Fredy Daxboeck
Mitglied
für alle leser die hier neu einsteigen. dies ist die fortsetzung von "ein neuer tag . . . ein neues glück" . . . ich wünsche euch gute unterhaltung und einen schönen tag
Eine gute Stunde später saßen die beiden wieder im Wagen und fuhren weiter in Richtung Nordwesten, gemeinsam, immer weiter den Bergen entgegen. Kyle hatte die Einladung von Susan, doch noch eine Weile mitzufahren, die sie zögernd mit sehr viel Herzklopfen ausgesprochen hatte, ohne ein weiteres Argument angenommen. Nur an seinen Augen konnte sie seine vermeintlichen Gefühle erahnen; denn seine Pupillen weiteten sich für einen winzigen Moment, und ein dunkles Feuer loderte in ihnen auf, bevor er sich abwandte.
"Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wohin die Reise gehen soll?" fragte Susan und sah starr geradeaus. Konzentriert und gleichzeitig möglichst teilnahmslos. Kyle saß mit seinen breiten Schultern wieder halb an die Beifahrertür gelehnt neben ihr und betrachtete sie forschend. Ein Umstand der ihr zum Teil gefiel, der sie aber auch in einer Weise irritierte, die sie unsicher und verletzlich machte.
"Ich habe kein bestimmtes Ziel."
"Sie haben kein bestimmtes Ziel?", wiederholte Susan und hob verwirrt die Augenbrauen.
"Nein. Warum sollte ich?"
"Aber, ich meine ... ich dachte. Oh verdammt. Verzeihen Sie", sie lachte über ihre eigene Worte. "Ich bin noch nie jemand begegnet der einfach loszieht ohne Ziel, ohne konkrete Vorstellung wohin er möchte, ohne ... ohne Plan oder Timing." Susan lachte wieder auf. "Sie wollen mich auf den Arm nehmen, nicht wahr?"
"Nein", Kyle schüttelte den Kopf. "Es ist mein voller Ernst. Sehen sie, ich habe andere Vorstellungen vom Reisen als die meisten Leute, das ist alles."
"Hmmh, andere Vorstellungen." Susan sah ihren Mitfahrer ungläubig an. Er hatte das Fenster an seiner Seite drei Finger breit geöffnet, der Fahrtwind spielte mit seinen Haaren und zupfte und zerrte an den braunen Locken und legte einen zufriedenen, fast zärtlichen Ausdruck in sein Gesicht.
"Wissen Sie", sagte Kyle und sah hinter ihr beim Fenster hinaus. " Reisen ist für mich etwas urtümliches. Reisen ist Bewegung, ist Lust an der Bewegung. Reisen ist die Wanderung von dem einem Ort zu einem anderen, und dabei Eindrücke und Empfindungen sammeln. Reisen ist, die Seele nicht nur baumeln zu lassen, sondern die Seele in den Wind zu hängen."
"Hmm, eigentlich müsste ich längst am vorläufigen Ziel meiner Reise sein." meinte Susan in gedehntem Tonfall, aufmunternd, mit einem vorsichtigen Seitenblick zu Kyle, der gelassen neben ihr saß, mit der Spur eines Lächelns in den Augen. "Ich hätte gestern diesen Platz finden sollen. Vielleicht bin ich auch daran vorbeigefahren, ohne es zu merken?" Sorgsam musterte sie die vorbeiziehende Landschaft, konnte aber nach wie vor keinerlei Hinweis auf eine Zufahrt für den Fluss oder eine Abzweigung die sie dorthin führen sollte, erkennen.
"Schade dass unsere gemeinsame Tour hier endet", meinte Kyle und zwang ein fröhliches Grinsen auf seine Lippen, das aber ein wenig bedrückt wirkte. "Es fing gerade an, mir Spaß zu machen." Er ließ seinen Blick durch den Wagen schweifen, bis er schließlich an Susans Profil hängenblieb. Als ob er sich dieses Bild für alle Zeiten einprägen wollte.
"Werfen Sie mich einfach wieder bei der nächsten Gelegenheit raus, okay." zwinkerte er ihr zu, und ein dumpfes Gefühl von Traurigkeit kroch in seiner Kehle hoch und schnürte sie zu. Ich werde dieses Mädchen vermissen, dachte er bekümmert. Sie wird mir tatsächlich fehlen. Verdammt, wie konnte mir das nur passieren?
"Sie könnten mich doch noch eine Weile begleiten." schlug Susan wie beiläufig vor, blinzelte angestrengt in die Sonne und hoffte dass Kyle nicht ablehnen würde. Mit einem Mal war es ihr sehr wichtig, dass er sie nicht allein ließ, dass dieser große braungebrannte Anhalter mit seinem unverschämtem Grinsen und seiner, wie er vielleicht meinte, raubeinigen Art, bei ihr blieb; auf ihrer verrückten Fahrt diesen wunderbaren Fluss hinunter. Sie fühlte sich auf eine unbestimmte Art, die sie nicht näher erklären konnte, wohl in seiner Nähe. Vielleicht weil er diese sichere Ruhe ausstrahlte, die sie an sich selbst so sehr vermisste?
"Sie meinen ich soll Sie ...", Kyle hob ungläubig eine Augenbraue und grinste. "eine Weile begleiten, auf ihrem verrückten Trip den Fluss hinunter?"
Susan sah ihn verwirrt an. "Ja! Genau das waren meine Gedanken." Sie schüttelte verlegen den Kopf. Wieder einmal schien er ihre Gedanken erraten zu haben. "Das heißt wenn sie Lust dazu und im Moment nichts besseres zu tun haben."
"Na ja, lassen Sie mich überlegen." Er legte den Kopf zurück und schloss die Augen, die Stirn gerunzelt, ein leichtes Lächeln umspielte befreit seine Lippen. "Heute Abend könnte ich sämtliche Verpflichtungen absagen, und morgen ..., mal sehen?"
"Na los, geben Sie sich einen Ruck. Ich meine es ernst mit meinem Angebot. Ich lade Sie auf einen einmaligen Kanuausflug durch die wilden Wasser des Vidum Creeks ein."
"Oh nein, oh nein", wehrte Kyle mit erhobenen Händen und lachender Verzweiflung ab. "Sie wollen mich in dieses schaukelnde Unding setzen und diesem reißenden Fluss überlassen." Er wedelte heftig mit den Armen, während seine grünen Augen vor Vergnügen blitzten.
Susan lachte unsicher. "Warum denn nicht?" fragte sie, und in ihrer Stimme vibrierte eine gespannte Nervosität, die sie beinahe reizbar machte. "Ich meine ..., sie haben doch nichts zu vergeben, oder? Außerdem lade ich nicht an jeder Ecke einen Mann den ich erst einen oder zwei Tage kenne ein, mit mir den Urlaub zu verbringen." Sie starrte angestrengt vor sich auf die Straße, die sie nun durch ausgedehnte Wälder führte. "Nur weil er für mich Frühstück macht", fügte sie hinzu.
"Ich weiß nicht", überlegte Kyle nachdenklich. "Ich bin noch niemals in einem richtigen Kanu gesessen, ich habe noch niemals ein Paddel in der Hand gehalten. Es sieht zwar ziemlich einfach aus, aber gerade das macht mir echte Sorgen."
"Ein Kanu zu paddeln ist in Wirklichkeit nicht so schlimm wie sie vielleicht denken, und das Wasser ist in Wahrheit ein zahmer Fluss", beeilte sich Susan zu versichern. "Echt ungefährlich, eine gemütliche Wanderung auf dem Wasser würde ich sagen. Außerdem passe ich auf Sie auf, okay." Sie strahlte Kyle mit einem zuversichtlichen Lachen an, um seine letzten Bedenken zu zerstreuen.
"Sie sind ein verrücktes Mädchen!" stellte Kyle grinsend fest, legte den Kopf zurück und schloss die Augen. "Sie sind tatsächlich ein verrücktes Mädchen."
"Ich weiß wie ich Sie überreden kann", kicherte Susan vergnügt. "Ich entführe Sie einfach." Plötzlich trat sie das Gaspedal durch, ein überschwängliches Gefühl der Freude erfüllte ihre Brust. Kyle würde, zumindest für eine Weile, bei ihr bleiben. Der Wagen beschleunigte und Susan gluckste vor Vergnügen. Mit ihm an ihrer Seite fühlte sie sich seltsam stark und auf eine eigenwillige Weise unbesiegbar.
Sie sah mit einem wilden Grinsen zu Kyle und übersah beinahe den kleinen verwitterten Wegweiser, der von einem Dornengestrüpp halb überwuchert ziemlich verloren am rechten Straßenrand stand. "Raglan - Vidum Creek" stand da in geschnitzten Lettern, von Wind und Regen ausgebleicht. Susan trat hart auf die Bremse und brachte den Wagen leicht rutschend zum Stehen. Ein erleichtertes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Na also, dachte sie und strahlte triumphierend.
Ohne ein Wort zu verlieren, bog sie in die nur mit Kies gestreute Straße ein und fuhr einen schmalen, unebenen Weg entlang. Zweimal gabelte sich die Straße und Susan nahm jedes Mal den linken Weg. Sie fuhren durch das Halbdunkel eines Tunnels aus Bäumen, Blättern und Schatten, der sie nach und nach weiter von der Hauptstraße wegführte, in langgestreckten Kurven immer tiefer den Berg hinab und gleichzeitig tiefer in den Wald. Allmählich wurde aus dem mit Kies gestreuten Weg ein holpriger Waldweg, der nicht einmal die Möglichkeit zum Wenden bot. Letztendlich, nach beinahe einer halben Stunde schaukelnder Autofahrt, vorbei an zahlreichen Wegkreuzungen, denen Susan allesamt nur nach Gefühl oder Laune gefolgt war, lichtete sich der Wald und der Weg endete an einer schmalen von Blumen übersäten Wiese.
Vor ihnen erstreckte sich ein weites Tal, das von zwei hohen mit weiten Kiefernwäldern bewachsenen Bergen gesäumt wurde und in dessen Hintergrund eine steile, massive Felswand hoch aufragte. Am Fuße des Tals schlängelte sich zwischen sanften Hügeln ein schmaler Wildbach dahin, der an verschiedenen Stellen schwach silbern durch die Bäume und Sträucher, die das Ufer säumten, blinzelte. Susan hielt den Wagen an, legte beide Hände auf das Lenkrad und sog tief den so typischen Geruch nach Flusslandschaft ein, der sie mit einemmal umgab.
Sie hatten ihn gefunden.
Ein Adler schwebte majestätisch träge im Aufwind über dem Tal. Susan stieg aus und starrte mit offenem Mund in den Himmel. Sie meinte die kurzen abgehackten Schreie des Adlers vielmehr zu fühlen, als dass sie sie hören konnte. Sie beobachtete fasziniert wie der große Raubvogel seine weiten Kreise zog. Ein Gefühl der Leichtigkeit, fast so als würde sie schweben, bemächtigte sich ihrer und sie setzte sich ohne nachzudenken auf einen gefällten Baumstamm, der dort neben der Straße lag, um sich festzuhalten. Angespannt atmete sie die Stille, die Weite und den Duft der Hügel ein und fühlte sich benommen und frei.
Als würde sie der Wind, sobald sie losließ, auf seine Schwingen nehmen und entführen. Hinauf ins sonnendurchflossene Nichts und wie eine Feder in dieses unendlich grüne Tal mit seinen sanften Hügeln flattern lassen oder sie so hoch hinaufwerfen, dass sie nie wieder zurückkehrte.
Mit bebenden Nasenflügeln sog sie die aromatische, nach Kiefernnadeln und frischem Gras duftende Luft ein. Wieder und wieder. Sie konnte gar nicht genug davon bekommen.
"Ehrlich", sie sah Kyle mit glänzenden Augen an. "Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas so sehr herbeigewünscht zu haben wie diesen Fluss." Sie lachte auf. "Na ja, beinahe."
Kyle schmunzelte. "Komm. Lass uns ihn begrüßen."
Susan lief zum Wasser, steckte die Hände in das kühle Nass und strahlte. Sie stand auf, schüttelte beide Hände, dass die Wassertropfen nur so flogen und lachte.
"Hallo Fluss!" rief sie, legte den Kopf schief, als lauschte sie auf eine Antwort und seufzte glücklich. Beinahe als hätte der Fluss tatsächlich geantwortet. Sie setzte sich auf einen verwitterten Baumstumpf und ließ ihre Augen den Fluss hinauf und hinab wandern. Das Wasser glitzerte im späten Sonnenlicht, als ob eine Million kleiner blitzender und blinkender Perlen darauf schwimmen würden. Susan lächelte angesichts der Bilderbuchidylle die sich vor ihr ausbreitete. Sie beobachtete einen Eisvogel, der so schnell wie ein Luftgeist dahinschoss, aufstieg und wie ein Pfeil im Wasser verschwand. Im nächsten Augenblick tauchte er wieder auf, mit einem kleinen zappelnden Fisch im Schnabel, und verschwand irgendwo im angrenzenden Gebüsch. Susan atmete langsam aus und merkte erst jetzt, dass sie den Atem angehalten hatte, als der Eisvogel ins Wasser getaucht war. Sie schüttelte den Kopf, erstaunt über sich selbst und lauschte auf das Murmeln des Flusses, der ihr Geschichten, so alt wie der Fluss selbst, zu erzählen schien. Kyle stand hinter ihr. Mit großer Gelassenheit beobachtete er Susan, steckte die Hände in den Hosentaschen und staunte. Dieses Mädchen schaffte es doch tatsächlich, ihn immer wieder in Erstaunen zu versetzen. Sie wechselte ihre Stimmungen beinahe im Minutentakt. In dem einen Augenblick nachdenklich, dann wütend, gelassen und wieder gehetzt, erst unsicher, dann stur ... und jetzt richtig glücklich. Sie war für ihn ein einziges großes Fragezeichen. Ob er sie je verstehen würde? Es würde sicher interessant werden, die richtige Susan kennenzulernen, die, die sich hinter all diesen Masken versteckte. Er trat neben sie und ließ seine Blicke den Fluss hinauf und hinabwandern.
"Hallo Fluss!" murmelte er, lauschte dem Lied des strömenden Wassers und genoss das Gefühl der Ruhe und der Harmonie, die ihn im Angesicht dessen erfüllte.
"Du hast uns also gefunden."
Eine gute Stunde später saßen die beiden wieder im Wagen und fuhren weiter in Richtung Nordwesten, gemeinsam, immer weiter den Bergen entgegen. Kyle hatte die Einladung von Susan, doch noch eine Weile mitzufahren, die sie zögernd mit sehr viel Herzklopfen ausgesprochen hatte, ohne ein weiteres Argument angenommen. Nur an seinen Augen konnte sie seine vermeintlichen Gefühle erahnen; denn seine Pupillen weiteten sich für einen winzigen Moment, und ein dunkles Feuer loderte in ihnen auf, bevor er sich abwandte.
"Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wohin die Reise gehen soll?" fragte Susan und sah starr geradeaus. Konzentriert und gleichzeitig möglichst teilnahmslos. Kyle saß mit seinen breiten Schultern wieder halb an die Beifahrertür gelehnt neben ihr und betrachtete sie forschend. Ein Umstand der ihr zum Teil gefiel, der sie aber auch in einer Weise irritierte, die sie unsicher und verletzlich machte.
"Ich habe kein bestimmtes Ziel."
"Sie haben kein bestimmtes Ziel?", wiederholte Susan und hob verwirrt die Augenbrauen.
"Nein. Warum sollte ich?"
"Aber, ich meine ... ich dachte. Oh verdammt. Verzeihen Sie", sie lachte über ihre eigene Worte. "Ich bin noch nie jemand begegnet der einfach loszieht ohne Ziel, ohne konkrete Vorstellung wohin er möchte, ohne ... ohne Plan oder Timing." Susan lachte wieder auf. "Sie wollen mich auf den Arm nehmen, nicht wahr?"
"Nein", Kyle schüttelte den Kopf. "Es ist mein voller Ernst. Sehen sie, ich habe andere Vorstellungen vom Reisen als die meisten Leute, das ist alles."
"Hmmh, andere Vorstellungen." Susan sah ihren Mitfahrer ungläubig an. Er hatte das Fenster an seiner Seite drei Finger breit geöffnet, der Fahrtwind spielte mit seinen Haaren und zupfte und zerrte an den braunen Locken und legte einen zufriedenen, fast zärtlichen Ausdruck in sein Gesicht.
"Wissen Sie", sagte Kyle und sah hinter ihr beim Fenster hinaus. " Reisen ist für mich etwas urtümliches. Reisen ist Bewegung, ist Lust an der Bewegung. Reisen ist die Wanderung von dem einem Ort zu einem anderen, und dabei Eindrücke und Empfindungen sammeln. Reisen ist, die Seele nicht nur baumeln zu lassen, sondern die Seele in den Wind zu hängen."
"Hmm, eigentlich müsste ich längst am vorläufigen Ziel meiner Reise sein." meinte Susan in gedehntem Tonfall, aufmunternd, mit einem vorsichtigen Seitenblick zu Kyle, der gelassen neben ihr saß, mit der Spur eines Lächelns in den Augen. "Ich hätte gestern diesen Platz finden sollen. Vielleicht bin ich auch daran vorbeigefahren, ohne es zu merken?" Sorgsam musterte sie die vorbeiziehende Landschaft, konnte aber nach wie vor keinerlei Hinweis auf eine Zufahrt für den Fluss oder eine Abzweigung die sie dorthin führen sollte, erkennen.
"Schade dass unsere gemeinsame Tour hier endet", meinte Kyle und zwang ein fröhliches Grinsen auf seine Lippen, das aber ein wenig bedrückt wirkte. "Es fing gerade an, mir Spaß zu machen." Er ließ seinen Blick durch den Wagen schweifen, bis er schließlich an Susans Profil hängenblieb. Als ob er sich dieses Bild für alle Zeiten einprägen wollte.
"Werfen Sie mich einfach wieder bei der nächsten Gelegenheit raus, okay." zwinkerte er ihr zu, und ein dumpfes Gefühl von Traurigkeit kroch in seiner Kehle hoch und schnürte sie zu. Ich werde dieses Mädchen vermissen, dachte er bekümmert. Sie wird mir tatsächlich fehlen. Verdammt, wie konnte mir das nur passieren?
"Sie könnten mich doch noch eine Weile begleiten." schlug Susan wie beiläufig vor, blinzelte angestrengt in die Sonne und hoffte dass Kyle nicht ablehnen würde. Mit einem Mal war es ihr sehr wichtig, dass er sie nicht allein ließ, dass dieser große braungebrannte Anhalter mit seinem unverschämtem Grinsen und seiner, wie er vielleicht meinte, raubeinigen Art, bei ihr blieb; auf ihrer verrückten Fahrt diesen wunderbaren Fluss hinunter. Sie fühlte sich auf eine unbestimmte Art, die sie nicht näher erklären konnte, wohl in seiner Nähe. Vielleicht weil er diese sichere Ruhe ausstrahlte, die sie an sich selbst so sehr vermisste?
"Sie meinen ich soll Sie ...", Kyle hob ungläubig eine Augenbraue und grinste. "eine Weile begleiten, auf ihrem verrückten Trip den Fluss hinunter?"
Susan sah ihn verwirrt an. "Ja! Genau das waren meine Gedanken." Sie schüttelte verlegen den Kopf. Wieder einmal schien er ihre Gedanken erraten zu haben. "Das heißt wenn sie Lust dazu und im Moment nichts besseres zu tun haben."
"Na ja, lassen Sie mich überlegen." Er legte den Kopf zurück und schloss die Augen, die Stirn gerunzelt, ein leichtes Lächeln umspielte befreit seine Lippen. "Heute Abend könnte ich sämtliche Verpflichtungen absagen, und morgen ..., mal sehen?"
"Na los, geben Sie sich einen Ruck. Ich meine es ernst mit meinem Angebot. Ich lade Sie auf einen einmaligen Kanuausflug durch die wilden Wasser des Vidum Creeks ein."
"Oh nein, oh nein", wehrte Kyle mit erhobenen Händen und lachender Verzweiflung ab. "Sie wollen mich in dieses schaukelnde Unding setzen und diesem reißenden Fluss überlassen." Er wedelte heftig mit den Armen, während seine grünen Augen vor Vergnügen blitzten.
Susan lachte unsicher. "Warum denn nicht?" fragte sie, und in ihrer Stimme vibrierte eine gespannte Nervosität, die sie beinahe reizbar machte. "Ich meine ..., sie haben doch nichts zu vergeben, oder? Außerdem lade ich nicht an jeder Ecke einen Mann den ich erst einen oder zwei Tage kenne ein, mit mir den Urlaub zu verbringen." Sie starrte angestrengt vor sich auf die Straße, die sie nun durch ausgedehnte Wälder führte. "Nur weil er für mich Frühstück macht", fügte sie hinzu.
"Ich weiß nicht", überlegte Kyle nachdenklich. "Ich bin noch niemals in einem richtigen Kanu gesessen, ich habe noch niemals ein Paddel in der Hand gehalten. Es sieht zwar ziemlich einfach aus, aber gerade das macht mir echte Sorgen."
"Ein Kanu zu paddeln ist in Wirklichkeit nicht so schlimm wie sie vielleicht denken, und das Wasser ist in Wahrheit ein zahmer Fluss", beeilte sich Susan zu versichern. "Echt ungefährlich, eine gemütliche Wanderung auf dem Wasser würde ich sagen. Außerdem passe ich auf Sie auf, okay." Sie strahlte Kyle mit einem zuversichtlichen Lachen an, um seine letzten Bedenken zu zerstreuen.
"Sie sind ein verrücktes Mädchen!" stellte Kyle grinsend fest, legte den Kopf zurück und schloss die Augen. "Sie sind tatsächlich ein verrücktes Mädchen."
"Ich weiß wie ich Sie überreden kann", kicherte Susan vergnügt. "Ich entführe Sie einfach." Plötzlich trat sie das Gaspedal durch, ein überschwängliches Gefühl der Freude erfüllte ihre Brust. Kyle würde, zumindest für eine Weile, bei ihr bleiben. Der Wagen beschleunigte und Susan gluckste vor Vergnügen. Mit ihm an ihrer Seite fühlte sie sich seltsam stark und auf eine eigenwillige Weise unbesiegbar.
Sie sah mit einem wilden Grinsen zu Kyle und übersah beinahe den kleinen verwitterten Wegweiser, der von einem Dornengestrüpp halb überwuchert ziemlich verloren am rechten Straßenrand stand. "Raglan - Vidum Creek" stand da in geschnitzten Lettern, von Wind und Regen ausgebleicht. Susan trat hart auf die Bremse und brachte den Wagen leicht rutschend zum Stehen. Ein erleichtertes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Na also, dachte sie und strahlte triumphierend.
Ohne ein Wort zu verlieren, bog sie in die nur mit Kies gestreute Straße ein und fuhr einen schmalen, unebenen Weg entlang. Zweimal gabelte sich die Straße und Susan nahm jedes Mal den linken Weg. Sie fuhren durch das Halbdunkel eines Tunnels aus Bäumen, Blättern und Schatten, der sie nach und nach weiter von der Hauptstraße wegführte, in langgestreckten Kurven immer tiefer den Berg hinab und gleichzeitig tiefer in den Wald. Allmählich wurde aus dem mit Kies gestreuten Weg ein holpriger Waldweg, der nicht einmal die Möglichkeit zum Wenden bot. Letztendlich, nach beinahe einer halben Stunde schaukelnder Autofahrt, vorbei an zahlreichen Wegkreuzungen, denen Susan allesamt nur nach Gefühl oder Laune gefolgt war, lichtete sich der Wald und der Weg endete an einer schmalen von Blumen übersäten Wiese.
Vor ihnen erstreckte sich ein weites Tal, das von zwei hohen mit weiten Kiefernwäldern bewachsenen Bergen gesäumt wurde und in dessen Hintergrund eine steile, massive Felswand hoch aufragte. Am Fuße des Tals schlängelte sich zwischen sanften Hügeln ein schmaler Wildbach dahin, der an verschiedenen Stellen schwach silbern durch die Bäume und Sträucher, die das Ufer säumten, blinzelte. Susan hielt den Wagen an, legte beide Hände auf das Lenkrad und sog tief den so typischen Geruch nach Flusslandschaft ein, der sie mit einemmal umgab.
Sie hatten ihn gefunden.
Ein Adler schwebte majestätisch träge im Aufwind über dem Tal. Susan stieg aus und starrte mit offenem Mund in den Himmel. Sie meinte die kurzen abgehackten Schreie des Adlers vielmehr zu fühlen, als dass sie sie hören konnte. Sie beobachtete fasziniert wie der große Raubvogel seine weiten Kreise zog. Ein Gefühl der Leichtigkeit, fast so als würde sie schweben, bemächtigte sich ihrer und sie setzte sich ohne nachzudenken auf einen gefällten Baumstamm, der dort neben der Straße lag, um sich festzuhalten. Angespannt atmete sie die Stille, die Weite und den Duft der Hügel ein und fühlte sich benommen und frei.
Als würde sie der Wind, sobald sie losließ, auf seine Schwingen nehmen und entführen. Hinauf ins sonnendurchflossene Nichts und wie eine Feder in dieses unendlich grüne Tal mit seinen sanften Hügeln flattern lassen oder sie so hoch hinaufwerfen, dass sie nie wieder zurückkehrte.
Mit bebenden Nasenflügeln sog sie die aromatische, nach Kiefernnadeln und frischem Gras duftende Luft ein. Wieder und wieder. Sie konnte gar nicht genug davon bekommen.
"Ehrlich", sie sah Kyle mit glänzenden Augen an. "Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas so sehr herbeigewünscht zu haben wie diesen Fluss." Sie lachte auf. "Na ja, beinahe."
Kyle schmunzelte. "Komm. Lass uns ihn begrüßen."
Susan lief zum Wasser, steckte die Hände in das kühle Nass und strahlte. Sie stand auf, schüttelte beide Hände, dass die Wassertropfen nur so flogen und lachte.
"Hallo Fluss!" rief sie, legte den Kopf schief, als lauschte sie auf eine Antwort und seufzte glücklich. Beinahe als hätte der Fluss tatsächlich geantwortet. Sie setzte sich auf einen verwitterten Baumstumpf und ließ ihre Augen den Fluss hinauf und hinab wandern. Das Wasser glitzerte im späten Sonnenlicht, als ob eine Million kleiner blitzender und blinkender Perlen darauf schwimmen würden. Susan lächelte angesichts der Bilderbuchidylle die sich vor ihr ausbreitete. Sie beobachtete einen Eisvogel, der so schnell wie ein Luftgeist dahinschoss, aufstieg und wie ein Pfeil im Wasser verschwand. Im nächsten Augenblick tauchte er wieder auf, mit einem kleinen zappelnden Fisch im Schnabel, und verschwand irgendwo im angrenzenden Gebüsch. Susan atmete langsam aus und merkte erst jetzt, dass sie den Atem angehalten hatte, als der Eisvogel ins Wasser getaucht war. Sie schüttelte den Kopf, erstaunt über sich selbst und lauschte auf das Murmeln des Flusses, der ihr Geschichten, so alt wie der Fluss selbst, zu erzählen schien. Kyle stand hinter ihr. Mit großer Gelassenheit beobachtete er Susan, steckte die Hände in den Hosentaschen und staunte. Dieses Mädchen schaffte es doch tatsächlich, ihn immer wieder in Erstaunen zu versetzen. Sie wechselte ihre Stimmungen beinahe im Minutentakt. In dem einen Augenblick nachdenklich, dann wütend, gelassen und wieder gehetzt, erst unsicher, dann stur ... und jetzt richtig glücklich. Sie war für ihn ein einziges großes Fragezeichen. Ob er sie je verstehen würde? Es würde sicher interessant werden, die richtige Susan kennenzulernen, die, die sich hinter all diesen Masken versteckte. Er trat neben sie und ließ seine Blicke den Fluss hinauf und hinabwandern.
"Hallo Fluss!" murmelte er, lauschte dem Lied des strömenden Wassers und genoss das Gefühl der Ruhe und der Harmonie, die ihn im Angesicht dessen erfüllte.
"Du hast uns also gefunden."