Liebe Julia,
noch ist die Zeit für eine Enttäuschung nicht gekommen, das lese ich aus Deinem Text heraus.
"Sieh bitte dich darin um meinetwillen." Das Lyri bittet den Vater, sich in das Lyri klarer hineinzudenken und die Zeitspanne mit zu bedenken, die es braucht, bis man über jemanden sagen kann, er sei dieser oder jener geworden, denn jeder ist allezeit ein Werdender und auch der Vater hat dieselbe Chance ein Werdender zu bleiben in seiner Beziehung zu seinem Kind, indem er mit dem Kind mitwächst und mitvollzieht, dass das Kind ein Wachsendes bleibt.
Mögen da auch zeitweilig Erwartungen nicht erfüllt werden, worunter der Vater dann leidet und auch das heranwachsende Kind leidet, weil es die Erwartungen gerne erfüllen würde, aber der eigentliche Grund, auf dem diese von Dir beschriebene Vater-Kind-Beziehung steht, bleibt immer erhalten: die Liebe zwischen beiden, die sich auch immer wieder in gegenseitigem Verstehen eine Bahn bricht.
"Sind wir nicht beide mehr als rote Grütze?" in diesem wunderbar profan gewählten Satz ist es enthalten. Uns kann nichts auseinanderbringen, denn wir werden alles mit dem, was jedem von uns eigen ist durchdringen und uns dadurch immer wieder finden.
So lese ich Deinen Text, liebe Julia. Für die Empfindungen hast du, nach meinem Geschmack, angenehm nüchterne Worte gefunden.
Ein Text, der die Zeiten überdauern könnte. Das findet man so selten verdichtet, die Liebe inmitten aller Schwierigkeiten und vorübergehender Missverständnisse.
Liebe Grüße
Vera-Lena