Über den Wolken - Neueste Bearbeitung
Nur ein blasser Küstenstreifen ist aus dem Bullauge des Silbervogels zu sehen. Er beschleunigt und hebt ab. Hohe Wolkentürme verdecken den Blick auf den Pico del Teide, Spaniens höchstem Berg. Der riesige Vogel ruckelt ein bisschen, so als würde er sich schütteln. Unter uns tauchen zwischen Wolkenfetzen die anderen kanarischen Inseln auf. Viel ist nicht zu erkennen, nur hier und da ein Stückchen grün, eine Bucht, das Meer. Und dann ist die Wolkendecke so dicht wie frisch gezupfte Baumwolle, wie ein dickes, weiches Vlies. Zarte Wolkenschleier ziehen darüber hinweg in Richtung Süden. Die Sonne reflektiert auf dem Flügel. Ich lasse den Sonnenschutz etwas herunter und schaue durch den unteren Teil des Bullauges. Ein anderer Flieger zieht am Horizont seine Bahn, einen weißen Kondensstreifen hinter sich lassend.
Auf dem Display vor mir sehe ich, dass wir uns der afrikanischen Küste nähern. Marokko, vermute ich. Die weiße Pracht hat ihre Konsistenz verändert und ähnelt nun einer riesigen, eisigen Schneedecke. An den Bullaugen perlen kleine Eiskristalle. Über uns ein strahlend blauer Himmel. Irgendwo hinter den Wolken am Horizont wandern stolze Tuareg mit ihren Kamelkarawanen durch die schier endlosen Sanddünen der Sahara. Die Erde dort lechzt nach Wasser, nur hin und wieder findet sich eine kleine Oase, wo sich Mensch und Tier erfrischen können. Dattelpalmen bewegen ihre großen Fächer im heißen Wind. Ein kurzes, heftiges Absacken der Maschine holt mich aus meinen Träumen zurück in die Wirklichkeit. Ich sitze in einem Riesenvogel über dem weiten Meer. Um mich herum scheinen urplötzlich die Höllenreiter der Apokalypse ausgebrochen zu sein. Die Wolkentürme vor uns sind bedrohlich schwarz. Der große Vogel ächzt, sackt ab, fängt sich wieder. Schwere Turbulenzen durchschütteln die Maschine. Ein Becher mit Orangensaft ergießt sich über der Hose meines Nachbarn. Über uns leuchtet die Meldung `“Anschnallen“ auf. Wir stecken in einer Suppe von pechschwarzen Wolken. Regen und Hagel prasseln an die Fenster. Um uns herum ist es dunkelste Nacht. Blitze zucken. Ich habe das Gefühl in einer Achterbahn zu sitzen. Über den Lautsprecher ertönt die Stimme des Kapitäns:“ Meine Damen und Herren, wir sind in eine Gewitterfront geraten. Es besteht kein Grund zur Beunruhigung. Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen!“ Eine Zeitschrift schlittert über den Gang in der Mitte, als sich die Maschine plötzlich nach vorne neigt. Irgendwo in den Reihen vor mir weint ein kleines Kind.
Der Mann auf dem Sitz neben mir ist so weiß wie eine Wand. Er hält sich die Tüte vors Gesicht. Das letzte Bier scheint ihm nicht bekommen zu sein. Und dann knallt er durch eine ruckartige Bewegung der Maschine mit dem Kopf nach vorn. Es ist wohl aber nicht viel passiert, die Polsterung hat den Stoß abgefangen. Er schaut zu mir herüber. Auf seiner Stirn stehen Schweißperlen. Es geht ihm wirklich nicht gut, das kann ich ihm ansehen. Und wieder schlingert die Maschine wie ein Schiff in Seenot. Mein Nachbar starrt auf den Gang, wie hypnotisiert. Ich kann nichts sehen, weil ich am Fenster sitze. „Was ist los“, brülle ich. Er gibt keine Antwort, sondern starrt immer nur auf den Gang. Der Platz zwischen ihm und mir ist leer. Unter diesen Umständen bin ich wirklich froh darüber.
Die Flugbegleiterin, die vor wenigen Augenblicken uns noch freundlich lächelnd nach unseren Wünschen gefragt hat, ist kreidebleich im Gesicht. Sie hält sich an den Sitzen fest und versucht die Passagiere zu beruhigen. Sie hat Mühe, sich festzuhalten. Offenbar will der Pilot die Gewitterfront überfliegen, denn das Flugzeug steigt steil in die Höhe. Abrupt fängt der Pilot den Steilflug auf. Die Turbulenzen scheinen eher stärker zu werden. Wir halten uns an den Sitzen fest. Die kreidebleiche Flugbegleiterin fordert uns auf, die Bullaugen zu schließen. Offenbar möchte sie Panik vermeiden. Dadurch wird die Situation auch nicht besser. Nun sitze ich hier fest und kann nicht sehen, was um mich herum passiert. Und unter uns nur das weite, tiefe Meer.
Mein Sitznachbar starrt immer noch auf den Gang. Und auch die Flugbegleiterin hat sich nicht von der Stelle bewegt. Ich versuche mich hochzuziehen, um zu sehen, was vorn passiert ist. Kurz ent-schlossen löse ich den Sicherheitsgurt und halte mich am Vordersitz fest, kann aber nichts erkennen.
Ein weiterer Schlenker der Maschine, und mein Gurt ist wieder festgezurrt. Trotzdem will ich wissen, was vor mir los ist. Ich stoße meinen Nachbarn an. Er schaut kurz zu mir rüber. In seinem Gesicht steht das blanke Entsetzen. Ich kann mir keinen Reim darauf machen.
Und wieder ruckelt die Maschine wie besoffen hin und her. Die Konstrukteure der ersten Flug-maschinen hatten dieser Art des Reisens keine große Zukunft voraus gesagt. Ihrer Meinung würde aufgrund der hohen Kosten nur eine Minderheit diese Form des Reisens wählen. Die Kosten stören mich im Moment wenig, viel mehr macht mir die unkontrollierte Kraft der Naturgewalten zu schaffen. In der Reihe vor mir sitzt ein dicker Mann, der beim Frühstück zwei Gläser Sekt getrunken hatte. Sein Kopf ist hochrot, er hat sich über die Tüte gebeugt und kotzt was das Zeug hergibt. Die Frau neben ihm wischt ihm ständig mit einem Tuch über den glatten Schädel, wobei sie etwas seufzt, was ich aufgrund des Lärms in der Kabine nicht verstehen kann.
Ich habe die Verdunkelung vor dem Bullauge geöffnet. Ich will sehen, in welchem Hexenkessel wir uns befinden. Lieber sehenden Auges ins Verderben, als blind ins Chaos. Dicke Wolkentürme ragen vor mir auf. Schwarz und bedrohlich. Schnell schließe ich das Bullauge wieder. In der Kabine stinkt es nach Erbrochenem. Wieder ein Absacken der Maschine, und auch in meinem Magen spüre ich nun die Wirkungen der Turbulenzen. Ich halte mir ein Taschentuch vor den Mund, suche nach der Tüte. Ein weiteres Absacken, und dann wie im Sturzflug nach unten. Himmel, durchfährt es mich, jetzt hat der Pilot die Kontrolle verloren! Aber er fängt den Vogel wieder ab. Seine Stimme aus dem Lautsprecher klingt gequält: “Verehrte Passagiere, ich muss Ihnen mitteilen, dass wir versuchen werden, in Tunis zwischenzulanden.“ Keine weitere Erklärung. Nur der lapidare Hinweis, dass wir aus irgendwelchen Gründen unseren vorgesehenen Flug nicht fortsetzen werden. Die Passagiere sind durch die Aussage alles andere als beruhigt.
Die Flugbegleiterin hat sich nun über etwas gebeugt, was offenbar am Boden des Ganges liegt. „Was ist los“, versuche ich von meinem Nebenmann zu erfahren. Der aber schüttelt nur den Kopf. Lieber in Tunis auf einen anderen Flug umgebucht werden, als noch eine weitere Minute in dieser Höllen-maschine bleiben, durchfährt es mich, als der Riesenvogel sich bedrohlich seitwärts legt.
Ich versuche wieder durch das Bullauge zu spähen. Die dicke Wolkendecke hat sicht nun ein wenig aufgelockert. Die Wolkenmassen scheinen weniger bedrohlich zu sein. Unter uns erkenne ich Land. Tunis ist nicht mehr weit. Gott sei Dank. Eine erneute Durchsage zerstört meine Hoffnung auf ein rasches Ende dieses Grauens: „Wir haben keine Landeerlaubnis für Tunis erhalten. Wir werden stattdessen in Granada landen!“ Bange Minuten vergehen, mir kommen sie wie eine Ewigkeit vor. Dann die erlösende Durchsage: „Wir werden in ca. 40 Minuten in Granada landen“! Ich bin erleichtert.
Die Flugbegleiterin hat immer noch nicht ihren Platz verlassen. Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Ein anderer Flugbegleiter steht nun der Flugbegleiterin gegenüber. Ich kann sein Gesicht erkennen. Er ist deutlich angespannt und blass. Ich rutsche über den leeren Sitz in Richtung Gang, kann aber nichts erkennen.
Durchs Bullauge kann ich zwischen Wolkenfetzen die südspanische Sierra zu erkennen. Runzelig wie die Haut eines alten Menschen. Andalusien, berühmt für seine rassigen Pferde. Die Alhambra, der alte Königspalast der Mauren, kommt mir in den Sinn, und Orangenplantagen so weit das Auge reicht. Ich bin erleichtert. Wir werden in Kürze Granada erreichen. Dann hat dieser Albtraum ein Ende.
Weit über uns zieht ein Flieger in Richtung Westen weg. Er glitzert in der Sonne. Unser Silbervogel zieht eine weite Schleife und setzt dann etwas holprig auf zur Landung an. Endlich werden wir wieder festen Boden unter den Füßen haben! Auf dem Rollfeld stehen mehrere Militärfahrzeuge. Ein Schreck fährt mir durch die Glieder. Uniformierte Männer stürmen von beiden Seiten auf die Flugbegleiterin zu. Einige neugierige Passiere werden von ihnen mit kurzen Befehlen auf die Sitze zurück verwiesen. Einer von ihnen weist uns an, die Maschine schnell und ruhig zu verlassen. Unsere Sachen sollen wir zurücklassen. Auf Fragen bekommen wir keine Antworten, sondern nur die Aufforderung: „Schnell, schnell!“
Über eine inzwischen angefahrene Treppe verlassen wir das Flugzeug. Die Busse stehen in einiger Entfernung und bringen uns zum Flughafengebäude. Uns eilen Bedienstete der Fluggesellschaft entgegen, die sich um einige Passagiere kümmern, denen die Achterbahn in den Wolken nicht gut bekommen ist. Wir bekommen heißen, süßen Tee und Gebäck. Und erfahren jetzt in welcher möglichen Gefahr wir uns gefunden haben: Es war eine Bombendrohung eingegangen, die Flugbe-gleiterin hatte auf dem Gang eine Aktentasche gefunden, die offenbar niemandem gehörte.
Diese Tasche wurde nun von einer Spezialeinheit sichergestellt.
Morgen werden wir unseren Flug nach Frankfurt fortsetzen, hoffentlich unter günstigeren Bedingungen.
Nur ein blasser Küstenstreifen ist aus dem Bullauge des Silbervogels zu sehen. Er beschleunigt und hebt ab. Hohe Wolkentürme verdecken den Blick auf den Pico del Teide, Spaniens höchstem Berg. Der riesige Vogel ruckelt ein bisschen, so als würde er sich schütteln. Unter uns tauchen zwischen Wolkenfetzen die anderen kanarischen Inseln auf. Viel ist nicht zu erkennen, nur hier und da ein Stückchen grün, eine Bucht, das Meer. Und dann ist die Wolkendecke so dicht wie frisch gezupfte Baumwolle, wie ein dickes, weiches Vlies. Zarte Wolkenschleier ziehen darüber hinweg in Richtung Süden. Die Sonne reflektiert auf dem Flügel. Ich lasse den Sonnenschutz etwas herunter und schaue durch den unteren Teil des Bullauges. Ein anderer Flieger zieht am Horizont seine Bahn, einen weißen Kondensstreifen hinter sich lassend.
Auf dem Display vor mir sehe ich, dass wir uns der afrikanischen Küste nähern. Marokko, vermute ich. Die weiße Pracht hat ihre Konsistenz verändert und ähnelt nun einer riesigen, eisigen Schneedecke. An den Bullaugen perlen kleine Eiskristalle. Über uns ein strahlend blauer Himmel. Irgendwo hinter den Wolken am Horizont wandern stolze Tuareg mit ihren Kamelkarawanen durch die schier endlosen Sanddünen der Sahara. Die Erde dort lechzt nach Wasser, nur hin und wieder findet sich eine kleine Oase, wo sich Mensch und Tier erfrischen können. Dattelpalmen bewegen ihre großen Fächer im heißen Wind. Ein kurzes, heftiges Absacken der Maschine holt mich aus meinen Träumen zurück in die Wirklichkeit. Ich sitze in einem Riesenvogel über dem weiten Meer. Um mich herum scheinen urplötzlich die Höllenreiter der Apokalypse ausgebrochen zu sein. Die Wolkentürme vor uns sind bedrohlich schwarz. Der große Vogel ächzt, sackt ab, fängt sich wieder. Schwere Turbulenzen durchschütteln die Maschine. Ein Becher mit Orangensaft ergießt sich über der Hose meines Nachbarn. Über uns leuchtet die Meldung `“Anschnallen“ auf. Wir stecken in einer Suppe von pechschwarzen Wolken. Regen und Hagel prasseln an die Fenster. Um uns herum ist es dunkelste Nacht. Blitze zucken. Ich habe das Gefühl in einer Achterbahn zu sitzen. Über den Lautsprecher ertönt die Stimme des Kapitäns:“ Meine Damen und Herren, wir sind in eine Gewitterfront geraten. Es besteht kein Grund zur Beunruhigung. Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen!“ Eine Zeitschrift schlittert über den Gang in der Mitte, als sich die Maschine plötzlich nach vorne neigt. Irgendwo in den Reihen vor mir weint ein kleines Kind.
Der Mann auf dem Sitz neben mir ist so weiß wie eine Wand. Er hält sich die Tüte vors Gesicht. Das letzte Bier scheint ihm nicht bekommen zu sein. Und dann knallt er durch eine ruckartige Bewegung der Maschine mit dem Kopf nach vorn. Es ist wohl aber nicht viel passiert, die Polsterung hat den Stoß abgefangen. Er schaut zu mir herüber. Auf seiner Stirn stehen Schweißperlen. Es geht ihm wirklich nicht gut, das kann ich ihm ansehen. Und wieder schlingert die Maschine wie ein Schiff in Seenot. Mein Nachbar starrt auf den Gang, wie hypnotisiert. Ich kann nichts sehen, weil ich am Fenster sitze. „Was ist los“, brülle ich. Er gibt keine Antwort, sondern starrt immer nur auf den Gang. Der Platz zwischen ihm und mir ist leer. Unter diesen Umständen bin ich wirklich froh darüber.
Die Flugbegleiterin, die vor wenigen Augenblicken uns noch freundlich lächelnd nach unseren Wünschen gefragt hat, ist kreidebleich im Gesicht. Sie hält sich an den Sitzen fest und versucht die Passagiere zu beruhigen. Sie hat Mühe, sich festzuhalten. Offenbar will der Pilot die Gewitterfront überfliegen, denn das Flugzeug steigt steil in die Höhe. Abrupt fängt der Pilot den Steilflug auf. Die Turbulenzen scheinen eher stärker zu werden. Wir halten uns an den Sitzen fest. Die kreidebleiche Flugbegleiterin fordert uns auf, die Bullaugen zu schließen. Offenbar möchte sie Panik vermeiden. Dadurch wird die Situation auch nicht besser. Nun sitze ich hier fest und kann nicht sehen, was um mich herum passiert. Und unter uns nur das weite, tiefe Meer.
Mein Sitznachbar starrt immer noch auf den Gang. Und auch die Flugbegleiterin hat sich nicht von der Stelle bewegt. Ich versuche mich hochzuziehen, um zu sehen, was vorn passiert ist. Kurz ent-schlossen löse ich den Sicherheitsgurt und halte mich am Vordersitz fest, kann aber nichts erkennen.
Ein weiterer Schlenker der Maschine, und mein Gurt ist wieder festgezurrt. Trotzdem will ich wissen, was vor mir los ist. Ich stoße meinen Nachbarn an. Er schaut kurz zu mir rüber. In seinem Gesicht steht das blanke Entsetzen. Ich kann mir keinen Reim darauf machen.
Und wieder ruckelt die Maschine wie besoffen hin und her. Die Konstrukteure der ersten Flug-maschinen hatten dieser Art des Reisens keine große Zukunft voraus gesagt. Ihrer Meinung würde aufgrund der hohen Kosten nur eine Minderheit diese Form des Reisens wählen. Die Kosten stören mich im Moment wenig, viel mehr macht mir die unkontrollierte Kraft der Naturgewalten zu schaffen. In der Reihe vor mir sitzt ein dicker Mann, der beim Frühstück zwei Gläser Sekt getrunken hatte. Sein Kopf ist hochrot, er hat sich über die Tüte gebeugt und kotzt was das Zeug hergibt. Die Frau neben ihm wischt ihm ständig mit einem Tuch über den glatten Schädel, wobei sie etwas seufzt, was ich aufgrund des Lärms in der Kabine nicht verstehen kann.
Ich habe die Verdunkelung vor dem Bullauge geöffnet. Ich will sehen, in welchem Hexenkessel wir uns befinden. Lieber sehenden Auges ins Verderben, als blind ins Chaos. Dicke Wolkentürme ragen vor mir auf. Schwarz und bedrohlich. Schnell schließe ich das Bullauge wieder. In der Kabine stinkt es nach Erbrochenem. Wieder ein Absacken der Maschine, und auch in meinem Magen spüre ich nun die Wirkungen der Turbulenzen. Ich halte mir ein Taschentuch vor den Mund, suche nach der Tüte. Ein weiteres Absacken, und dann wie im Sturzflug nach unten. Himmel, durchfährt es mich, jetzt hat der Pilot die Kontrolle verloren! Aber er fängt den Vogel wieder ab. Seine Stimme aus dem Lautsprecher klingt gequält: “Verehrte Passagiere, ich muss Ihnen mitteilen, dass wir versuchen werden, in Tunis zwischenzulanden.“ Keine weitere Erklärung. Nur der lapidare Hinweis, dass wir aus irgendwelchen Gründen unseren vorgesehenen Flug nicht fortsetzen werden. Die Passagiere sind durch die Aussage alles andere als beruhigt.
Die Flugbegleiterin hat sich nun über etwas gebeugt, was offenbar am Boden des Ganges liegt. „Was ist los“, versuche ich von meinem Nebenmann zu erfahren. Der aber schüttelt nur den Kopf. Lieber in Tunis auf einen anderen Flug umgebucht werden, als noch eine weitere Minute in dieser Höllen-maschine bleiben, durchfährt es mich, als der Riesenvogel sich bedrohlich seitwärts legt.
Ich versuche wieder durch das Bullauge zu spähen. Die dicke Wolkendecke hat sicht nun ein wenig aufgelockert. Die Wolkenmassen scheinen weniger bedrohlich zu sein. Unter uns erkenne ich Land. Tunis ist nicht mehr weit. Gott sei Dank. Eine erneute Durchsage zerstört meine Hoffnung auf ein rasches Ende dieses Grauens: „Wir haben keine Landeerlaubnis für Tunis erhalten. Wir werden stattdessen in Granada landen!“ Bange Minuten vergehen, mir kommen sie wie eine Ewigkeit vor. Dann die erlösende Durchsage: „Wir werden in ca. 40 Minuten in Granada landen“! Ich bin erleichtert.
Die Flugbegleiterin hat immer noch nicht ihren Platz verlassen. Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Ein anderer Flugbegleiter steht nun der Flugbegleiterin gegenüber. Ich kann sein Gesicht erkennen. Er ist deutlich angespannt und blass. Ich rutsche über den leeren Sitz in Richtung Gang, kann aber nichts erkennen.
Durchs Bullauge kann ich zwischen Wolkenfetzen die südspanische Sierra zu erkennen. Runzelig wie die Haut eines alten Menschen. Andalusien, berühmt für seine rassigen Pferde. Die Alhambra, der alte Königspalast der Mauren, kommt mir in den Sinn, und Orangenplantagen so weit das Auge reicht. Ich bin erleichtert. Wir werden in Kürze Granada erreichen. Dann hat dieser Albtraum ein Ende.
Weit über uns zieht ein Flieger in Richtung Westen weg. Er glitzert in der Sonne. Unser Silbervogel zieht eine weite Schleife und setzt dann etwas holprig auf zur Landung an. Endlich werden wir wieder festen Boden unter den Füßen haben! Auf dem Rollfeld stehen mehrere Militärfahrzeuge. Ein Schreck fährt mir durch die Glieder. Uniformierte Männer stürmen von beiden Seiten auf die Flugbegleiterin zu. Einige neugierige Passiere werden von ihnen mit kurzen Befehlen auf die Sitze zurück verwiesen. Einer von ihnen weist uns an, die Maschine schnell und ruhig zu verlassen. Unsere Sachen sollen wir zurücklassen. Auf Fragen bekommen wir keine Antworten, sondern nur die Aufforderung: „Schnell, schnell!“
Über eine inzwischen angefahrene Treppe verlassen wir das Flugzeug. Die Busse stehen in einiger Entfernung und bringen uns zum Flughafengebäude. Uns eilen Bedienstete der Fluggesellschaft entgegen, die sich um einige Passagiere kümmern, denen die Achterbahn in den Wolken nicht gut bekommen ist. Wir bekommen heißen, süßen Tee und Gebäck. Und erfahren jetzt in welcher möglichen Gefahr wir uns gefunden haben: Es war eine Bombendrohung eingegangen, die Flugbe-gleiterin hatte auf dem Gang eine Aktentasche gefunden, die offenbar niemandem gehörte.
Diese Tasche wurde nun von einer Spezialeinheit sichergestellt.
Morgen werden wir unseren Flug nach Frankfurt fortsetzen, hoffentlich unter günstigeren Bedingungen.