ETWAS STIMMT NICHT
Sie schreckte hoch. So ganz genau konnte sie sich nicht mehr erinnern, aber sie wußte trotzdem, daß es nicht stimmte. Irgend etwas stimmte nicht. Nur - wenn sie es näher anschauen wollte, verschwamm ihr alles vor den Augen. Wenn sie danach greifen wollte, entzog es sich ihr. Aber es stimmte nicht, das war klar, ganz klar. In dieser Richtung war es ganz hell in ihr.
Hell – sie mußte aufstehen. Sie setzte sich im Bett auf, schlug die Decke zurück, angelte mit den Füßen nach den Hausschuhen. Dann fiel ihr ein, daß sie ja auch Strümpfe anziehen mußte, es war kalt. Sie blickte um sich, Irgendwie war es jetzt gar nicht mehr so hell, sie konnte nichts sehen. Dunkelheit. Ganz automatisch und ohne höheren Befehl tastete ihre rechte Hand nach der Nachttischlampe, drückte den Schalter. Da, endlich: hell. Und jetzt? Anziehen. Sie griff nach dem Glas auf dem Nachttisch. Schaute es an, drehte es vor ihren Augen. Es reflektierte das Licht, es blinkte und blendete. Sie lächelte. Schön. Sie lehnte sich ein wenig zurück und ließ das Glas fallen. Wasser spritzte auf ihr Nachthemd, und es gab einen dumpfen Ton, als das Glas auf den Teppichboden fiel. Sie blickte ihm nach, aber sie sah es nicht mehr.
Wo war sie eigentlich? Vorsichtig schaute sie sich im Zimmer um. Fremd, alles fremd! Groß und dunkel in der Ecke, was war das? In ihrem Kopf Leere, dann entfernt und leise Worte, ganz schnell: Tisch, Bett, Schrank, Stuhl, Nachttisch, sch, sch. Dann wieder Leere. Auf der anderen Seite an der Wand: Frau, Mann, Bild, Tochter, Elisabeth, Dieter, Franz? Hilflos schnappte sie nach Luft. Ihr war schwindlig. Angst. Sie griff ins Kopfkissen, legte ihren Kopf darauf. Weich. Sie schloß die Augen. Die Angst ließ nach, sie beruhigte sich. Ihr Atem ging wieder gleichmäßiger und ruhiger. Sie schlief ein.
„Mama, aufstehen, es ist Zeit fürs Frühstück!“ Eine fremde Frau beugte sich über sie, kam ganz dicht mit ihrem Gesicht. Was wollte die hier? Sie zuckte zurück, gab einen angstvollen Laut von sich. Die fremde Frau erschrak. „Aber Mama, ich bin‘s doch, die Elisabeth!“ Elisabeth, Elisabeth, Elisabeth. Das Echo erklang in ihrem Kopf, aber es brachte nichts zum Schwingen. „Gehen Sie weg!“ sagte sie laut und deutlich. Das Gesicht zog sich zurück. Aber kurz darauf kam es schon wieder. „Mama, ich bring dir deinen Kaffee, du kannst ihn ja auch im Bett trinken. Komm, setzt dich hin.“ Es duftete angenehm. Hinsetzen. Mit Hilfe der fremden Frau gelang es. Sie half ihr auch, den Kaffee zu trinken.
Ganz plötzlich packte sie die Unruhe. Sie machte eine Bewegung mit ihrer rechten Hand, sagte: „Ich muß jetzt einkaufen gehen, Franz kommt zum Mittagessen.“ „Ach Mama, was machst du!“ Sie war mit der Hand an die Kaffeetasse gestoßen, Kaffee war auf ihr Nachthemd, auf die Bettdecke geflossen. „Franz ist doch nicht mehr da. Papa ist doch schon vor zehn Jahren gestorben.“ Die Frau, die die Tasse noch in der Hand hielt, klang, als bemühte sie sich, freundlich zu bleiben.
Sie schaute erschrocken auf. „Ich hab‘s vergessen, vergessen.“ Sie hielt sich den Kopf. Dort in ihrem Kopf stimmte etwas nicht. Aber was? Was war denn los? Es ließ sich nicht fassen. Wenn sie sich erinnern wollte, war es, als legte sich eine dicke Schicht Watte über ihre Gedanken. Das war falsch, ganz falsch.
Mit Tränen in den Augen sagte sie: „Elisabeth, ich möchte ein Brötchen mit Erdbeermarmelade.“
„Natürlich, Mama!“ Sie spürte, wie Elisabeth sie in den Arm nahm und sie liebevoll drückte. Schön war das. Sie nahm Elisabeths Hand und hielt sie fest. Sie legte sich wieder zurück aufs Kissen, seufzte tief und lächelte glücklich. Berührung, so schön.
Dann hielt ihr jemand einen Teller hin. „Dein Brötchen, Mama!“ Verwirrt schaute sie auf. Was? Wo? Wer? Angst. Sie schrie. Sie schrie wie ein verängstigtes Tier. Eine Hand griff nach ihr. „Nein!“ Dann war Elisabeth wieder da. „Meine Tochter!“ dachte sie stolz. Und sie ließ sich das Brötchen schmecken. Die Erdbeermarmelade war wirklich lecker. Genüßlich leckte sie den letzten Rest aus ihrem Mundwinkel. Das war gut.
Trotzdem, etwas stimmte nicht. Etwas war falsch, so falsch. Sie mußte herausfinden, was es war.
In ihrem Gehirn sprangen die Gedanken durcheinander, hatten Gräben zu überwinden, konnten die Lücken nicht immer bewältigen. Sie fielen ins Leere, drangen nicht mehr zu ihr durch, landeten in der dicken Watteschicht. Immer weniger Gedanken hatten die Kraft, sich bemerkbar zu machen. Worte verloren an Bedeutung.
Elisabeth strich ihr über die Wange. „Schön, daß es dir geschmeckt hat!“
Und sie nahm Elisabeths Hand und mußte weinen.
Sie schreckte hoch. So ganz genau konnte sie sich nicht mehr erinnern, aber sie wußte trotzdem, daß es nicht stimmte. Irgend etwas stimmte nicht. Nur - wenn sie es näher anschauen wollte, verschwamm ihr alles vor den Augen. Wenn sie danach greifen wollte, entzog es sich ihr. Aber es stimmte nicht, das war klar, ganz klar. In dieser Richtung war es ganz hell in ihr.
Hell – sie mußte aufstehen. Sie setzte sich im Bett auf, schlug die Decke zurück, angelte mit den Füßen nach den Hausschuhen. Dann fiel ihr ein, daß sie ja auch Strümpfe anziehen mußte, es war kalt. Sie blickte um sich, Irgendwie war es jetzt gar nicht mehr so hell, sie konnte nichts sehen. Dunkelheit. Ganz automatisch und ohne höheren Befehl tastete ihre rechte Hand nach der Nachttischlampe, drückte den Schalter. Da, endlich: hell. Und jetzt? Anziehen. Sie griff nach dem Glas auf dem Nachttisch. Schaute es an, drehte es vor ihren Augen. Es reflektierte das Licht, es blinkte und blendete. Sie lächelte. Schön. Sie lehnte sich ein wenig zurück und ließ das Glas fallen. Wasser spritzte auf ihr Nachthemd, und es gab einen dumpfen Ton, als das Glas auf den Teppichboden fiel. Sie blickte ihm nach, aber sie sah es nicht mehr.
Wo war sie eigentlich? Vorsichtig schaute sie sich im Zimmer um. Fremd, alles fremd! Groß und dunkel in der Ecke, was war das? In ihrem Kopf Leere, dann entfernt und leise Worte, ganz schnell: Tisch, Bett, Schrank, Stuhl, Nachttisch, sch, sch. Dann wieder Leere. Auf der anderen Seite an der Wand: Frau, Mann, Bild, Tochter, Elisabeth, Dieter, Franz? Hilflos schnappte sie nach Luft. Ihr war schwindlig. Angst. Sie griff ins Kopfkissen, legte ihren Kopf darauf. Weich. Sie schloß die Augen. Die Angst ließ nach, sie beruhigte sich. Ihr Atem ging wieder gleichmäßiger und ruhiger. Sie schlief ein.
„Mama, aufstehen, es ist Zeit fürs Frühstück!“ Eine fremde Frau beugte sich über sie, kam ganz dicht mit ihrem Gesicht. Was wollte die hier? Sie zuckte zurück, gab einen angstvollen Laut von sich. Die fremde Frau erschrak. „Aber Mama, ich bin‘s doch, die Elisabeth!“ Elisabeth, Elisabeth, Elisabeth. Das Echo erklang in ihrem Kopf, aber es brachte nichts zum Schwingen. „Gehen Sie weg!“ sagte sie laut und deutlich. Das Gesicht zog sich zurück. Aber kurz darauf kam es schon wieder. „Mama, ich bring dir deinen Kaffee, du kannst ihn ja auch im Bett trinken. Komm, setzt dich hin.“ Es duftete angenehm. Hinsetzen. Mit Hilfe der fremden Frau gelang es. Sie half ihr auch, den Kaffee zu trinken.
Ganz plötzlich packte sie die Unruhe. Sie machte eine Bewegung mit ihrer rechten Hand, sagte: „Ich muß jetzt einkaufen gehen, Franz kommt zum Mittagessen.“ „Ach Mama, was machst du!“ Sie war mit der Hand an die Kaffeetasse gestoßen, Kaffee war auf ihr Nachthemd, auf die Bettdecke geflossen. „Franz ist doch nicht mehr da. Papa ist doch schon vor zehn Jahren gestorben.“ Die Frau, die die Tasse noch in der Hand hielt, klang, als bemühte sie sich, freundlich zu bleiben.
Sie schaute erschrocken auf. „Ich hab‘s vergessen, vergessen.“ Sie hielt sich den Kopf. Dort in ihrem Kopf stimmte etwas nicht. Aber was? Was war denn los? Es ließ sich nicht fassen. Wenn sie sich erinnern wollte, war es, als legte sich eine dicke Schicht Watte über ihre Gedanken. Das war falsch, ganz falsch.
Mit Tränen in den Augen sagte sie: „Elisabeth, ich möchte ein Brötchen mit Erdbeermarmelade.“
„Natürlich, Mama!“ Sie spürte, wie Elisabeth sie in den Arm nahm und sie liebevoll drückte. Schön war das. Sie nahm Elisabeths Hand und hielt sie fest. Sie legte sich wieder zurück aufs Kissen, seufzte tief und lächelte glücklich. Berührung, so schön.
Dann hielt ihr jemand einen Teller hin. „Dein Brötchen, Mama!“ Verwirrt schaute sie auf. Was? Wo? Wer? Angst. Sie schrie. Sie schrie wie ein verängstigtes Tier. Eine Hand griff nach ihr. „Nein!“ Dann war Elisabeth wieder da. „Meine Tochter!“ dachte sie stolz. Und sie ließ sich das Brötchen schmecken. Die Erdbeermarmelade war wirklich lecker. Genüßlich leckte sie den letzten Rest aus ihrem Mundwinkel. Das war gut.
Trotzdem, etwas stimmte nicht. Etwas war falsch, so falsch. Sie mußte herausfinden, was es war.
In ihrem Gehirn sprangen die Gedanken durcheinander, hatten Gräben zu überwinden, konnten die Lücken nicht immer bewältigen. Sie fielen ins Leere, drangen nicht mehr zu ihr durch, landeten in der dicken Watteschicht. Immer weniger Gedanken hatten die Kraft, sich bemerkbar zu machen. Worte verloren an Bedeutung.
Elisabeth strich ihr über die Wange. „Schön, daß es dir geschmeckt hat!“
Und sie nahm Elisabeths Hand und mußte weinen.