Warum schreibt heute eigentlich fast niemand mehr so? Humorvoll, quasi erzählend im Gedicht? Die meisten gefeierten Gedichte heutzutage sind getragen von Schwermut und sind alles andere als erzählend.
Eine gute Frage, die ich mir so ähnlich auch schon ein paar Mal gestellt habe, liebe
SilberneDelfine.
Ich weiß es nicht. Ich beobachte aber, dass dieser Umstand oft auch beinahe auf meine Beurteilung von Gedichten einen - von mir gar nicht erwünschten - Einfluss nimmt. Ich muss mir dann immer sehr bewusst sagen, dass
alle Gedichte
aller Gattungen - wenn sie gut gemacht sind - , gleichwertig "gut" sind.
Aber irgendein kleiner Impuls in meinem Inneren verhält sich im ersten Moment so, als wären humorige oder balladenhafte Erzählgedichte nicht mehr "in" und irgendwie weniger "wert" als die ernsthaften, gequälten oder verkrypteten.
Dabei ist das erwiesenermaßen Blödsinn - ein Robert Gernhardt zum Beispiel bediente alle Sparten, ganz ohne Rücksicht auf Verluste, und das in erkennbar gleichberechtigter Geltung.
Und Wilhelm Busch und Erich Kästner schrieben beide auch ernste und gesellschaftskritische Gedichte. Ersterer hatte allerdings das Problem, dass er sein Geld mit den humorigen Sachen zu Beginn seiner Karriere verdiente und dann mit den ernsten Gemälden und Texten an der (Humor-)Erwartungshaltung des Publikums scheiterte. Außerdem bezeichnete er selbst (aufgrund überzogener Ansprüche an sich selbst) seine Bilder-Geschichten herablassend als "Chosen" (=Sachen) und maß ihnen keinen großen künstlerischen Wert bei.
Aus heutiger Sicht könnte man sagen: er hatte mit etwas großen Erfolg, mit dem er selbst seine eigenen Erwartungen gefühlt nicht erfüllte. Traurig eigentlich - noch dazu, wenn man berücksichtigt, wie dieser Erfolg noch bis heute andauert und das auf breiter Ebene.
Die Haltung, dass nur ernsthafte Kunst von Bedeutung sei, rührt auch von dort her. Ernsthafte- und Unterhaltende Kunst wurden von Anfang an in diesem Wertigkeitsgefälle wahrgenommen und etabliert. Der akademische Maler/Künstler, der seine Kunst studiert hat, im Gegensatz zum Unterhaltungskünstler, der sich nicht an den strengen Kriterien misst. Dass er das vielleicht bewusst nicht tut, um dadurch eine gewisse Freiheit und mehr Nähe zu einem weiteren Publikum zu haben, wird bei dieser Beurteilung m.E. nicht berücksichtigt. Ebensowenig, dass auch diese Kunst eine gewisse Fertigkeit erfordert und Qualitäten hat, die akademische , ernsthafte Werke gar nicht liefern können - einfach, weil es da um etwas Anderes geht.
Ich finde, man kann und sollte das gar nicht vergleichen. Wenn etwas gut gemacht ist und in mir etwas auslöst - sei es humorig oder ernsthaft - , dann ist es gut (oder sogar ausgezeichnet). Unabhängig von E oder U.
Noch eine Frage zur Form: Die ersten drei Strophen haben je 6 Verse, die letzte Strophe nur zwei. Hat diese Form einen bestimmten Namen oder entspringt das einfach nur der Dichterfreude? (Ich habe bis jetzt immer darauf geachtet, dass alle Strophen gleich lang sind und wüsste deshalb gerne, ob das von der Form her „erlaubt" ist.)
Ich befürchte, ich bin, was Gedichte (gereimt oder ungereimt) angeht, reichlich "respektlos".
Mir ist wichtig, dass die Form den Leser ein wenig lenkt - also eine Aufgabe erfüllt, die dem Inhalt zugute kommt.
Oder der Rhythmik eines Textes. Im Bestfall beidem.
Im konkreten Fall soll die letzte Strophe mit nur zwei Versen einen (hoffentlich) pointierten Abschluss bilden. Das kann aus meiner Sicht eine nochmals sechszeilige Strophe so nicht leisten. Die würde nur wieder einen neuen Gedankengang eröffnen (wenn klar ist, was ich meine) und dann wäre das Gedicht einfach zu Ende. So aber macht der Zweizeiler richtig "zu".
Ich mache das aus dem Bauch heraus und je nach Gedicht bzw. dessen Inhalt im Zusammenspiel mit der Form (Strophen-Einteilung) anders. Und ich versuche schon, eine Form zu finden - allerdings eine, die sich dem Inhalt und meiner Absicht beugt. Also eher ein "form follows function". Erlaubt sollte m.E. sein, was gefällt, nicht willkürlich wirkt UND (s)einen Zweck erfüllt.
Hätte ich beispielsweise als Abschluss eine Art Conclusio formulieren wollen, wären vermutlich vier bis sechs Zeilen sinnvoller gewesen, so aber war die kurze Pointe am besten als Zweizeiler zu verpacken.
Ich hoffe, du kannst mit meinen Erklärungen etwas anfangen. (sorry, sie sind - wie immer - etwas lang geworden
).
Herzliche Grüße,
fee