Verkehrt (II) (gelöscht)

L

label

Gast
liebe presque_rien

Jedes hinreichend mächtige formale System ist entweder widersprüchlich oder unvollständig. ( Kurt Gödel)

Escher fällt mir auch dazu ein

wieder einmal bin verblüfft, über deinen Einfallsreichtum.
Später mehr, wenn ich ausgeschlafen habe und dein unglaubliches Kunststück angemessen würdigen kann. As of now, I do not command all my faculties

liebe Grüße
label
 
L

label

Gast
Liebe Presque

du hast da so viel hineingepackt,
du hast Paralellgedichte gespiegelt und doch in jeweils eine Zeile fügen können. unglaublich!!!!

Die [red]Sonne[/red] [blue]lacht[/blue] – das [blue]macht[/blue] mich so [red]besonnen[/red]:
So [red]hell[/red], so [blue]heiß[/blue] – das [blue]heißt[/blue], die Nacht kommt [red]schnell[/red].
Zu [red]grell[/red], zu [blue]weiß[/blue] – das [blue]schweißt[/blue] mich prompt ins [red]Fell[/red].
Wie, [red]Wonne[/red]? [blue]Ach[/blue] – gebt [blue]Acht[/blue], bald ist’s [red]geronnen[/red].

[red]Erscheinen[/red] [blue]Lieder[/blue] – [blue]nieder[/blue] mit dem [red]Scheinen[/red]!
Sie [red]reißen[/red] [blue]fort[/blue] – ich [blue]horte[/blue], was ich [red]weiß[/red].
Ihr [red]preist[/red] das [blue]Wort[/blue] – ich [blue]orte[/blue] seinen [red]Preis[/red]:
Ein [red]Schein[/red]-[blue]Gefieder[/blue] – [blue]lieber[/blue] will ich [red]weinen[/red].


grandios, wie du die Widersprüchlichkeiten innerhalb eines Menschen aufzeigst, die in sich, in den verschiedenen Strängen aber eine logische Kette/Fortführung bilden, die zu jedem Zeitpunkt aber miteinander kommunizieren - sich spiegeln

und dann noch die Mephisto-Anspielung "ich bin der teil"

Diesen Teil empfinde ich als jene Stimme, die man als "schlechtes Gewissen" bezeichnet, die sich aus der Ferne betrachtend selbst verurteilt. Denn diese Stimme weiß dass sie allein ist, dass es andere Stimmen im gleichen und anderen Menschen gibt, die ihr widersprechen.

Liebe presque ich habe mir dein Gedicht ausgedruckt, damit ich immer wieder einmal lesen kann, um all die Facetten aufzuspüren, die ich jetzt nur erahne.

Du scheinst verdichten ziemlich ernst zu nehmen und ich nenne deine Gedichte jetzt konzentiefensiviert

label
 
S

Spaetschreiber

Gast
Liebe Julia

Erstmal Julia, will ich genau das, was du hattest! :)
Für mich sind es mehrere Gedanken, wohlmöglich mehrere Gedichte in Einem.

Für mich wäre es so auch schön:
___________________________

Ich bin der Teil von mir den keiner sieht,
Der keinen ansieht, denn er schaut hinunter
Und hoch und bleibt allein in seinem Sinne:
Denn jedem Zauber wohnt ein Ende inne.

Ich liebe alles, was mich runterzieht,
und alles was ich liebe zieh‘ ich runter.

__________________________

Aber natürlich ist Dir das zu einfach *feix

Ich glaube, dass die ersten beiden Strophen nicht konsequent genug durchgespielt sind.
Jedenfalls nicht für mein Verständnis.
Guck mal ob ich auf nem falschen Dampfer bin, ich habe die Bezüge ein wenig umgebaut.

_______________________

Die Sonne lacht – das macht mich so besonnen:
So hell, zu heiß – die Nacht kommt schnell, ich weiß
Zu grell, du weißt – das schweißt mich prompt ans Fell.
Wie, Wonne? Ach – gebt Acht, bald ist’s gewonnen

Erscheinen Lieder – nieder mit dem Scheinen!
Sie reißen fort – ich horte, was ich weiß.
Ihr preist das Wort – ich orte ihren Preis:
Ein Schein-Gefieder – lieber will ich weinen.

_______________________

Dann hätten wir dieses komplexe Werk:


Die Sonne lacht – das macht mich so besonnen:
So hell, zu heiß – die Nacht kommt schnell, ich weiß
Zu grell, du weißt – das schweißt mich prompt ans Fell.
Wie, Wonne? Ach – gebt Acht, bald ist’s gewonnen

Erscheinen Lieder – nieder mit dem Scheinen!
Sie reißen fort – ich horte, was ich weiß.
Ihr preist das Wort – ich orte ihren Preis:
Ein Schein-Gefieder – lieber will ich weinen.

Ich bin der Teil von mir den keiner sieht,
Der keinen ansieht, denn er schaut hinunter
Und hoch und bleibt allein in seinem Sinne:
Denn jedem Zauber wohnt ein Ende inne.

Ich liebe alles, was mich runterzieht,
und alles was ich liebe zieh‘ ich runter.

_______________________

Vielleicht kannst du ja mit diesem, meinem Blickwinkel was anfangen.
Ich wünsche es mir und freue mich auf jedes weitere Gedicht von Dir, denn spannend sind sie immer alle.


Liebe Grüße
Tom

p.s. ... kann natürlich auch sein: ich sehe was, was du nicht siehst (oder umgekehrt)
 

Vera-Lena

Mitglied
Ja, liebe Julia,

so verkehrt sollte es in der Welt nicht zugehen. Wer könnte jetzt kommen und alles wieder grade biegen, damit Hermann Hesse doch noch Recht behält und es nach jedem Anfang weiter (voran) geht.

Die zweite Strophe bringt den Inhalt am ehesten auf den Punk, finde ich.

Was wurde alles angepriesen, als jemand einen steinigen Weg begann hoffnungsvoll und mit aller Ausdauer und allem Fleiß zu begehen. Aber nun stellt sich heraus, dass dort von einer Scheinwelt die Rede war. Und jeder glaubte, er könnte so beherzt den Leuten etwas einreden, aber nun... es bleiben nur noch Tränen.

In den folgenden zwei Strophen werden dann die verschluckten Tränen erläutert. "Ich bin der Teil von mir, den keiner sieht."

Aber auch das andere, das nicht kaputt gegangen ist, die ganzen Begabungen, die jetzt kein Betätigungsfeld finden, sieht auf einmal niemand mehr, so, als hätte es sie gar nicht gegeben.

Nun will sich eine neue Welt eröffnen, aber das Lyri, weiß sehr wohl, wie negativ diese Welt ist, ja, wie verkehrt und tausend Mal verkehrt:

"Ich liebe alles, was mich runterzieht,
und alles was ich liebe zieh ich runter."

Dass Du der letzten Zeile keine Kommata mehr gegönnt hast, macht umso deutlicher, wie verkehrt hier alles ist.

Tröstlich für den Leser: Das Lyri versteht es, sich Luft zu machen und diese verkehrte Welt, für die es selbst gar nichts kann, so gekonnt anzuprangern.

Liebe Julia,

Du hast hier stellvertretend für viele das Wort ergriffen, und wie ich gerade gesehen habe, ist auch einer Deiner Bewerter dabei. Es ist immer wohltuend, wenn die Dinge, die man selbst erfahren musste, aber vor lauter Schmerz selbst nicht formulieren konnte, irgendwo dann doch auftauchen.

Chapeau! und allemal hoffend, dass sich doch noch alles wieder zurechtbiegt,
mit lieben Grüßen
Vera-Lena
 

Mara Krovecs

Mitglied
Hallo liebe Presque,

hier bei Dir kann man viel lernen!
Über Mut andere Wege zu gehen, über Mut verspielt zu sein ohne sich zu verspielen, über Phantasie im Detail und somit auch über Sprachtauchgänge die etwas tiefer führen als üblich und über Liebe zum Tun.
Heraus kommen irgendwie einmalige kleine/ große Sprachwelten ...

Es ist wirklich eine Freude bei Dir zu lesen und ungeheuer inspirierend.

Alles Liebe

Mara
 
H

Heidrun D.

Gast
Wie noch jedes Mal, ist es ein Phänomen für mich, die möglichen Lesarten eines gelungenen Gedichts zu beobachten. :)

Mir scheint, als handele es sich sich um einen sehr persönlichen Text, fast eine Abrechnung mit sich selbst, das Eingeständnis eines grandiosen Scheiterns ...

Und er Vollmond zieht ab,
und die Sonnenflut kommt
und schwemmt mich zurück,
die Straße hinab
und lässt mich dort liegen,
inmitten begrabener Träume.
Ich stelle es mir für ein so junges LyrI furchtbar schwierig vor, um all diese Dinge zu wissen und so wenig dagegen machen zu können ...

Sehr liebe Grüße
Heidrun
 

presque_rien

Mitglied
Liebe label, lieber Tom, liebe Vera-Lena, liebe Heidrun,

Ich bin ganz überwältig, dass euch mein Gedicht so gut gefallen hat! Ich hatte eher mit schlechten Kritiken gerechnet, ich dachte, es wäre für den Leser eigentlich eine Zumutung, da formal zu bemüht/kompliziert und/oder inhaltlich zu egozentrisch/griesgrämig. Umso mehr freue ich mich jetzt natürlich - und das Lyri erst! :) Danke!!!

***

@ label

Ja, genauso habe ich die Quartette gemeint - als formal und inhaltlich gespiegelt = verkehrt. Cool, dass es dir gefällt - hat viel Bastelei erfordert (und ist dennoch lange nicht perfekt *seufz*)!

Das mit der Mephisto-Anspielung habe ich gar nicht gesehen - ich dachte eher an Rimbaud ("ich ist ein anderer") - aber interessanter Aspekt! (Sowieso, du eröffnest mir immer neue Perspektive auf meine eigenen Gedichte *freu*...)
Diesen Teil empfinde ich als jene Stimme, die man als "schlechtes Gewissen" bezeichnet, die sich aus der Ferne betrachtend selbst verurteilt. Denn diese Stimme weiß dass sie allein ist, dass es andere Stimmen im gleichen und anderen Menschen gibt, die ihr widersprechen.
Ja, generell ist diese Stimme das, was man an sich selbst nicht mag und darum lieber niemandem zeigen möchte. Auch darum ist dieser Teil des Ichs immer allein - obwohl er sich manchmal als das "echte Ich" anfühlt. Auf einer anderen Ebene kann ein solcher Ich-Teil auch bewusst alleine bleiben, um sich an nichts zu binden, denn "jedem Zauber wohnt ein Ende inne". Ich hoffe, die Interpretation des "Teils" ist relativ offen, und der Leser kann sich hineindenken...

Ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut (du hast so ein gutes Gespür bei Gedichten, auch deinen Kommentar zu Wehn.acht.leiden fand ich beeindruckend) - "konzentiefensiviert" find ich toll! :D Danke!

***

@ Tom

Ok, ich schick dir den guten Stoff rüber, bitte sende einen frankierten Umschlag an: State Prison of Wales, Cardiff :D

Nee, aber im Ernst, ich glaube, das sind die Burger-und Frittendüfte an meinem Arbeitsplatz... Die sind so... inspirierend.. (Agatha Christie ließ sich ja von überreifen Äpfeln beflügeln) Also wenn du willst, kann ich mal nachfragen, ob Burger King noch ne Stelle für dich frei hat. :D

Nee, jetzt aber wirklich ganz im Ernst, vielen Dank für deinen Kommentar! Ich fühle mich geehrt, dass jemand, der so toll dichtet (zu deiner Liebe am Ersten werde ich morgen unbedingt etwas schreiben, hatte ich mir schon länger vorgenommen), sich über und auf meine Gedichte freut!

Du hast Recht, das Gedicht zerfällt ein wenig in seine Einzelteile. Ich hatte mit dem Zweizeiler am Ende angefangen, dann kamen die vier vorausgehenden Zeilen und ich konnte mich nicht entscheiden, ob Petrarcha oder Shakespeare, und hab dann "die Mitte genommen". Und dann hatte ich für die beiden ersten Quartette noch eine ganz andere Idee. Es sind wirklich eher mehrere Sachen, die relativ mühevoll zusammengeklebt wurden, als ein stringentes Gedicht. Aber der Titel lässt ja schon Schlimmes vermuten :D. Ich fange bei sonett-ähnlichen Gedichten eigentlich immer mit den Terzetten an - und manchmal wirken die Quartette dann drangepappt. Aber immer, wenn ich versuchte, die Terzette alleinstehend zu veröffentlichen, kam es eher schlecht an...

Zu deiner Version... Ich muss leider zugeben, ich stehe irgendwie auf dem Schlauch! :( Insbesondere das "gewonnen" - ich würde mich sehr freuen, wenn du deine Version nocht etwas mehr erklären könntest..? Und mir sagen könntest, wo du glaubst, dass meine Bezüge hinken? (Wahrscheinlich hast du auch Recht.) Ich würde dir ja gerne meine Version mehr erklären, aber ich möchte erst deine hören, solange du unvoreingenommen bist!

***

Mist, ich muss ins Bett... Morgen mehr!

Lg presque
 
S

Spaetschreiber

Gast
Liebe Julia, ich werde einmal versuchen mit unlyrischen Worten aufzuzeichnen wie ich die Dinge sah, damals, als ich es las und warum ich Zweifel hatte und mir gestattete etwas dazu zu sagen. Das tue ich übrigens nur, wenn mich etwas wirklich erwischt und sich der Worte Schwert in mich hinein bohrt und ich verwundet durch den Rest das Tages muss.. :)

Die erste Strophe - und wie sie sich mir erklärt:

Die Sonne lacht – das macht mich so besonnen:
So hell, zu heiß – die Nacht kommt schnell, ich weiß
Zu grell, du weißt – das schweißt mich prompt ans Fell.
Wie, Wonne? Ach – gebt Acht, bald ist’s gewonnen


Die Sonne lacht – das macht mich so besonnen:

Die Sonne lacht, macht mich besonnen, besonnt mich und gibt mir das Gefühl - ach so klein zu sein.
Da steh ich nun in ihrem Licht und würde mich doch gern an ihrer Größe messen.

So hell, zu heiß – die Nacht kommt schnell, ich weiß

Oh dieser Moment der Hitze, der Helligkeit, er währt solange bis sie endlich kommt – die Nacht. Da geht’s ihr dann endlich auch genauso wie mir. Und das ist es, was uns ein wenig verbindet. Das Auf – und Nieder, das Hell und Dunkel, das Hoch und Runter. Ein kleiner Trost, wenn auch unsere Größen sich unterscheiden.

Zu grell, du weißt – das schweißt mich prompt ans Fell.

Ja, blinzelnd schau ich zu ihr auf und der Aufblick gibt mir innere Einkehr, schweißt mich ans Fell, in meine Haut, da wo ich mich wohl und unverletzlich fühle. Dort ist sie mir gleich – die Größe, Deine Größe. Da bin ich ICH, trotz aller Zweifel mit mir selbst, mit mir allein.


Wie, Wonne? Ach – gebt Acht, bald ist’s gewonnen

Das ist so schön!
Das zur Kenntnis nehmen äußerer, auf Dich eindringender Beschwichtigungen, nach dem Motto:
„Genieße das Leben, es ist doch warm und hell – wonnig.“ Und doch ist der Gedanke „Wartet nur, ich werd’s Euch allen zeigen“, das Einzige was wichtig ist. Denn von meiner wahren Größe wisst ihr nichts.

Die zweite Strophe - und wie sie sich mir erklärt:

Erscheinen Lieder – nieder mit dem Scheinen!
Sie reißen fort – ich horte, was ich weiß.
Ihr preist das Wort – ich orte ihren Preis:
Ein Schein-Gefieder – lieber will ich weinen.


Erscheinen Lieder – nieder mit dem Scheinen!

Was schert mich Euer Gesang, Eure Lieder! Falsch sind sie - und nicht Mein! Nichts in Euch ist so –
wie ich denke - fühle - sehe. Weg damit und kommt mir nicht zu nah.

Sie reißen fort – ich horte, was ich weiß.

Wie ein Kalenderblatt zerbröseln Eure Lieder, sind so gestrig und schon vergessen, mir bleibt mein Wissen um die Dinge und sie werden nie, niemals vergessen.

Ihr preist das Wort – ich orte ihren Preis:

Auch das ist ganz wundervoll!
Was ist es denn wert? Das Gesagte? Was ist es wirklich, wirklich wert? Ich nehme sie hin – die Worte – und wäge ab, was sie mir bedeuten. Ihren Wert bestimme ich, für mich und nur für mich.

Ein Schein-Gefieder – lieber will ich weinen.

Nichts ist ehrlich, nur eine zweite Haut. Die Tränen im Geheimen geweint, gelten Euch. Mitleidstränen.

Die dritte Strophe - und wie sie sich mir erklärt: (kannst du noch?)

Ich bin der Teil von mir den keiner sieht,
Der keinen ansieht, denn er schaut hinunter
Und hoch und bleibt allein in seinem Sinne:
Denn jedem Zauber wohnt ein Ende inne.


Was wirklich in mir ist, sieht niemand. Noch nicht!
All die Zweifel an mir selbst, gleichen den Reisen der Sonne. Wenn auch mehr dunkler Abend als Sonnenschein mich durch die Zeit treibt – wartet! – Ihr werdet schon sehen! Wartet nur!!

Ich liebe alles, was mich runterzieht,
und alles was ich liebe zieh‘ ich runter.


Hier denke ich an dein Frühstücksgedicht. An nichts anderes. *smile
Vielleicht an einen kleinen Hafen der Ruhe und Geborgenheit an dieses Eine, Kleine, an etwas was Halt gibt, an dem ich rauf und runter hangle und sein kann, wie ich wirklich bin.


Das ersteinmal aus meinen Augen als Gesamteindruck.

Hier nochmal etwas zu den internen Parallelbezügen.

Die Sonne lacht – das macht mich so besonnen:
(Sonne-besonnen)

So hell, so heiß – das heißt, die Nacht kommt schnell.
(so heißt – heiß)

Zu grell, zu weiß – das schweißt mich prompt ins Fell.
(hier fehlt der Bezug gänzlich, da habe ich „ans Fell gewählt“, einfach nur um dich fester mit dir selbst zu verbinden)

Wie, Wonne? Ach – gebt Acht, bald ist’s geronnen.
hier auch, daher dachte ich an: „Wonne - gewonnen“, die Erkenntnis: „Gewonnen zu haben“ ging mir durch den Kopf. Außerdem: Wenn sie dir gerinnen würde, die Wonne", würde sie dir ja länger bleiben. Wolltest du das so?
Ich finde: "geronnen" total doof.

Erscheinen Lieder – nieder mit dem Scheinen!
(Erscheinen – Scheinen)

Sie reißen fort – ich horte, was ich weiß.
(Auch kein Bezug, mir ist auch nix eingefallen)

Ihr preist das Wort – ich orte seinen Preis:
(hier ist er wieder vorhanden: preist – Preis)

Ein Schein-Gefieder – lieber will ich weinen.
(kein Bezug- )



Und zu diesem Teil des Gedichtes sage ich nichts mehr.
Das ist zu kostbar um es zu diskutieren.



Ich bin der Teil von mir den keiner sieht,
Der keinen ansieht, denn er schaut hinunter
Und hoch und bleibt allein in seinem Sinne:
Denn jedem Zauber wohnt ein Ende inne.

Ich liebe alles, was mich runterzieht,
und alles was ich liebe zieh‘ ich runter.


Ganz wundervoll Julia. Wirklich ganz wundervoll!

Hoffentlich ist das alles nicht zu wirr und zu sehr durcheinander. Aber an Phantasie mangelt es dir ja nicht.

Liebe Grüße
Tom

p.s.
Bestimmt hab ich was vergessen, frag ruhig nochmal nach wenn was fehlt. Und: Ne, ich will nicht in die Fressbude. In beiderseitigem Interesse. (Bei Gelegenheit erzähle ich mal, was ich damals - am Anfang - alles so gemacht hatte, auweia)
 

presque_rien

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

Die zweite Strophe bringt den Inhalt am ehesten auf den Punk, finde ich.
Diese Strophe ist meine Problemstrophe, ich habe lange an ihr rumgebastelt, als alles andere schon fertig war. Eigentlich wollte ich, dass der dritte Vers "Ihr Preist den Vers - doch wer versteht den Preis" lautet - also die Betonung mehr darauf legen, dass Dichtung manchmal auch ihren Preis hat (bzw. nur eine gewisse Entschädigung ist). Aber ich konnte die formalen Probleme, die mit dieser Version verbunden waren, nicht überwinden, und wechselte zähneknirschend zu der aktuellen Variante - aber sobald sie fertig war, gefiel sie mir erstaunlicherweise ganz gut! Deshalb freue ich mich, dass sie dir auch gefällt, und anscheinend ihren Kompromiss-Status gut verbergen kann ;).
Dass Du der letzten Zeile keine Kommata mehr gegönnt hast, macht umso deutlicher, wie verkehrt hier alles ist.
Auch das ist eine Stelle, an der ich einige Zeit überlegt habe, ob Komma oder nicht. Aber ich fühlte, dass eine Pause in diesem Vers fehl am Platz wäre. Schön, dass du es auch so empfindest.

Vielen, vielen Dank für deine einfühlsame Interpretation!

Liebe Grüße und frohe Pfingsttage
wünscht Julia
 

presque_rien

Mitglied
Liebe Mara,

ich habe vergessen, dich in meinem ersten Antwortkommentar anzusprechen, weil dein Kommentar im Antworten-Modus ausgeblendet wurde - das tut mir echt leid!!! Denn ich habe mich riesig über dein Lob gefreut! Danke :)!
verspielt zu sein ohne sich zu verspielen
Ja, ich finde, das ist beim Dichten einer der wichtigsten Faktoren überhaupt - nur leider habe ich das Gefühl, dass ich oft auch über die Stränge schlage mit dem (sprach-)spielen. Ich versuche immer, dem Leser möglicht viel zum knobeln anzubieten - aber der Inhalt darf nicht untergehen. Schön, dass dich dieses Gedicht erreicht hat! Und ganz großen Dank auch für deinen Kommentar zu "Frühstück im Bett" - als ich ihn beantworten wollte, war das Gedicht schon relativ weit unten, und ich wollte es nicht wieder hochpuschen - aber ich habe mich sehr gefreut! :)

Lg presque
 

presque_rien

Mitglied
Liebe Heidrun,

ich habe dich nicht vergessen :), ich brauchte nur etwas Abstand von dem Gedicht... Vielen Dank für deinen klugen Kommentar, denn
Mir scheint, als handele es sich sich um einen sehr persönlichen Text, fast eine Abrechnung mit sich selbst, das Eingeständnis eines grandiosen Scheiterns ...
trifft's sehr gut :D

Mich überrascht es auch, wie viele Deutungen dieser Text anscheinend zulässt - siehe auch Toms letzten Kommentar! Der Auszug aus deinem Gedicht wirft auch wieder ein neues Licht darauf... der Gefällt mir übrigens echt gut! Schade, dass du das Gedicht gelöscht hattest - veröffentliche es doch noch mal als 6-Zeiler!

Ganz liebe Grüße zurück :),
Julia
 

presque_rien

Mitglied
Lieber Tom,

Wow, ich bin platt! Danke, dass du soviel Zeit und Mühe in mein Gedicht investiert hast!!! Es freut mich sehr, dass es dich berührt hat... auch wenn ich Leute normalerweise nicht gerne verwunde ;).

Ich finde deine Deutung des Gedichtes sehr interessant! Du zeichnest ein am Ende triumphierendes Lyri - das geht mit meiner Interpretation auseinander: die ist näher an der von Heidrun dran, s.o. . Aber je mehr mögliche Perspektiven, desto besser!

Zur ersten Strophe:

Ich habe diese Möglichkeit früher nicht gesehen, aber du hast recht: Man kann die Strophe so interpretieren, dass das Lyri praktisch gegen die Sonne (= das übermächtige Außen) ankämpft und am Ende triumphiert, wenn die Nacht kommt. "weiß" im Sinne von wissen wollte ich in dieser Strophe aber eigentlich vermeiden, da es in der zweiten auftaucht. Aber hier liegt auch der Schlüssel zu den verschiedenen Interpretationen:
So hell, zu heiß – die Nacht kommt schnell, ich weiß
--> Lyri weiß, dass die Nacht kommt - und dieses Wissen ist beruhigend
So hell, so heiß – das heißt, die Nacht kommt schnell
--> Lyri kann sich nicht an der Sonne erfreuen, da es, wenn es die Sonne betrachtet, nur die Nacht sieht, die unweigerlich kommen muss - und dieses Wissen ist beunruhigend

Ich werde allerdings meine Version beibehalten, unter anderem eben auch um die Häufung des "Wissens" zu vermeiden, und weil ich kein LyrDu einbauen möchte ("du weißt"). Ich möchte auch bei "ins Fell" bleiben, da so die Abgrenzung zur Umwelt noch deutlicher wird.

Ich übernehme aber sher gerne deinen Vorschlag mit "gewonnen" - allerdings anders, als du wolltest ;). Aber so ist es tatsächlich vieeeel besser, "geronnen" war auch eher eine Notlösung. Danke!!

Die zweite Strophe... Auch hier hast du wieder ganz anders interpretiert als ich selbst.. aber ich will lieber nicht sagen, wie ich es interpretiere, da ich deine Version echt cool finde und mich freue, dass man es auch so lesen kann! Und es macht auch Sinn! (Es sei denn, du bestehst darauf, meine Perspektive zu hören...)

Und dann... ja, ich kann noch!! :D
Ich liebe alles, was mich runterzieht,
und alles was ich liebe zieh‘ ich runter.

Hier denke ich an dein Frühstücksgedicht. An nichts anderes. *smile
Das musst du mir jetzt nochmal erklären, wenn's jugendfrei ist :D... das hab ich nicht verstanden!

Auf jeden Fall verstanden habe ich aber, wie du das mit den eher weniger perfekten Querbezügen meinst. Und ich muss dir - seufz - Recht geben. Ich hatte es irgendwann aufgegeben, zu versuchen, Wortpaare zu finden, die tatsächlich den gleichen Stamm haben (Preis/preist) oder zumindest ineinander enthalten sind (heißt/heiß). Am Ende habe ich mich mit Wortpaaren begnügt, die sich reimen - davon pro Vers jeweils zwei zu finden und grob im Sonettschema zu bleiben und auch noch Sinn hineinzubekommen war auch schon ziemlich schwer *schweißvonderStirnwisch*. Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht von meiner Inkonsequenz und Faulheit ;). Aber dank dir hab ich ja jetzt noch einen "echten" Bezug *freu*, vielleicht kriege ich das ja irgendwann nochmal hin. (Viele Gedichte überarbeite ich Jahre später gründlich.)

Man muss aber übrigens auch die Versübergreifenden Bezüge hinzuziehen, z.B. taucht die Wurzel "schein" 3x auf und "weiß" 2x, wenn auch nicht innerhalb eines Verses.

Nochmals danke für diese ausführliche Analyse!!! Ich hoffe, du kannst mit meiner Antwort etwas anfangen...

Lg Julia
(Bei Gelegenheit erzähle ich mal, was ich damals - am Anfang - alles so gemacht hatte, auweia)
Da freu ich mich schon drauf :D
 



 
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