Willi Corsten
Mitglied
Verhängnisvolle Freundschaft
von Willi Corsten
Ich war schon immer ein perfekter Autofahrer. Nur einer zweifelte daran, mein Fahrlehrer. Der ungläubige Thomas zahlte einen hohen Preis für sein Misstrauen. Nach meiner vierundachtzigsten Fahrstunde wurde er nämlich in die Klapsmühle eingeliefert.
Doch davon reden wir ein andermal. Heute erzähle ich die Geschichte von meinem ersten Auto, gesponsert von Oma - Gott hab‘ sie selig.
Wir holten das Vehikel bei der Firma Beulenpest ab, einer Gebraucht-wagenhandlung aus der Pannenstraße. Auf der Heimfahrt behauptete Oma, das für viel Geld erworbene Automobil sei grau, ich hingegen glaubte, ein verschossenes Rot erkannt zu haben. Wir einigten uns schließlich auf rostbraun, weil dieser Farbton dominierte.
Ganz neu war das gute Stück also nicht mehr. Ein Kotflügel fehlte und der linke Scheinwerfer. Die Lüftung funktionierte aber ausgezeichnet, besonders vom Bodenblech her. Nur die Blinkanlage hatte ein paar Mucken, sie arbeitete sozusagen im Kreuzverfahren, also vorne rechts, hinten links. Doch das irritierte nur den Sonntagsfahrer hinter uns. Wir hatten damit kein Problem!
Später fiel mir an dem Wagen ein weiteres Übel auf. Der verrückte Benzin-Esel suchte geradezu versessen die Nähe von Bäumen. Diese Marotte zeigte sich zum erstenmal, als er auf Großvaters Hof einen Apfelbaum um nietete. Bei der Reparatur entdeckte ich auch das Maskottchen des Wagens, eine kleine Birke. Sie wuchs in einer Ecke des Kofferraumes und träumte dort still vor sich hin.
Na ja, lange blieben wir nicht beisammen, der Rostbraune und ich. Schuld an der Trennung waren seine unverzeihlichen Seitensprünge. Wie ein liebestoller Zwergpinscher jagte er auf jeden Straßenbaum zu, streichelte heftig seine Rinde und warf dabei mit Außenspiegeln und Kotflügeln um sich.
Schweigend ertrugen die Bäume seine Attacken und schritten erst zur Tat, als er im Schutz der Dunkelheit eine junge, bildhübsche Tanne flachlegte. Die Rache der hölzernen Riesen war grausam. Ich erlebte sie fast hautnah mit. In einer stürmischen Nacht saß ich am Fenster und schaute hinüber zu der knorrigen Eiche, die bei der Hinrichtung den Henker spielte. Die Eiche wankte und bebte, stürzte dann polternd auf den zudringlichen Sonderling und zerlegte ihn fachmännisch in zahlreiche Einzelteile. Nur die Scheibenwischer blieben verschont, doch die waren sowieso nur Attrappen.
von Willi Corsten
Ich war schon immer ein perfekter Autofahrer. Nur einer zweifelte daran, mein Fahrlehrer. Der ungläubige Thomas zahlte einen hohen Preis für sein Misstrauen. Nach meiner vierundachtzigsten Fahrstunde wurde er nämlich in die Klapsmühle eingeliefert.
Doch davon reden wir ein andermal. Heute erzähle ich die Geschichte von meinem ersten Auto, gesponsert von Oma - Gott hab‘ sie selig.
Wir holten das Vehikel bei der Firma Beulenpest ab, einer Gebraucht-wagenhandlung aus der Pannenstraße. Auf der Heimfahrt behauptete Oma, das für viel Geld erworbene Automobil sei grau, ich hingegen glaubte, ein verschossenes Rot erkannt zu haben. Wir einigten uns schließlich auf rostbraun, weil dieser Farbton dominierte.
Ganz neu war das gute Stück also nicht mehr. Ein Kotflügel fehlte und der linke Scheinwerfer. Die Lüftung funktionierte aber ausgezeichnet, besonders vom Bodenblech her. Nur die Blinkanlage hatte ein paar Mucken, sie arbeitete sozusagen im Kreuzverfahren, also vorne rechts, hinten links. Doch das irritierte nur den Sonntagsfahrer hinter uns. Wir hatten damit kein Problem!
Später fiel mir an dem Wagen ein weiteres Übel auf. Der verrückte Benzin-Esel suchte geradezu versessen die Nähe von Bäumen. Diese Marotte zeigte sich zum erstenmal, als er auf Großvaters Hof einen Apfelbaum um nietete. Bei der Reparatur entdeckte ich auch das Maskottchen des Wagens, eine kleine Birke. Sie wuchs in einer Ecke des Kofferraumes und träumte dort still vor sich hin.
Na ja, lange blieben wir nicht beisammen, der Rostbraune und ich. Schuld an der Trennung waren seine unverzeihlichen Seitensprünge. Wie ein liebestoller Zwergpinscher jagte er auf jeden Straßenbaum zu, streichelte heftig seine Rinde und warf dabei mit Außenspiegeln und Kotflügeln um sich.
Schweigend ertrugen die Bäume seine Attacken und schritten erst zur Tat, als er im Schutz der Dunkelheit eine junge, bildhübsche Tanne flachlegte. Die Rache der hölzernen Riesen war grausam. Ich erlebte sie fast hautnah mit. In einer stürmischen Nacht saß ich am Fenster und schaute hinüber zu der knorrigen Eiche, die bei der Hinrichtung den Henker spielte. Die Eiche wankte und bebte, stürzte dann polternd auf den zudringlichen Sonderling und zerlegte ihn fachmännisch in zahlreiche Einzelteile. Nur die Scheibenwischer blieben verschont, doch die waren sowieso nur Attrappen.