Brüder zu sehen, sondern eher als eine Art instabiles Refugium, ein „Austragshäusl“, eine besondere, gar nicht verachtenswerte Enklave, ein gar nicht fernes Exil, eine Absonderung im mehrfachen Sinn des Wortes.
„Plot“ ist nun ein erzähltechnischer Begriff, gemeint ist die Ereigniskette, die - Ballade ist die Ausnahme – prosaischen Erzählungen zugrunde liegt und nur in Schwundform der typischen Lyrik. Sie ist eher der Ort für Imaginationen, Emotionen, Bilder des Vorbewusstseins, aber luzide Bilder.
Einmal ist das die Absage an die Märchenerzählung und ihren Plot von der Bedrohung Schneewittchens und ihrer Aufnahme durch die sieben Zwerge und die Errettung aus dem todesähnlichen Schlaf. Dann ist es vielleicht die Fokussierung auf lyrisches Sprechen und eben nicht auf das typische Erzählen mit einer Orientierungsfigur, welche auf vergangene Ereignisse zurückblickt und so einen vergangenen Wahrnehmungsraum konstruiert, über den sie mit dem Leser kommunizieren kann. Hier in diesem Gedichtraum haben wir eben kein geselliges Kommunikationsspiel, vielmehr vor allem eine Selbstaussage und eine Selbstbeschreibung, gesprochen und vor Augen gestellt von einem Ich, lokalisiert in einem Forum.
Dann ist der durchgehende Jambus, der lyriktypische Zeilenumbruch, die Dreistrophigkeit, der angedeutete Hebungsprall in „Auf, auf“ die lyrisch codierte Beschreibung einer Außenseiterposition und auch ein wenig die Feier dieser Außenseiterposition durch die Mittel lyrischen Sprechens und lyriktypischen Verrätselns und Ambiguität.
(3) Deutungsprobleme, Deutungskonflikte
Ein wenig befremdlich und gar nicht glatt ist die Konfliktlinie: Einerseits ist das lyrische Ich der Sprechblase „ausgestoßen“, ein Bewohner der Lyrikblase, nahe am Sprechermund und der Sprache, aber vielleicht doch in einer Position, die dem lyrischen Ich angemessen ist. Und in der es sich nicht ganz unwohl fühlt. Ein gewisser Widerspruch.
Dann ist das Platzen der lyrischen Sprechblase im Bilde ein wenig schwierig. Ist das nun die vernichtende Rezeption von einer Sprachausübung? Kollabiert die Sprechblase mangels Resonanz? Kollabiert sie durch negative Kritik? Kollabiert sie durch Prosaproduzenten, die eben auch – natürlich – Kritiker sind und lyrische Äußerungen als minderwertig, als klappsmühlenreif, als vernichtbar behandeln? Der achte Zwerg eben ein Schriftsteller, aber nicht für voll zu nehmen?
Kollabiert aber dieser Verstehensrahmen vielleicht schon allein deswegen und grundsätzlich, weil die Märchenzwerge des Quelltextes nun einmal keineswegs sich mit Texten und Texturen befassen. Wie überzeugend ist der Transfer von sieben grimmschen „Zwergen“ in das Feld literarischer Arbeit?
Akzeptiert man aber diese Metapher, diesen Transport, dann wären Zwerge eben keine Riesen, keine Größen der Literaturszene, sondern eben das Personal, das sich in Foren gerne finden lässt. Trainee hat hier einen indirekten Hinweis gesetzt, der vielleicht um sieben Ecken herum doch auf der Ebene X das Forumgeschehen antippt, in dem Trainee mit der Rollenbezeichnung „achter Zwerg“ zuwege war und sich jetzt zum Trainee selbstironisch gemausert hat?
Schalten wir einen Gang zurück: Das Lexem „Bubblegum“ bezeichnet denotativ eine besondere Art von Kaugummi. Eine Genussware, die ihren Geschmack durch ständiges Kauen und ihren Wert durch (reinigenden) Speichelfluss erzielt, beruhigend wirkt und lässig cool aussieht, in der Wirkung reichend bis hin zur Provokation gesitteter älterer Herrschaften.
Das Besondere: Dieser Kaugummi lässt sich durch Blasen in Ballonform und Ballongröße transformieren, man kann ihn zum Platzen bringen, man kann die entstehenden Fäden wieder in den Mund einziehen und manchmal dann durch Kauen wieder in eine energetische Form zurückbringen.
Auf der konnotativen Ebene, der sozialen, wirkt das oft anstößig, irgendwie – so sagte man früher – „halbstark“, „respektlos“, „normbrechend“. In dieser popliterarisch fundierten Normbrechung sitzt - mehr oder weniger unfreiwillig unser lyrisches Ich, der achte Zwerg.
Wird er hier respektlos behandelt, ist er Teil einer aktiven respektlosen Behandlung der Zuschauer durch die prosaischen Zwerge? Agieren die auf ihre Weise – trotz Alters – in einer unwürdigen, provokanten, cool-lässigen, despektierlichen, halbstarken Weise? Ist der achte Zwerg passives Opfer dieser nach außen gerichteten Provokation, die eben auch die Zuschauer zu Beleidigten und Opfern machen soll?
(4) Vortrag und Vertrag
Tja, fahren wir zunächst mal schwere Geschütze auf, einen Satz des Soziobiologen Eckart Voland:
Was für das Naturgeschehen gilt, gilt auch für die Rätselhaftigkeit und die Mehrdeutbarkeit und die oft unerträglich harte Mehrdeutarbeit mancher Gedichte, Hansz liefert solche Texte oft.Der kognitive Imperativ zwingt ständig zum Nachdenken über die Regelhaftigkeiten und Gesetzmäßigkeiten des Seins, über die Gründe für das Vorfindliche, über die Ursachen des Geschehens – letztlich über den Sinn und Zweck des Ganzen. Der kognitive Imperativ zwingt zu einer plausiblen, kohärenten Konstruktion des Abbilds des Weltgeschehens, ohne Erklärungslücke, ohne irrationale Inseln. Menschen können Kontingenz, Irrationalität und kausale Ungewissheit offenbar nicht gut aushalten, weil nicht Verstandenes Angst erzeugt. Um dies zu vermeiden, werden Gründe und Ursachen auch dort gesehen, wo es keine gibt. Das Gehirn ist ein permanent arbeitender Geschichtengenerator. Es sieht nicht nur Regeln, wo keine sind, sondern erfindet auch Geschichten, die diese Regeln mehr oder weniger plausibel erscheinen lassen. Konfabulationen haben hier ihren Ursprung. Deren vorrangige Aufgabe ist es, plausible Erklärungen für all jenes zu liefern, das sonst unverstanden bliebe.
die apfel musen dirn zur birn erweicht
die firn eis blau den stern mit apfel stielen
dem richter reicht der birn mit apfel gleich
( tells apfel)
Der Blick auf solche Texte intensiviert sich, auch wenn die Frustration nicht klein ist, bei dieser Art von Text bei manchem Leser, nicht bei der Mehrzahl. In dieser Art von Gedichten laufen Assoziationsketten von Lexemen, phonetisch-phonemischen Splittings, die ins Unendliche spielen, sicher viele plausible vorläufige Verstehensprozesse stimulieren, nicht unwahrscheinliche Deutungen zulassen, aber nur selten hohe Wahrscheinlichkeiten vermitteln und so doch einen erheblichen Teil der Forumsleser frustrieren.elektrisch negative lee wellen
umstellen rosetten von schwer positiven
proton proteinen ambrosia broten
die nick neck tarinen appellen de sina
(piratae)
Willibald hat es immer wieder am eigenen Leib und im eigenen Kopf gespürt. Und dann verweigert sich der Kopf dem kognitiven Imperativ, auch wohl dessen musikalisch-emotional-ikonischer Variante/Parallele. Irgendwie – so das Gefühl – verstößt der sich splittende Text gegen den stillschweigenden Vertrag zwischen Texter und Leser, gegen das latente Versprechen, dass es im „Vortrag“ einen dechiffrierbaren Zusammenhang gibt, dass es Bestätigungen gibt, die das Hypothesenspiel nicht fast als Rorschach-Test erscheinen lassen.
(5) Im Herzen des Denkens
Auf seine Weise ist auch dieses Bubblegum-Gedicht für den Leser ein wenig oder gar sehr ein Ärgernis. Sein Provokationswert, seine ästhetische Qualität ist trotzdem und deswegen gegeben. Das Gedicht ist befremdlich, aber doch auf eine besondere Weise zuverlässiger: Es ruft über die Lexeme und Verbindungen und Metaphern in überschaubarer Zahl kulturelle Einheiten, Frames und Scripte auf. Und reizt dann bei allem freien Flottieren zum Dechiffrieren und zum Mitschauen. Die anfängliche Phase der Desorientierung löst sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auf, wenn man den Text als metaphorisches Sprechen erkennt.
Dafür gibt es Textsignale. Man teste sich etwa hier. Ohne allzu lange zu überlegen, wird man seltsame und weniger befremdliche und gar nicht befremdliche Gorillas erküennen. Im Herzen unseres Denkens erkennen und verstehen wir Metaphern:
Richard ist ein Gorilla.
Richard ist manchmal ein richtiger Gorilla
Richard ist ein drei Jahre alter Berg-Gorilla.
Die Kontexte enthalten eben doch Hinweise, ob ein Lexem aus seinem Ursprungsbereich herausgezogen wurde, auffällt, das Verstehen verzögert. Oder glatt und schnell verstanden werden kann, weil automatisiertes Sprechen und Verstehen greift.
Hier, in Trainees Text, funktioniert über weite Strecken Frame (und Script) des Überschriftlexems. „Bubblegum“ bezeichnet denotativ eine besondere Art von Kaugummi. Eine Genussware, die ihren Geschmack durch ständiges Kauen und ihren Wert durch (reinigenden) Speichelfluss erzielt, beruhigend wirkt und lässig cool aussieht, bis hin zur Provokation gesitteter älterer Herrschaften. Das Besondere: Der Kaugummi lässt sich durch Blasen in Ballonform und Ballongröße transformieren, man kann ihn zum Platzen bringen, man kann die entstehenden Fäden wieder in den Mund einziehen und manchmal dann durch Kauen wieder in eine energetische Form zurückbringen, auf der konnotativen Ebene wirkt das oft anstößig, irgendwie – so sagte man früher – „halbstark“, „respektlos“, „normbrechend“.
Unser Text setzt aber nicht nur diese Grundbedeutung samt ihrer Denotation und Konnotation ins Kommunikationsspiel mit dem Leser. Sehr kühn und wohl nicht zu halten: Im Bedeutungshof von „Blase“ liegt auch, wenn auch sehr entfernt, Aggregation, ein Clan, eine Clique. Mit den bekannten Eigenschaften, seien sie nun Offenheit für Nichtzugehörige oder Verhöhnung oder Abschottung gegenüber eher verachtenswürdigen Gliedern der „out-group“. Intern ist solchen Gruppierungen nicht oft Parität der Mitglieder zugeordnet, vielmehr sind Alpha- und Beta-Figuren, Ranghöhere und Rangniedere zu unterscheiden. Niederhalten oder gar Ausstoßen der Minderrangigen ist Teil des aggressiven Spieltriebes in solchen Gruppenblasen.
Kurz: Wer Bubble-Gum liest und den Schlüssel zum Thema - „Prosamund“ und „Plot“-Verlust - überliest, der wird sich von den Zwergen und ihren Verhaltensweisen frustriert abwenden. Wer aber das Haupt-Thema „literarische Produktion“ und „literarisches Sprechen“ in dem Bild der Sprechblase dechiffrieren kann, die seltsamen Zwerge verorten kann, der wird Lust an einer immer komplexer und doch feststrukturierten Großmetapher empfinden, wird wildes und detektivisches Denken im und am Text erleben. Eine produktive mesalliance der beiden Domänen Bubblegum und Literatur und eine erotische Zusammenarbeit nicht introspektierbarer Verstehenvorgänge mit rational hermeneutischen und fast schon analytisch-sezierenden und abwägenden logischen Verfahren.
https://up.picr.de/34488943wt.jpg
(kein wildes Denken)
Und er wird sich - schließlich/endlich/vorläufig - trotzdem an den Unschärfen und Problemen der beiden Bereiche und ihrer Kopplung reiben. Wärme – lasst es uns kühl und verfahrenstechnisch formulieren - wird dabei auf jeden Fall erzeugt. Und ja doch, auch ein Gaumenschmaus lääst sich genießen, dieser/s Bubblegum gibt sich was her und aus.
https://up.picr.de/34491689ld.jpg
(Augen- und Gaumenschmaus mit Bubblegum.
Trainees lyrische Metapherologie.)
(6) Bonus-Track: Die Struktur einer Metapher (Gebäude und Website)
• Ein konkreterer und sinnlich erfahrbarer und relativ durchschaubarer Ursprungsbereich Y hält bestimmte Lexeme bereit. Und die darin gespeicherten Konzepte/Modelle/Szenarios/Features/Gemeinplätze/
Weltklasse/Allgemeinwissen.
• Man nutzt diese Lexeme und ihre Konzepte, um abstraktere Phänomene außerhalb von Y in ihrer Struktur aufzuhellen. Diese Phänomene bezeichnen wir mit X.
• Werkzeug für diesen Vorgang ist die Metapher, eine Art poetisches Vehikel, das Wörter/Lexeme aus ihrem Ursprungsbereich heraustransportiert. Dabei werden die in den Wörtern gespeicherten Seme/Merkmale heraus- und weiter transportiert und dann projiziert . Projiziert auf das zu erhellende Phänomen und seine Struktur. Projiziert werden Seme, Konzepte oder Modelle oder Szenarios (Scripts) oder Features auf den Bildempfänger und seine bereits vorfindlichen Modelle. Das nennt man mapping, manchmal auch cross-mapping.
• In der Modellkopplung (Konzeptkopplung) wirken bestimmte Elemente des Herkunftsbereiches besonders hervorstechend, da sie in ihrem neuen Umfeld dessen Kategorien verletzen; man nennt solche Elemente die salient features (auffällige Merkmale), sie sind die zentralen Träger der entstandenen Metapher. Bestimmte, weniger passende Merkmale werden randständig, sie werden sozusagen „narkotisiert“. Die verbleibenden sind dann besonders deutungsmächtig.
• In der Terminologie eingebürgert für den Ursprungsbereich: uneigentliches Wort (Aristoteles, Quintilian), vehicle (Richards)subsidiary subject (Black), Bildspender, bildspendendes Feld (Weinrich), source domain/source concept (Lakoff, Johnson u.a.)
• In der Terminologie eingebürgert für den Zielbereich: eigentliches Wort (Aristoteles, Quintilian), tenor (Richards), principal subject (Black), Bildempfänger, bildempfangendes Feld (Weinrich), target domain/target concept (Lakoff, Johnson u.a.).
• Fokussieren: Bei einer erfolgten Metaphernkonstruktion fallen zunächst kontextfremde Lexeme auf. Dann wirkt der Kontext wie ein Filter: Nur bestimmte Seme werden durchgelassen. So entsteht eine Art Schnittmenge mit bestimmten Semen. Solche Merkmale gelten als kompatibel und erklärungsrelevant. Sie bilden die Kernanalogie ab.
Andere Merkmale treten eher in den Hintergrund. Sie wirken (zunächst) inkompatibel (unverträglich) und kaum erklärungsrelevant.
Fokussieren ist der Oberbegriff für betonen/markieren und verbergen/narkotisieren. Die folgende Skizze zeigt im Zusammenhang, was man unter Fokussieren versteht.
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