Vorweg: Der Text löst - neben dem dringenden Bedürfnis, ihm lauthals die Einordnung unter Kurz
prosa zu verweigern - ein gewisses Gefühl von morgendlichen "das wird mal wieder so ein nerviger Tag"-Gedanken aus. Insofern ist der Text wohl gelungen. Sobald ich aber näher gehe, versteh ich die Hälfte nicht mehr …
als wäre eine feder auf mein rechtes augenlid gegleitet , vollbrachte dieses die ersten zuckungen des mir bevorstehenden tages
nicht nur die augenpartie verkrampfte (s)ich , als würden mir 1 mio watt ins gesicht brennen , auch mein mundwinkel verzog sich fratzenhaft , in ein neues menschliches abbild , den tag so also ,nicht wirklich freudig begrüßend
Inhalt:
„1 mio watt“ brennen ins Gesicht? Meinst du Licht aus einer 1-Millionen-Watt-Lampe? Meinst du 1 Million Watt Stromstärke, die durch dein Gesicht fließen? (Watt ist die Einheit der Leistung - Leistung brennt nicht im Gesicht.)
Der Mundwinkel verzog sich zu einem (neuen) menschlichen Abbild? Was ist mit dem Rest, der zu einem menschlichen Abbild gehört? Hat der Mundwinkel all das imitiert oder gar tatsächlich gebildet?
Rechtschreibung/Grammatik:
aufs Augenlid geglitten
Komma hinter „also“ ist falsch.
Kommas schreibt man ohne Leerzeichen hinter das Wort, dann kommt ein Leerzeichen und dann das nächste Wort.
Hinter "tages" und hinter „bergüßend“ fehlt jeweils ein Punkt.
was wartete auf mich , menschen die mir sachen abverlangen wollen , immerzu als verpflichtung , aber ihr kennt mich ja
nicht allzu gut .
Inhalt:
Was meinst du mit „Sachen abverlangen als Verpflichtung“? „Sachen abverlangen und so Verpflichtungen auferlegen“? „Sachen abverlangen, weil es ihre Verpflichtung ist“? Oder ist es die Verpflichtung des LyrIch, dass die Menschen ihm Sachen abverlangen? (Nein, entschuldige, das ist ja Quatsch…)
Die „Sachen abverlangen wollen“ … Kann dem LyrIch doch egal sein, wenn sie das nur wollen, es aber nicht tun. Oder?
Was hat „Sachen abverlangen“ mit „ihr kennt mich (nicht)“ zu tun?
„Keine Prosa“-Argument:
Außer der penetranten Kleinschreibung und dem großzügigen Nichtgebrauch von Satzzeichen gehört auch so eine absatzüberspringende Satzkonstruktion zu den Elementen lyrischer Texte und hat – so – nichts in der Prosa zu suchen. (In der Prosa kann man bestenfalls sowas machen: „Ich nahm die Schaufel … ABSATZ … nicht in die Hand, denn es war eine Spinne dran.“)
bleibe hier ruhend
auf meinem rücken liegen d
und sammle kraft
für uns Alle,
Hier hört es nun gänzlich auf, Prosa zu sein …
Tippfehler: „liegen“ - ohne d oder „liegend“ (, dann fehlt aber mindestens ein Komma)
Rechtschreibung: „alle“ klein
Inhalt: Für wen „uns alle“?
sage ich mir selbst ,
beim dritten mal
schlief ich schon wieder ,
natürlich nicht
wirklich
ich sammle doch kraft ,
Zeitfehler: „ich schlief“ - „ich sammelte“ ODER „ich schlafe“ - „ich sammle“
Inhalt: „Ich sammle Kraft, aber ich bin mir (meines Tuns) sicher“ - das ergibt nicht viel Sinn, oder?
in dem was ich tue ,
vor allem wie
(ich) regel doch alles
Inhalt:
Meinst du, das LyrIch ist sich auch darin sicher, wie es das tut? Das steckt in „sicher sein in dem, was man tut“ mit drin, denn sonst wäre man sich ja nur sicher in dem, was man schafft/erreicht/anstrebt. Den Nachsatz mit „ich regel doch alles“ versteh ich gar nicht: „Ich bin sicher in dem was ich tue, denn (?) ich regel alles.“ Man kann auch was regeln, ohne sich sicher zu sein. Und warum steht das ich in Klammern - wenn man es beim Lesen weglässt, bleibt gar kein Sinn mehr übrig.
so vergeht tag für tag
zumeist sogar mit veränderung
scheint es als wüßte ich um den weg ins ziel
Inhalt:
Was für eine Veränderung? Oder meinst du Veränderungen? In beiden Fällen: Na klar verändert sich jeden Tag irgendwas und sei es der Sonnenstand - was ist dies hier also für eine so erwähnenswerte Veränderung?
Ist das eine Frage („Scheint es, als wüsste ich den Weg?“) oder ist eine Feststellung („Manchmal scheint es, als wüsste ich den Weg.“)?
Welches Ziel? Das für die Sachen, die die Leute dem LyrIch abverlangen (wollen)? Das „Lebensziel“ des LyrIchs? Das „große Ziel der Menschheit“ (, was immer das ist)?
vorbei , wobei
blickdichter nebel immer ein
begleiter sein kann
Was ist vorbei?
Und wobei ist der Nebel der Begleiter? Beim „als wüsste ich den Weg“? Nun ja: Man kann den Weg wissen, auch wenn Nebel herrscht - dann wird das den Weg Gehen nur schwieriger.
Und: Es kann auch strahlender Sonnenschein herrschen. Oder es kann regnen. Wo ist der Knackpunkt? (Zur Erklärung: "Ich weiß den Weg, aber es kann Nebel herrschen" ist etwas anderes als "Ich seh den Weg, aber manchmal herrscht Nebel, da seh ich ihn nicht." und noch was anderes ist "Ich weiß den Weg, aber manchmal herrscht Nebel und ich kann den Weg nicht gehen/ich verirre mich.")
wir werden uns wohl begegnen
Wer „wir“? „Nebel ist der Begleiter. Wir werden uns wohl begegnen“ - wo ist da der Zusammenhang?
Wo? Am Ziel? Ist es denn plötzlich ein gemeinsames? Und warum ist der LyrIch, dass „wir“ es alle erreichen? Meist du den Tod? Dann ist vorn „der Weg zum Ziel“ Quatsch (, es sei denn, wir reden die ganze Zeit über eine Clique Selbstmörder), oder wenigstens ist „den Weg zum Ziel wissen“ Quatsch, weil es entweder nur einen Weg (den, zu leben) gibt, oder unendlich viele, so dass man nur „seinen Weg“ oder „den richtigen Weg“ kennen kann (, wenn überhaupt).
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Ich hatte versucht, das Gedicht nach deinen Erklärungen für Haremsdame neu zu lesen, in der Hoffnung, ich verstünde nun besser. Aber in Wirklichkeit haben die Erklärungen eher neue Fragen aufgeworfen:
Wo im Gedicht steht was von „Unzufriedenheit an ihn herantragen“? Wo steht irgendwas davon, dass er zu den „Sachen, die man ihm abverlangen will“ schweigt? Wo steht was davon, dass er die Wahrheit (welche auch immer) verdrängt, wo etwas von Lügen, die er vermeidet?
Kann es sein, dass das Ganze eher eine Art Tagebucheintrag ist, den nur du oder ein Eingeweihter wirklich versteht?