Vom Nutzen des Weibes

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Vera-Lena

Mitglied
Aha

Aha,

und die Langsamkeit wird auch noch per Schüttelreim umtermauert.
Nun ja, was lange währt, wird endlich gut.

Vielleicht sollte ich mal einen Text darüber schreiben, weshalb die Schweigsamkeit des Mannes von Nutzen für die Frau sein kann. So als kleines Pendant zu Deinem Text.

Es gibt ja Ehemänner, da muss die Frau denken, sie hätte einen Schafhirten geheiratet, der sich über jahrelange Einsamkeit hinweg die Sprachlosigkeit zu eigen gemacht hat. Das einzige Wörtchen, über das er verfügt ist "Hmm". Jetzt müsste mir nur noch einfallen, welchen Vorteil das haben könnte. Mal sehen: Entweder der Genius küsst mich oder er lässt es bleiben.

Wusstset Du schon, dass "Hmm" nur halb so lang ist wie "Hi"? Es ist aber wirklich so, und der Vokal, das kleine "i" nämlich, macht aus dem "Hi" im Gegensatz zum "Hmm"" schon ein wahres Prachtgebilde, ist schon gar nicht mehr nur ein Laut, sondern Musik

Wenn Du Lust hast, lies mal von mir Humboldt-Uni/Berlin/Mai.
Da geht es um keinen schweigsamen Mann, aber um das Wörtchen "Hi".

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

mitis

Mitglied
wenn da schon steht "des weibes nutzen"
dann muss ich leider heftig stutzen
und bin gleich abgetörnt vom lesen.
das ist es dann auch schon gewesen...

nix für ungut.
reimtechnisch is es ja nett gestrickt.

-mitis-
 

presque_rien

Mitglied
Hi gareth,

hach, wie schön, ein so handwerklich perfektes, stilsicheres, unaufgesetzt-augenzwinkerndes Gedicht zu lesen - so was gibt es hier leider nicht allzu oft. Auch wenn mich die Pointe, ehrlich gesagt, auch nicht so umgehauen hat. Aber hier ist wohl der Weg das Ziel.

Wer sich den Spaß wegen seines politische-korrektheit-Filters nehmen lässt, ist selbst schuld.

Lg presque
 

Venus

Mitglied
Lieber gareth,

ich weiß jetzt nicht, wem da wer wie gerufen kommt, jedenfalls die Weiber (schönes Wort!) stehn gewiss gern „Gewehr bei Fuß“; ganz bestimmt dann, wenn du schreibst. Die scheinbar Müden, die verweigern sich - wie auch immer. Und bleiben doch beständig oder verdient. Wer - zum Himmel - weiß das schon (bei jedwelch gerechtem Zorn auf seine Zweigstellen) und täte er, der Himmel oder jene gegebene Obrigkeit denn in der Tat berichten, so er/sie denn wüsste, täten wir’s dann auch wirklich wissen/glauben wollen, letztendlich?

In so fern hat das Lyrik einzigwollend recht, weil es das letztig Wahre tut, was grad zu tun ihm scheint: Es schreibt (vermutlich). Und das Weib schläft (vermutlich). Jeh!nun –

Ich muss dich, lieber gareth, zwischendrin was fragen. Hierzu deine Zeile:

Es sein Zwölf Uhr und Gott befohlen

Sag mir, lieber Autorfreund, will das so stimmen?
Es sei Zwölf Uhr...? Herrjeh, ich bin bloß vom Land und das Schreiben hab ich aufgehört. Jedenfalls mit der zornigen Wut und dem Drang sie zu teilen…
Berichte ruhig, und lichte mein Unverstehen, lieber gareth –
Weiter derweil im Text (ob des Verweigerns):

Doch bald hat sich sein Sinn gewandt,
er hat die Chance im Leid erkannt,
steht auf und federnd ist sein Schritt,
als er an seinen Schreibtisch tritt.
Und sieh: nach wenigen Minuten
ist alles auf dem Weg zum Guten.


Für den geschwindigen Betrachter nur eine mühelose Form des Interruptus; womöglich.
Jedoch will grad hier der gemeine Lyriker (verbunden mit dem schlafwilligen Weib) zur Kritik geneigt sein. Doch obacht:
Schreibt (denkt) es (das Lyrich) denn wirklich bloß? Das arme vorabruhenswillig, ohrlägig Ding? Ja, weiß denn der ungeneigt interpretationslose Leser überhaupt, wozu ein so gemeiner Schreibtisch gelaunt, der Gute, arghin?
Je!nun (erneut) – hier hat verehrter Autor wohl (wissentlich) verabsäumt ordentlich zu dokumentieren, was das Lyrich denn nun wirklich tat, in diesen (Zitat) „wenigen Minuten“ (guter Autor). Er wollte wohl auch nicht betonen, dass besagte Minuten nur den Weg beschrieben. Zu was? Gleichhin, es war ihm wohl erlesen. Ihm (freilich: dem Lyrich) sei der kurze Gang zum Glück (welches ausführend Dauernd nicht beschrieben ist) gegönnt. Herzhaft, ich schreib das, mit Verlaub!

Ja, Herrschaftszeiten (flucht eine Venus), muss denn ich Leser nur lesen, was ich lesen darf? Freilich. Wir glauben der Zeitung, an die Demokratie und die Renten sind sicher, hundertprozent. So bleibt uns halt die Lyrik ein Kummerkind, so gut und lange wir nicht Goethe heißen oder tot sind; bestenfalls.

So denn:
Ein wahrlich feines, kleines Ende, deiner Geschichte (deiner Lyrik, in dem Sinn, wir wissen) - (und haben sie doch zur Geschichte diskutiert)). Freilich nur, so wir denn Willens sind (und nicht schlafen). (Hier muss noch kurz eine erneute Klammer sein: Dem Weib gönn ich den Schlaf, Scheißtagwerk! Auch sie hat recht, ich unterschreib’s).

Noch einmal kurz zur Geschichte, nein, zur Lyrik, und jene darf sie doch bleiben; guthin. Mich drängt deine gefällige „Form“ zum Kniefall. Ich bin ihrer nicht mächtig. Niemals. Ich mag die Fäden so sehr, die du spinnst. Ich hab eine große Hochachtung vor jeder erlesenen Arbeit. Deine bleibt mir und darüber hinaus geschätzt. Hier, gareth, ist erneut etwas äußerst Feines gelungen. Es ist geprägt von dir und deinem geschätzten Verständnis von Humor. Jener ist auf achtbare Weise subtil; ein Gespinnst aus schlichtem Weinen und perfidem Gelächter. Einfach ein Stück Ohrfeige Leben. Und so ist es halt.

Leben soll man bittschön nicht interpretieren! Lyrik gefällig und gefälligst wohl.

Noch kurz zur bereits diskutierten „Vorsehung“. Das Wort mag ernsthaft seinen religiösen Grund behalten. Hier scheint es mir kulant, sehr sogar. Weil die „Verbindung“ ob der von alters her geschilderten Protagonisten doch etwas endlos christliches hat: bis das der Tod uns…, nämlich.
Außerkirchlich wäre es wohl eher eine annähernde Synthese. Und da, lieber gareth, bist du bestimmt mehr Spezialist und ich bestimmt nur Wegbereiter. Ich zweifle jedoch an, ob soviel chemische Interpretation dann letztlich gut tät -


Derweil,
bleib mir gewogen,
und ich dir erst recht,

Gabi
 

gareth

Mitglied
Ein Trost- und Ermutigungsgedicht



Ein Mann beendet seine Pflicht
des abends spät. Er löscht das Licht,
geht rücksichtsvoll und leis wie immer
ins eheliche Ruhezimmer,
wo seine Frau seit alters her
stets Stunden früher liegt als er.

Still sucht er sich die rechte Lage,
derweil noch die und jene Frage
sich nicht verschieben lässt auf morgen
und ihn bedrängt in Form von Sorgen.

Und während er noch sinnend wacht,
bewegt sich seine Gattin sacht,
bis gänzlich außerhalb der Decken
ihr Rücken liegt und auch ihr Becken.

Nun, erstmals im Kalenderjahr,
nimmt sie der Mann als weiblich wahr,
und fühlt von ihres Rückens Bogen
sich unerwartet angezogen.

Besonders wirkt auf seine Lende
das breite Rund am Rückenende,
das dort im Dunkel sich erhebt
und manchmal weich und lockend bebt.

Da schwindet alles was beschwerlich,
des Mannes Denken wird begehrlich,
erkennbar wirkt das Lustgefühl
Es erigiert, was erektil

Dann nimmt das Schicksal seinen Lauf:
Es richtet auch die Frau sich auf
und unter ihrem strengen Blick
geht die Entfaltung rasch zurück.

Knapp wird und freundlich ihm erklärt,
was richtig sei und was verkehrt,
dass man im Grunde nicht dagegen,
nur müsst er’s früher überlegen,

Es sei Zwölf Uhr und Gott befohlen,
die Nacht wär da, sich zu erholen,
man wolle nichts als seine Ruh –
sagt’s, dreht sich um und deckt sich zu.

Den Mann erinnert dies fatal
vom Ablauf her ans letzte Mal
und überdies an das davor.
Ernüchtert legt er sich aufs Ohr.

Doch bald hat sich sein Sinn gewandt,
er hat die Chance im Leid erkannt,
steht auf und federnd ist sein Schritt,
als er an seinen Schreibtisch tritt.

Und sieh: nach wenigen Minuten
ist alles auf dem Weg zum Guten.
Es denkt der Mann, die Gattin döst,
und schon ist sein Problem gelöst.

Oh, dunkel ist des Schicksals Walten,
Nichts ahnen wir von seiner Macht,
denn was für lieblos wir gehalten,
das war sein Wirken mit Bedacht.

Um eines Mannes Geist und Streben
in höchste Sphären zu erheben
allein durch Meidung seines Leibes,
dazu bedarf es eines Weibes.

Moral: es liegt des Weibes Nutzen
nicht nur im Waschen, Kochen, Putzen,
nein, wie man sieht, macht manchmal auch
die Vorsehung davon Gebrauch.
 

gareth

Mitglied
Liebe Venus,

wenn hier jemand wem wie gerufen kommt, dann Du mir :eek:)

Ich hatte mich ja schon fast(!) mit Deiner Abwesenheit von der Leselupe abgefunden und freue mich jetzt um so mehr über Deine Rückkunft und Auseinandersetzung mit diesem Gedicht (an dem ich im Übrigen dermaßen lang gearbeitet habe, dass ich es eigentlich lieber gar nicht zugeben will).

Ich rate den Autoren der Leselupe in manchen Kommentaren dazu, die kritischen Kommentare mindestens genau so wichtig zu nehmen wie die zustimmenden. Das setze ich für diesmal jetzt einfach außer Kraft und genieße es sehr, dass Du Gefallen an dem findest, was ich schreibe und dass Du es mir auf so freundliche Art sagen kannst, liebe Gabi.

gareth
 

gareth

Mitglied
... und, Gabi, vor lauter Freuerei hab ich ganz vergessen Dir mitzuteilen, dass es sich dabei:

Es sein Zwölf Uhr und Gott befohlen

nur um einen, von mir unmittelbar nach Kenntnisnahme durch Deinen Hinweis korrigierten, Schreibfehler gehandelt hat.

Liebe Grüße
g.
 

Rhea_Gift

Mitglied
huaha, es animiert zu Protest, was oft so ist, drum gern gelesen, wenn auch nicht im entferntesten angesprochen sich fühlend gewesen - kenn aber genug, wo Lug und Trug das Gegenteil wäre zu behaupten - drum lass ich alle Gegenwehr und sag nur, es fällt schon schwer anderes meinen zu verlauten... ;)

LG, Rhea, mit gottseidank anderer Erfahrung... :)
 
reine zustimmung

bestnote für den text von mir - nicht nur wegen der gelungenen formalen ausarbeitung, sondern AUCH wegen des humoristisch verpackten inhaltes - erinnert mich sehr an wilhelm busch, sowie an vielerlei weibliche erfahrungen meinerseits.
(denn "die frau an sich" funktioniert letztlich ja auch nur nach dem gesetz von le chatelier)
und "humor" ist ja, wenn man die schnöde realität dennoch verschmunzeln kann ...
 

MarenS

Mitglied
Hallo gareth,
weil es einfach fein ist, weil es Klasse hat und...

...und weil ich es jetzt freiwillig zum x-ten Male lese und ebenso zum x-ten Male breit grinse, kommt nun von mir auch noch eine Bewertung.
Danke fürs Zumgrinsengebrachtwerden!

Es grüßt dich die Maren
 

gareth

Mitglied
Ich bin sehr dankbar, Ihr Lieben,

besonders Dir, Heike, der Du das Gedichtlein wieder aus der Truhe hervorgeholt hast, aber natürlich auch Rhea und Waldemar und MarenS.

In letzter Zeit, um nicht zu sagen in den letzten Jahren, hab ich ja so gut wie nichts geschrieben (wollen hätte ich schon mögen...) und wenn, dann war es eher schwer vermittelbar.

Und so konnte ich mich jetzt, gerade von der Arbeit heimgekehrt, wieder einmal an unerwarteter Zustimmung erwärmen und daran, dass MarenS gelächelt und bewertet und sowohl den ersten, als auch den bisher letzten Kommentar geschrieben hat.

Und es ist natürlich klar, Waldemar, von nichts kommt nichts. Wir teilen da sicher ein paar Erfahrungen :eek:) und am besten schreibt man meist dann, wenn man weiß, von was man schreibt.

Auch Dir ein Dank für den Kommentar.

Grüße
gareth

p.s. für alle Nicht-Naturwissenschaftler:
Dass Le Chatelier Prinizp (vergl. Kommentar Waldemar Hammel) lässt sich vereinfacht auch bezeichnen als das Prinzip des kleinsten Zwanges :eek:)
 
D

Dominik Klama

Gast
Das ist hübsch. Das gefällt. Eines der unsterblichen Themen aller Literatur ist selbstverständlich das (mehr oder weniger) erotisch gefärbte Verhältnis der Geschlechter. Gareth bezaubert durch eine gewisse Bescheidenheit. Weder von hoch lodernder erster Liebe noch von Trennung und Tragödie kündet seine Muse. Alles köchelt auf kleinerer Flamme, wenn zwei Menschen erst einmal Jahre und Jahrzehnte miteinander durchs Leben gegangen sind. Verschmitzte, sanft bissige und auch selbstironische Heiterkeit scheint da eher angesagt.

Komik kommt auf, wenn Missgeschicke passieren, die wir aus dem „normalen“ Leben alle kennen, die aber hier nicht uns, sondern einem Anderen zufallen, die wir nun schadenfroh genießen können - und doch mit Wiedererkennen. Was das Gedicht gut macht, ist die Bescheidenheit des Inhalts bei gleichzeitiger formaler (Fast-)Meisterschaft.

„Den Mann erinnert dies fatal / vom Ablauf her ans letzte Mal / und überdies an das davor. / Ernüchtert legt er sich aufs Ohr.“ Da hat er einfache, volksnahe Sprache, erfüllt mit wenigen, schlichten Worten die Vorgaben seiner lyrischen Struktur – und beschwört eine Situation herauf, die zugleich komisch und auch ein wenig traurig ist. Nichts wuchert hier mit Po-Öselei oder geschraubten Lyrismen. Mehr kann man kaum verlangen von einem „schlichten“ Gedicht.

Schade, dass ausgerechnet die letzten Zeilen, die stets einen bleibenden Eindruck hinterlassen (sollen), doch noch ins Straucheln geraten. „nein, WIE man SIEHT, macht MANCHmal AUCH“, groß Geschriebenes betont, muss gesprochen werden laut Versmaß, was man lieber „NEIN, wie man SIEHT, MACHT MANchmal auch“ sprechen möchte. Schlimmer noch die letzte Zeile. Man würde „die VORSEHung DAvon geBRAUCH“ akzentuieren, wenn es Prosa wäre. Aber man muss hier „die VORsehUNG daVON geBRAUCH“ sagen.

Schließlich enthalten die jeweils paarweise gereimten Zeilen vier aus jeweils zwei Silben bestehende Versfüße. Nämlich Jamben. Kein Wunder, dass uns solche Gedichte sofort an Wilhelm Busch erinnern und somit schnell ganz amüsant vorkommen. „ACH, was MUSS man OFT von BÖsen / BUben HÖren Oder LEsen...“ Das sind ebenfalls Paarreime, ebenfalls vier Hebungen pro Zeile, ebenfalls ein zweisilbiges Versmaß, nur dass Busch Trochäen bevorzugte. (Und für deutsche Ohren dieses Gedichtschema, das einst hoch-feierliche Inhalte transportieren durfte, verdorben hat für alle Zeiten, nämlich zur Lachnummer vorverurteilt.)

Es gibt einen, der uns zeitlich noch näher ist und der oft auch diese kleinen Alltagsnotizen voll verschmitztem Lächeln, Selbstironie und ein wenig gut getarnter Boshaftigkeit in seinen Verse hat. Was hier beginnt mit „Ein Mann“, hätte dort „Ein Mensch“ geheißen.

Ein Mensch, der eine Freundin hatte,
Ist jetzt, seit Jahren schon, ihr Gatte.
Er hat’s mit diesem Weibe schwer:
Es redet nämlich dumm daher.
Er meint, es werde täglich schlimmer –
Doch nein – so dämlich war sie immer.
Es liegt nur an der Jugend Schwund:
Süß klang Geschwätz aus süßem Mund.

U-huh! Wieder „Weib“, und sie gibt „dummes“ „Geschwätz“ von sich und ist „dämlich“. Wenn ich das geschrieben hätte, würde über mich ein Sturm flammenden Zornes jetzt walzen. Das wäre dann so sexistisch und machistisch, dass jemand den Modertorenalarm betätigen und meine Exkommunikation verlangen würde... Was nur mal wieder zeigt, dass wir heute keineswegs in der freiesten und liberalsten aller Gesellschaften auf deutschem Boden leben, sondern eher wohl in einer unter seltsamen Komplexen leidenden. Denn geschrieben hat das der Eugen Roth. Der war nun wirklich so was von erfolgreich zu seiner Zeit. Und so was von Pappas und Mammas und Omas und Opas Liebling, quasi das Geschenkbändchen-Pflichtprogramm zu jedem Firmenjubiläum in den fünfziger und sechziger Jahren.

Und – was immer er uns an „Message“ noch zu geben hätte oder nicht – eines kann man von ihm lernen, kann auch gareth noch lernen: Wenn die Sache auf den Punkt gekommen ist, lässt man sie sein. „Es denkt der Mann, die Gattin döst, / und schon ist sein Problem gelöst.“ Das sind zwei unbezahlbare Schlusszeilen. Danach kommen drei Strophen, die man streichen darf.

Aber kurz noch Stichwort: politische Unkorrektheit. Ich habe das Gedicht gelesen, gleich in der Mail, die es mir als „Werk des Monats Februar 2010“ vermeldete , danach habe ich die vielen Kommentare und persönlichen Botschaften auf den Seiten 2 bis 4 der Internet-Site studiert. Erst dann habe ich geschaut, wie der Durchschnitt es benotet hat bis jetzt (7,82). Und dabei habe ich den gewaltigen Balken entdeckt. Dieser kleine Text ist schon irre oft gelesen worden! Hab ich mich gefragt, wie das wohl kam... Entweder hat sich gareth im Lauf der Jahre eine treue Fanbase erschrieben, die seine Veröffentlichungen gespannt erwartet. Oder aber, nun ja, es liegt am Titel: „Vom Nutzen des Weibes“. Nämlich eben nicht Frau, sondern Weib. Und die Frage, wozu die überhaupt gut sein könnte. Dafür scheint ein Publikum noch da zu sein, will mir scheinen.

Es kommt dann ja gar nicht so, wie man gedacht hat, als man den Titel las. Aber man hat den Text nicht geklickt, weil er so ist, wie es kommt, sondern weil man sehen wollte, ob es so kommt, wie man gedacht oder befürchtet hat. Okay, noch einen Wutschrei aus jenen Teilen der Damenwelt, die sich von „den Männern“ allzu gern verkannt und benutzt fühlen wollen. Mich hat dieser Titel erinnert an den des Psychiaters Paul Julius Möbius: „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“. War in diesem Land mal Bestseller, ist nur knapp über hundert Jahre her. (Ich habe das nie gelesen, interessiert mich gar nicht, so ein Buch.)

Aber zurück zu Eugen Roth und gareth, dessen Gedicht ein ähnliches Problem umkreist wie Roths „O tempora“. Nämlich, dass die Liebe eben oft nicht unsterblich und ewig ist, sondern einem abhanden kommt wie ein Hut. Und wenn vielleicht nicht die Liebe, dann doch ziemlich oft die erotische Anziehung. Roths Mensch: Als sie ihn erotisch fesselte, liebte er das dämliche Gerede sogar. Jetzt, da er sie nicht mehr begehrt, nervt es nur noch. In gareths Mann, „nun, erstmals im Kalenderjahr, nimmt sie der Mann als weiblich wahr“, schäumt die Leidenschaft auch nicht mehr so. Und wenn sie es dann mal tut, - ein typisches Moment der Komödie, der Eine will, was beim Anderen gerade ganz und gar nicht angesagt ist -, dann geht es „vom Ablauf her“ aus wie’s „letzte Mal und überdies“ das Mal davor. Mit anderen Worten: Auch sie findet ihn nicht mehr so süß wie einst im Mai.

Aber wo stand eigentlich geschrieben, dass zwei Menschen, die sich dereinst zusammen taten, ein ganzes Leben lang! und zwar beide! einander lieben! und nicht nur das, sondern auch fleischlich begehren! müssen und werden? Wenn ich etwas für normal halte und zur Forderung an meine Existenz erkläre, das nicht normal ist, sondern ideologisches Konstrukt, mache ich mir mein Leben schwer. Wir glauben das, weil wir es glauben möchten. Und nicht zuletzt, weil eine vielhundertjährige abendländisch-christliche Tradition es uns einbläut, die die Idee einstmals vielleicht nur entwickelt hat, um gewisse Besitztümer langfristig zu mehren und zu sichern für Aufgaben, die längst anderweitig gelöst werden.

Meines Erachtens könnte diesbezüglich die heterosexuelle Welt sich was abschauen von der homosexuellen, die mir ein wenig vertraut ist. Anspruch auf repräsentative Allgemeinschau möchte ich keineswegs erheben, aber vorkommen will es mir so, als seien unter schwulen Männern, wo das Realisieren von erotisch prickelnden Situationen bis ins höchste Alter seinen hohen Rang behauptet, die klassischen („normalen“) Paarbeziehungen zwar eben auch an der Tagesordnung, als werde dort irgendwann und irgendwie als Wert ebenfalls etwas wie „eheliche Treue“ in den Raum gestellt, als würden aber, je mehr die Jahre vergehen, raffinierte Wege entwickelt, der Monogamie hin und wieder ein Schnippchen zu schlagen. Man lebt damit, offensichtlich kann man das. Bei vielen Paaren läuft sexuell irgendwann nichts mehr, anderweitig aber immer noch was, dennoch denkt keiner an Trennung. Man gehört einander schließlich.

Zurück zum Gedicht. Es hat mich auch noch an einen dritten Hausheiligen deutscher Familienhumoresken gemahnt. An Heinz Erhardt, der konnte so neckische Verse auch schmieden. Erst vor wenigen Tagen dachte ich schon mal an ihn. Da sah ich einen Film mit Christian Ulmen. Einen ganz neuen. Plötzlich denke ich: „Mein Gott, das ist, als wäre Heinz Erhardt aus dem Grab erstanden!“ Wohl gemerkt, ich schätze Christian Ulmen ja und halte ihn für einen Könner. Aber das war da so spießig-neckisch, so dezent gekleidet und hornbebrillt und gewollt trottelig, wie Heinz Erhardt oft daherkam. Und dann schaute in dem Streifen auch noch der Bastian Pastewka vorbei, den ich ja auch verehre. Aber da weiß ich einen Film, wo ich dachte: „Mein Gott, das ist fast wie bei Vico Torriani!“ Und so geht es mir mit gareth. Der bleibt so bescheiden im Rahmen des „Normalen“, gibt sich ein wenig frech, aber bitte nicht zu sehr, damit keiner sauer werden möge, als wollte er dieses Kleeblatt aus Busch, Roth und Erhardt zum vierblättrigen machen. Als wäre in den Fünfzigern und den Sechzigern bei den kleinbürgerlichen deutschen Klein- und Wirtschaftswunder-Familien halt doch alles am besten eingerichtet gewesen. (Übrigens täuscht man sich da auch: Wilhelm Busch war nicht so harm- und zahnlos, wie wir ihn uns heute denken.)

Schon ein Erich Kästner will mit seiner Erwachsenenlyrik nicht mehr ins Bild passen. Und das war ja auch noch die Zeit damals. Von einem Robert Gernhardt, der den volksnahen Ton ebenfalls beherrschte, ganz zu schweigen.

Da beschleicht mich so eine Ahnung, dass dieses Gedicht auch darum so gut angekommen ist, weil es ins aktuelle Biedermeier so gut hineinpasst. „Nur zurück!“ Zurück bis vor die Siebziger, wo die ganzen Krisen angefangen haben. Und vor 1968, als die Aktenmappen- und Hornbrillenwelt des Heinz Erhardt mit einem Mal nicht mehr gut genug für alle sein sollte.

So ein Schluss steckt ja ganz schön weit zurück: „Ist doch auch gut, wenn ich meine Wünsche und mein Begehren nicht mehr realisieren kann, dann kann ich wenigstens mehr Leistung bringen. Am Ende zählt ja das.“

Trostbüchlein bringt man ans Krankenbett mit.
 

Rhea_Gift

Mitglied
Ich glaube, Dominik, du ahnst da falsch - denn gefallen kann auch, was rebellisch stimmt - ich denke, der Erfolg liegt an der Bekanntheit der Situation einerseits - einige haben es vielleicht erlebt in einer der vorgetragenen Rollen, andere beobachtet, die einen akzeptiert, die anderen kämpfen dagegen an - ein vertrautes Thema, wenn auch vielleicht aus je anderen Perspektiven.
Kurz: jeder kann da irgendwas mit anfangen, so oder so.
Andererseits ist der Ton dieses Gedichts perfekt - eine Mischung aus Augenzwinkern, Süffisanz, Trockenheit aber auch liebe voller Geste in der Art der Beschreibung - das Ganze stimmt zuammen, ohne eintönig zu sein, kommt bei Mann wie Frau an und löst Gedanken aus - in die eine oder andere Richtung... deine lange Antwort bestätigt das nur. Da das Gedicht sich insgesamt nicht im perfekten metrischen Einklang runterrattert, sondern Raum für prosaische Betonungen lässt (nicht nur am Ende), wirkt es weniger geklöppelt und trotzdem rund - ich hatte jedenfalls kein Problem, vom metrischen ins prosaische und wieder zurück zu rutschen - was ich an Gedichten oft auch lieber mag, weils sonst schnell eintönig klingt für mich. Aber das ist wohl eine Geschmacksfrage...

LG, Rhea
 

Nil

Mitglied
Das ist sehr witzig, gefällt mir gut, danke!

Lässt sich sehr flüßssig lesen, ohne das man ins stocken kommt und das Grinsen ist vorprogrammiert.
 
Vom Nutzen des Weibes

War schon sehr neugierig, was sich hinter dieser Unterstellung verbirgt. Bin begeistert...das ist fast schon eine Homage an die Weiblichkeit. Hättest Du nur von einem einzigen Nutzen gesprochen...dann wärst Du dem Titel immer noch treu geblieben...aber da tauchen ja gleich mehere auf und während ich das schreibe...bin ich auch schon am überlegen- welchen Nutzen ich mir zu Nutzen mache.

Gruß
A.D.
 



 
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