Walter ist schon wieder tot

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Tonmaler

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Unmittelbar nach seinem Ableben fand sich Walter Neuenreuther in der Eingangshalle der Abteilung für Reinkarnationsorganisation wieder. Am Anmeldeschalter saß die Empfangsdame, eine Kaninchenfrau, und blickte erstaunt, als sie ihn gewahrte.
«Was? So schnell bist du wieder zurück? Mit dreiundzwanzig!»
Walter zuckte mit den Schultern. «Unfreiwillig!», sagte er. «Und ich möchte wissen, was jetzt schon wieder los war!»
«Moment», sagte die Kaninchenfrau. «Eins nach dem anderen. Als was warst du unterwegs?»
«Ich war stolz, ein Deutscher zu sein. Wir waren ganz harmlos unterwegs, es gab gar keinen Grund, diesmal!», maulte Walter und trat mit dem Fuß gegen den Tresen.

Er hatte sich wie jede Woche Montagvormittags mit seinen beiden Kumpels Erwin und Bodo und einem Kasten Edelstoff vorm Flüchtlingsheim getroffen, um gegen die Zuwanderungspolitik der Regierung zu protestieren. Persönlich hatte er nichts gegen Zuwanderer und Flüchtlinge, aber – das stand im Internet – jetzt kamen sie und wollten so tun, als ob sie dazu gehörten; völlig ohne deutsche Vorfahren zu haben, insbesondere hervorragende deutsche Musikanten: Ludwig van Beethoven, Johann Sebastian Bach, Dieter Bohlen.
Diese Afrikaner da drin wollten in Deutschland leben und Deutsche werden, dabei war ein Deutscher mindestens jemand, der in Deutschland lebte und nicht einer, der das erst noch wollte, dachte Walter. Und es brauchte außerdem Vorfahren, die schon in Deutschland lebten, noch bevor es Deutschland gegeben hatte; so was wie 'Ur-Deutsche' in vordeutschen Zeiten, dort, wo Deutschland dann halt bald sein würde – aber noch bevor jemand, egal wo, das Rad entdeckt hatte oder sonst etwas entdeckt oder erfunden, glaubte Walter, zum Beispiel ein Shampoo gegen Haarausfall.

Vor dem Heim hatte es dann die üblichen Diskussionen gegeben und ein paar geringfügige Körperverletzungen. Die Körperverletzungen, nachdem Walter einen jungen Afrikaner, der unverfroren ein Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft trug, angebrüllt hatte: «Geht nach Hause! Ihr habt hier nichts verloren!»
«Genau!», rief Erwin und Bierspucke flog durch die Luft. «Und wenn ihr doch was verloren habt, dann müsstest‛s ihr zum Fundbüro!»
Das führte zu Verwirrung und einigen Sekunden Pause bei allen Beteiligten. Bodo bewegte sich als Erster wieder und versuchte, dem Afrikaner das Trikot vom Körper zu reißen. Der wehrte sich, es kam zu einem Gerangel, und wenig später hatte Erwin einen Ellbogen hart im Gesicht.
«Ihr seid alle Rinder!», rief er.
«Das heißt Schweine!», rief der Afrikaner, und gleich trat Erwin ihm dafür in die Eier und hielt sich anschließend wieder die blutende Nase. Bodo packte den Gegner am Hals, doch Walter hielt ihn zurück; er hatte vorhin in einigen Metern Entfernung zwei Polizeibeamte entdeckt, die inzwischen beim Zuschauen etwas interessierter wirkten, jetzt sogar heran schlenderten.
Walter hatte sich den Bierkasten geschnappt, Bodo auch, sie waren gelaufen, den Kasten in ihrer Mitte, doch nach wenigen Schritten bemerkten sie, dass Erwin nicht mitgekommen war, also ließ Walter den Kasten los und rannte zurück zum Ort des Vaterlandkampfes, wo Erwin dem am Boden sich windenden Afrikaner lallend erklärte, dass laut Heidegger «die Dugitolisierung eine wahre Demokratie verhindere» (was der einzige Satz war, den er üblicherweise zu Debatten beisteuerte), und ihn gelegentlich in den Unterleib trat.
Walter packte ihn am Arm, riss ihn hoch und übersah dabei einen Schäferhund, der aus der Ferne heran gehastet war und, vermutlich schon länger provoziert durch die vielen schnellen und lauten Bewegungen, beschlossen hatte, sich in Walters rechtes Bein zu verbeißen. Der brüllte; Erwin schrie auf und wollte ruckartig flüchten, allerdings in Walters Richtung, womit er den schreienden und schon wankenden Freund – während dieser versuchte, die Bestie abzuschütteln – auf die Straße stieß. Wo sie beide, Hund und Mann, von einem großen Müllfahrzeug überrollt wurden, das nicht mehr bremsen hatte können. So endete sein deutsches Leben und mitgeholfen hatte dabei ein deutscher Schäferhund.


Wer war für diese Planung verantwortlich? Das wollte Walter jetzt gefälligst wissen.
«Ich hab’ alles gut gemacht gehabt, musste nicht arbeiten und hab’ politisch aktiv am gesellschaftlichen Leben mitgewirkt, und dann macht ihr's kaputt», ereiferte er sich. «Und noch dazu hätt‛ ich bald endlich hoffentlich Beate Herrmann ins Bett gekriegt!» Er ballte die Fäuste.

«Augenblick mal, alles ruhig», sagte die Kaninchenfrau. «Da muss ich erst mal im System nachschauen.» Sie klickte und klackte auf der Tastatur herum und scrollte mit der Maus. «Also, meinen Informationen hier zufolge, wenn ich da mal in die Übersicht gehe, Augenblick, erst mal zu Beate Herrmann – also, da sehe ich, dass sie ihrer besten Freundin erst gestern gesagt hat, dass sie lieber unheilbar am ganzen Körper an Fußpilz erkranken würde, als auch nur sechzig Sekunden im Bus neben dir sitzen zu müssen. – Brauchst du ein Taschentuch? Dein Schädel tropft. Nein? Na, dann kommen wir zu deiner Basisexistenz, und da sehe ich, dass du als ‘Stolz, ein Deutscher zu sein‛ noch gar nicht abschließend qualifiziert warst. Da fehlte dir noch ein Modul und deshalb wurde dein Programm abgebrochen …»
«Was?», brüllte Walter jetzt. «Hab‛ ich es übersehen, alles ordnungsgemäß anzukreuzen? Kleinen Moment, ich denk’ mal nach. Wollen Sie einen alkoholkranken, gewalttätigen Vater: ja; wollen Sie eine ignorante, narzisstisch gestörte Mutter: ja; wollen Sie in einem Stadtteil geboren werden und aufwachsen, in dem sich sogar ausgebildete Berufssoldaten nur wohlfühlen, solange sie in einem gepanzerten Fahrzeug sitzen: ja! Also, was hab’ ich ausgelassen, dass es jetzt heißt, ich wäre nicht berechtigt, ein ‘Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein‛ zu sein? Oder hab’ ich mich etwa nicht auf das Wesentliche reduziert?»
«Ruhig, ruhig», sagte die Anmeldedame. «Ich sehe, du hast ohnehin gleich den Termin bei deinem persönlichen Karmaberater – und der hat das hier so hinterlegt. Wenn ich das richtig sehe, geht es nicht um die interne Berechtigung. Sondern um die Zulassungsqualifikation. Zimmer 22005, in sieben Minuten, zurück zum Eingang und dann links hoch.»
Walter Neuenreuthers Gesicht war lila angelaufen.
«Und dann der Scheiß mit dem Köter! Was hab' ich dem denn getan?», sagte er.
«Ruhig, ruhig», sagte die Kaninchenfrau und erforschte den Bildschirm. «Der Hund, das war Konstanze Krautbüchner, die wollte wie immer unbedingt dabei sein.»
«Konstanze schon wieder? Als Hund jetzt auch noch? Wie oft hab ich sie geheiratet, ohne dass ich es wollte?»
«Vierzehn mal», sagte das Kaninchen. «Und du hast sie – schauen wir nach – auch genau vierzehn mal sitzen gelassen – stets wegen einer anderen Frau –, in einem Fall sogar wegen einer deutlich älteren Frau, die schielte und Kamerun für ein südamerikanisches Kriechtier hielt. Erwähnenswert ist außerdem die Geschichte, als sie Marie Antoinette war – und deine nicht unbedingt geringfügige Rolle als Mitglied des französischen Revolutionstribunals.»

Walter stöhnte und drehte sich um, dabei rempelte er gegen Bodo und Erwin, die blutend und mit durchlöcherter Kleidung hinter ihm standen. Erwin hielt sich außerdem die blutige Nase, deren Teile in drei verschiedenen Richtungen aus dem Gesicht ragten.
«Was denn, ihr auch hier?», rief er. «Ihr seid auch noch unter den Müllaster gekommen?»
«Wir sind erschossen worden», sagte Bodo. «Von den Polizisten.»
«Warum haben sie denn auf euch geschossen?»
«Weil sonst niemand anders da war», sagte Erwin.
«Quatsch nicht!» Bodo gab seinem Kumpel einen Stoß. «Sie wussten nicht genau, wer mit der Schlägerei angefangen hat», erklärte er. «Und damit sie abends nicht sagen müssen, dass sie den ganzen Tag auf niemand geschossen haben, schießen sie sicherheitshalber auf alle, die in der Nähe sind. Immerhin, der Schuldige entwischt so auf keinen Fall. Falls er dabei ist.»
Walter sah in diesem Moment, dass die Schlange noch viel länger war: Hinter seinen Kumpels, dem Schwarzen im Fußballtrikot und dem Konstanze-Hund hatten sich weitere Inkarnationen aufgereiht, die meisten davon waren menschlich oder hatten es zumindest fast geschafft …
«Hey da vorn, wir sind auch tot und wollen hier nicht bis in alle Ewigkeit rumstehen!», nölte eine erschossene Frau vom hinteren Ende der Schlange; sie hielt ihre gleichfalls erschossenen Kinder links und rechts an der Hand. Der Junge zog einen blutigen Popel aus der Nase.
«Dein Berater wartet und ich muss jetzt hier weitermachen», sagte die Kaninchenfrau zu Walter und winkte ihn weg.

Walter Neuenreuther stürmte davon und ohne anzuklopfen in das Zimmer des Karmaberaters. Der blickte auf.
«Da sind Sie ja», sagte er. «Setzen Sie sich doch bitte. Ich hoffe, Sie haben Ihren letzten Tod gut weggesteckt, so weit. Schön war es diesmal weniger, aber Sie hatten Glück, wir konnten da noch nachbessern. In der ursprünglichen Version wären Sie nicht unter dem Müllwagen, sondern im Müllwagen ums Leben gekommen.»
Walter setzte sich nicht. Er warf einen kurzen Blick auf das grün blinkende Licht an der Röhre, die aus der Zimmerdecke ragte, auf den gelben Knopf auf dem Schreibtischpult und legte los: «Erstens, ich will jetzt ein für alle Mal und für immer, dass ihr mir Konstanze vom Hals schafft. Wie oft habe ich das schon gesagt? Gut, diesmal musste ich sie wenigstens nicht heiraten; dafür hat sie mir mit den Reißzähnen die Wade zerfleischt und mich vor einen Dreißigtonner gestoßen – und das ist bisher bloß das Viertschlimmste, was sie mit mir gemacht hat. Wer lässt das zu? Ich habe auch eine Karmaberechtigung. Was multipliziert euer Dreckscomputer da eigentlich? Zweitens, ich fordere jetzt eine Wiedergutmachung für den Scheißdreck und alle übrigen Scheißdrecke zuvor!
Wisst ihr, als ich etwas wollte, wo einem mal die Massen zujubeln, hatte ich damit nicht konkret von selbst Mussolini gemeint, sondern vielleicht mal jemand, der nicht am Schluss erschossen und aufgehängt wird; danach wollte ich meine Ruhe haben, irgendwas sein, was nur ereignislos rumsteht und möglichst kein Gehirn hat. Ein Gebüsch wollte ich sein und nichts weiter zu tun haben, als den ganzen Tag in der Sonne zu stehen und Fotosynthese zu betreiben – und ihr stellt mich auf einen Schulhof! Wo mir jeden Tag Blätter und Äste abgerissen werden, bis zum grausigen Ende! Ja, auch ein Gebüsch kann leiden! Ich habe genug!
Ich fordere jetzt, in einer richtigen Familie geboren zu werden, mit einem Milliardär als Vater, der mich auch mal mit in den Weltraum nimmt, und wo ich als Sohn, ohne arbeiten zu müssen, 80.000 verdiene; in der Minute!
Mir reicht’s jetzt! Zwanzig Jahre Kindheit und Jugend in einem Viertel, das im Fall einer Alien-Invasion nichts zu befürchten hätte, weil die Viecher sich nicht reintrauen würden! Um vor einem Müllwagen zu enden? Wo ist der Sinn?»
«Ich bitte Sie, beruhigen Sie sich erst einmal. Ich werde Ihnen erklären, was es war. Es fehlte Ihnen ein Zugangsmodul. Das wurde übersehen – die karmatische Reihenfolge kam durcheinander. Mit anderen Worten, natürlich bekommen Sie die Berechtigung, stolz darauf zu sein, ein Deutscher zu sein. Schon mit dem nächsten Modul – dem Grundstein.»
«Ich warne euch, wenn jetzt wieder irgendein Mistkack kommt!», schrie Walter und ging auf den Schreibtisch zu, aber es blieb unentdeckt, was er zu tun gedachte, denn schnell hatte der Berater den gelben Knopf gedrückt; Walters somatische Konstellation – eine molekulare Illusion – war getilgt und die Essenz seiner Persönlichkeit in der Reinkarnationsröhre verschwunden.
Angekreuzt hatte er diesmal nichts.


<<<><>>>

Wenige Augenblicke später erblickte er das Licht der Welt in einer Stadt namens Kinshasa, Demokratische Republik Kongo, südliche Sahara. Zu diesem Zeitpunkt gab es niemanden, der wusste, welch ein schlauer Junge sich da auf seinen ungewöhnlichen Weg machte. Das erste Ungewöhnliche war, dass Kito nicht starb, bevor er fünf Jahre alt war, und das zweite, dass er an eine Schule kam. Niemand wusste kurz nach seiner Geburt, dass er ein großer Fußballfan werden würde – allerdings kaum interessiert an afrikanischem Gekicke, sondern nach Europa orientiert und ab seinem 14. Lebensjahr ein glühender Bewunderer der deutschen Nationalmannschaft. Er selbst wusste noch lange nicht, dass er mit dreiundzwanzig nach Deutschland kommen würde und dort noch eine kleine, sogar sehr kleine Weile leben.
In seinem Lieblingsland von allen.
 
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Sammis

Mitglied
Hallo!

Das ist solide geschrieben, habe das nichts zu bemäkeln. Zum Inhalt bleibe ich stumm, da steckt mir zu viel hinter und zwischen den Zeilen, das gibt mein Grips nicht mehr her. Frag doch Jimmy, der hat sicher manches dazu zu sagen ;)

Sarkastische Grüße,
Sammis
 
Hallo, Tonmaler,

okay, beim zweiten Mal lesen habe ich , glaube ich einiges besser verstanden. Die Idee finde ich ganz gut, dass der Protagonist am Ende als Reinkarnation der Rolle erscheint, die er in einem anderen Leben rassistisch diskriminiert hat. Beim ersten Lesen war mir das Ganze vom Plot her ein bisschen zu wild und vor allem in der Aussage nicht komplex genug.

Beispiel:

Hab‛ ich es übersehen, alles ordnungsgemäß anzukreuzen? Kleinen Moment, ich denk’ mal nach. Wollen Sie einen alkoholkranken, gewalttätigen Vater: ja; wollen Sie eine ignorante, narzisstisch gestörte Mutter: ja; wollen Sie in einem Stadtteil geboren werden und aufwachsen, in dem sich sogar ausgebildete Berufssoldaten nur wohlfühlen, solange sie in einem gepanzerten Fahrzeug sitzen: ja! Also, was hab’ ich ausgelassen, dass es jetzt heißt, ich wäre nicht berechtigt, ein ‘Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein‛ zu sein?
Okay, am Ende wird klar: Wenn man das ankreuzt, kommt so eine verschrobene und auch gefährliche Art, "stolz zu sein, ein Deutscher zu sein" heraus. Wenn man nichts ankreuzt, ist da mehr Offenheit, dann kann auch ein ursprünglischer Einwanderer "stolz darauf sein, ein Deutscher zu sein."
Das ist zwar ein Ansatz, aber genau genommen ist mir das auch beim zweiten Lesen noch zu einfach. Rechtsradikales Gedankengut zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Weder kommen alle klischeehaft prekären Verhältnissen, noch habe alle davon "kein Gehirn". Das ist ja das Gefährliche.

Die ausführliche Beschreibung der Gewaltszene am Anfang ist aus meiner Sicht nicht funktional. Das könnte man straffen.
Außerdem sehe ich bei der sprachlichen Gestaltung noch Spielraum. Falls es dich interessiert, dazu gerne später mehr.

Grüße von
Sofie
 

Tonmaler

Mitglied
Hallo, danke für die Kommentare!

Das ist solide geschrieben, habe das nichts zu bemäkeln
Oki

Zum Inhalt bleibe ich stumm, da steckt mir zu viel hinter und zwischen den Zeilen, das gibt mein Grips nicht mehr her
Bin mir nicht sicher, was du meinst mit 'Grips reicht nicht'. Vermutlich die offen eingestreute Möglichkeit, sich selbst begegnen zu können. Streng genommen ist das (auch in dieser Geschichte) ein Paradox.
Es ging (lediglich) um den Gedanken.
Und daher darum, worauf dieser 'Stolz' denn basieren soll; wenn jeder Mensch an jeder denkbaren Position im Weltgeschehen auftauchen kann, so wie er es hier tut, ist dieser Parameter auch für jeden genullt und kann keine Rolle mehr spielen. Außer jemand wäre, wie Walter, der Meinung, eine Berechtigung erworben zu haben, es also verdient zu haben, ein Deutscher zu sein, in dem Fall also wie es 'lightandsoulofbirds' anmerkt (was ich allerdings als Unfug entlarven wollte):
Okay, am Ende wird klar: Wenn man das ankreuzt, kommt so eine verschrobene und auch gefährliche Art, "stolz zu sein, ein Deutscher zu sein" heraus
Zumindest glaubt Walter das. Siehe oben, das ist allerdings nur Walters Version, also eine Version von vielen denkbaren, beispielhaft als Unfug gezeigt für alle derartigen Modelle; denn wenn es Zufall ist, dass du in Deutschland geboren bist, ist das im Effekt das Gleiche, als würdest du gleichzeitig überall geboren worden sein. Das ist das Modell. Allerdings ist das nur gedanklich eine Möglichkeit, denn physikalisch ist es paradox. Macht aber nichts in einem Gedankenspiel. Letztlich ergibt sich aus allen Leben einer Persönlichkeit dann eine vollkommene Nullsumme (alle Gewinne und Verluste in jeglicher Hinsicht, addiert, ergeben null).

Rechtsradikales Gedankengut zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Weder kommen alle klischeehaft prekären Verhältnissen, noch habe alle davon "kein Gehirn". Das ist ja das Gefährliche.
Das ist auch mir klar. Daher ist Walter auch nicht der komplette Volldepp, sondern kann sich elegant ausdrücken. Der Fokus liegt da aber nicht drauf, der liegt allein auf dem was ich in der Antwort auf Sammis dargelegt habe.

Außerdem sehe ich bei der sprachlichen Gestaltung noch Spielraum. Falls es dich interessiert, dazu gerne später mehr.
Das interessiert mich jederzeit, deshalb stelle ich die Texte ja hier rein.

Danke für eure Aufmerksamkeit,
T.



[Nachtrag: wie erreicht man die gerechte Verteilung eines Kuchens unter 6 Leuten, wenn der Eigentümer des Kuchens allein das Messer hat, ihn aufzuteilen? Derjenige, der den Kuchen auf die zu verteilenden Stücke zerteilt, darf nicht wissen, wer welches Stück am Ende bekommen wird, also auch nicht, welches Stück er erhalten wird; gibt es ein kleinstes Stück, könnte er es bekommen, also wird er bestrebt sein, alle Stücke gleich groß zu machen -- das ist die einzige zweckrationale Möglichkeit in dem Szenario, wenn man von dem Ziel ausgeht, dass er nicht zu kurz kommen will; was wäre, wenn er sukzessive oder alternativ mit jedem Stück auskommen müsste? Dann wäre ja alles eine Nullsumme; immerhin müsste er noch aufpassen, dass er, egal, welches Stück er bekommt, mit diesem gut zurechtkommen kann, also nicht leiden muss, weil sein Stück Hunger bedeutet; das Elend in afrikanischen Hungergebieten und komplett ausbeuterisches Verhalten wäre unsinnig; gedanklich ist es aber genau dieser Mangel an Mitgefühl und Empathie, der jenes Verhalten möglich macht und -- jetzt kommt's -- das Ganze krönt, indem 'man' nicht nur glaubt, für diese Bevorzugung berechtigt zu sein, sondern noch dazu: stolz darauf sein zu können].
 
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Matula

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Hallo Tonmaler,

die Geschichte ist aus meiner Sicht sehr gut geschrieben, wobei mir die drastischen Szenen besonders gut gefallen. Frau Konstanze Krautbüchner als schicksalhafter Revenant ist ein gelungener Einfall, wie ich überhaupt der Phantasie der Wiedergeburt viel abgewinnen kann. Meine ist nur irgendwie gottloser. Ich befürchte eher, als Batteriehuhn oder als Mastschwein wiedergeboren zu werden ... also auch bei mir der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit.

Schöne Grüße,
Matula
 
Hallo zusammen

Frau Konstanze Krautbüchner als schicksalhafter Revenant ist ein gelungener Einfall
Das finde ich auch!

Meine ist nur irgendwie gottloser.
Vielleicht war mein Problem mit dem Zugang ja, dass für mich bereits der Text hier ein wenig zu "gottlos" ist - in dem Sinne, dass ich selbst
denke, dass man Dinge im Leben beeinflussen verändern kann, wenn auch nicht in der Annahme eines einfachen Ursache-Wirkung-Mechanismus, wie Walter ihn in Gang zu setzen versucht.
Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht auf dieses Gedankenexperiment einlassen kann/möchte. Ich musste es nur zuerst verstehen.;)


Daher ist Walter auch nicht der komplette Volldepp, sondern kann sich elegant ausdrücken.
Da muss ich weiterhin sagen, kommt er bei mir nicht glaubhaft an. Das folgende weist ihn für mich als einfach denkende, naive Person aus:
Persönlich hatte er nichts gegen Zuwanderer und Flüchtlinge, aber – das stand im Internet – jetzt kamen sie und wollten so tun, als ob sie dazu gehörten;
Daran kann seine Sprechweise für mich nichts ändern. Er stellt eher das Klischee des unzufriedenen, unterprivilegierten, ungebildeten Bürgers für mich dar.

Sprachlich:
Persönlich hatte er nichts gegen Zuwanderer und Flüchtlinge, aber – das stand im Internet – jetzt kamen sie und wollten so tun, als ob sie dazu gehörten; völlig ohne deutsche Vorfahren zu haben, insbesondere hervorragende deutsche Musikanten: Ludwig van Beethoven, Johann Sebastian Bach, Dieter Bohlen.
, also zumindest so deutsch wie Ludwig van Beethoven, Johann Sebastian Bach und Dieter Bohlen. Ich finde, so kommt die Dissonanz durch Dieter Bohlen überraschender. Soll die ursprüngliche Konstruktion bleiben, dann lieber "Musiker" oder auch "Komponisten" als "Musikanten" - das hat sonst was von "Musikantenstadel"
das nicht mehr bremsen hatte können.
hatte bremsen können.
«Ich hab’ alles gut gemacht gehabt, musste nicht arbeiten und hab’ politisch aktiv am gesellschaftlichen Leben mitgewirkt, und dann macht ihr's kaputt», schrie er. «Und noch dazu hätt ich bald endlich hoffentlich Beate Herrmann ins Bett gekriegt!», schrie er und ballte die Fäuste.
Nicht nur, weil sich das hier wiederholt. "Schreien" finde ich generell nicht sonderlich anschaulich für eine Sprechweise, Ähnliches gilt für "Brüllen".
Vorschlag für die Stelle hier:

"Ich hab’ alles gut gemacht gehabt, musste nicht arbeiten und hab’ politisch aktiv am gesellschaftlichen Leben mitgewirkt, und dann macht ihr's kaputt», ereiferte er sich lautstark . «Und noch dazu hätt ich bald endlich hoffentlich Beate Herrmann ins Bett gekriegt!», Seine Stimme überschlug sich jetzt und er ballte die Fäuste.

Irgendwo "brüllt" er dann noch. Falls du mit den Ideen hier grundsätzlich etwas anfangen kannst, kannst du die Stelle ja selbst suchen und dir noch etwas einfallen lassen.

Herzliche Grüße
Sofie
 

Tonmaler

Mitglied
Danke euch für die weiteren Kommentare und 'tschuldigung, dass meine Antwort so spät erfolgt, komm erst jetzt dazu!


die Geschichte ist aus meiner Sicht sehr gut geschrieben, wobei mir die drastischen Szenen besonders gut gefallen
Ja, so ist das: Dem einen gefällt was, der anderen nicht. Ich mag solche Slapstick-Szenen gern, daher gibt es die öfter mal in meinen Geschichten, auch in den 'Dämonen' am Ende ist so was enthalten.

Frau Konstanze Krautbüchner als schicksalhafter Revenant ist ein gelungener Einfall, wie ich überhaupt der Phantasie der Wiedergeburt viel abgewinnen kann. Meine ist nur irgendwie gottloser. Ich befürchte eher, als Batteriehuhn oder als Mastschwein wiedergeboren zu werden ... also auch bei mir der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit.
Nun, um Religion geht es mir hier überhaupt nicht (und einen personalen Gott gibt im Buddhismus ja auch nicht); falls bei mir Gott vorkommt, ist stets ein Gottesbild gemeint -- und in der vorliegenden Geschichte ist auch die ganze Reinkarnationskiste nur der Rahmen, den ich brauchte (oder: das Vehikel); will sagen: um Reinkarnation geht es auch nicht :)


Vielleicht war mein Problem mit dem Zugang ja, dass für mich bereits der Text hier ein wenig zu "gottlos" ist - in dem Sinne, dass ich selbst denke, dass man Dinge im Leben beeinflussen verändern kann, wenn auch nicht in der Annahme eines einfachen Ursache-Wirkung-Mechanismus, wie Walter ihn in Gang zu setzen versucht.
Ja, gottlos ist das sicherlich und jedenfalls in dem Sinn, dass er keine Rolle spielt in der Geschichte. Und ich würde dir zustimmen dabei, dass man selbst Dinge im Leben beeinflussen kann -- nur den Zusammenhang sehe ich im Moment nicht.
Und Walter sitzt einem Bären auf; leider ist da nicht allein auf weiter Flur.


Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht auf dieses Gedankenexperiment einlassen kann/möchte. Ich musste es nur zuerst verstehen.
Ja, klar.

als ob sie dazu gehörten; völlig ohne deutsche Vorfahren zu haben, insbesondere hervorragende deutsche Musikanten: Ludwig van Beethoven, Johann Sebastian Bach, Dieter Bohlen.
, also zumindest so deutsch wie Ludwig van Beethoven, Johann Sebastian Bach und Dieter Bohlen. Ich finde, so kommt die Dissonanz durch Dieter Bohlen überraschender. Soll die ursprüngliche Konstruktion bleiben, dann lieber "Musiker" oder auch "Komponisten" als "Musikanten" - das hat sonst was von "Musikantenstadel"

Du kannst nicht wissen, wie oft ich diese Passage umgeschrieben habe und wie nah sie dran ist, ganz rauszufliegen.
Dass ich schließlich 'Musikanten' schrieb, war Absicht, vorher waren es 'Musiker', eben weil die Nähe zum Musikantendings suggeriert, dass er nicht die geringste Ahnung hat, wer die eigentlich sind oder was die gemacht haben.
Dein Dissonanz-Satz leuchtet mir nicht ein, denn was bringt es, eine Deutsch-Erwartung zu enttäuschen, indem man Bohlen anführt?
Ich werde entscheiden müssen, ob der Abschnitt nicht einfach doch wegkommt, scheint nicht zu funktionieren (auch mit deinen Vorschlägen seh ich da keine Rettung).



«Ich hab’ alles gut gemacht gehabt, musste nicht arbeiten und hab’ politisch aktiv am gesellschaftlichen Leben mitgewirkt, und dann macht ihr's kaputt», schrie er. «Und noch dazu hätt ich bald endlich hoffentlich Beate Herrmann ins Bett gekriegt!», schrie er und ballte die Fäuste.
Nicht nur, weil sich das hier wiederholt. "Schreien" finde ich generell nicht sonderlich anschaulich für eine Sprechweise, Ähnliches gilt für "Brüllen".
Vorschlag für die Stelle hier:

"Ich hab’ alles gut gemacht gehabt, musste nicht arbeiten und hab’ politisch aktiv am gesellschaftlichen Leben mitgewirkt, und dann macht ihr's kaputt», ereiferte er sich lautstark . «Und noch dazu hätt ich bald endlich hoffentlich Beate Herrmann ins Bett gekriegt!», Seine Stimme überschlug sich jetzt und er ballte die Fäuste.


Ja, das doppelte Geschrei muss weg, da stimme ich dir zu. (Seltsam, dass mir das nicht auffiel). Generell bin ein Anhänger davon, Anführungen wörtlicher Rede möglichst unauffällig zu gestalten und niemand etwas schluchzen oder seufzen zu lassen, sondern am liebsten: er/sie sagte. Nur wenn ich etwas laut haben will, kommt dann das er/sie schrie. Aber dein 'ereiferte er sich' klingt in meinen Ohren gut, das werde ich übernehmen.
Leider ist Walter nun mal ein Choleriker -- was kann ich machen? er brüllt eben, Brüllen ist Brüllen. Aber das Ganze mit extra Hauptsätzen zu lösen, werde ich öfter mal in Betracht ziehen, danke dir!

Das sieht so aus:


Wer war für diese Planung verantwortlich? Das wollte Walter jetzt gefälligst wissen.
«Ich hab’ alles gut gemacht gehabt, musste nicht arbeiten und hab’ politisch aktiv am gesellschaftlichen Leben mitgewirkt, und dann macht ihr's kaputt», ereiferte er sich. «Und noch dazu hätt‛ ich bald endlich hoffentlich Beate Herrmann ins Bett gekriegt!» Er ballte die Fäuste.


Gruß
T.
 
Wer war für diese Planung verantwortlich? Das wollte Walter jetzt gefälligst wissen.
«Ich hab’ alles gut gemacht gehabt, musste nicht arbeiten und hab’ politisch aktiv am gesellschaftlichen Leben mitgewirkt, und dann macht ihr's kaputt», ereiferte er sich. «Und noch dazu hätt‛ ich bald endlich hoffentlich Beate Herrmann ins Bett gekriegt!» Er ballte die Fäuste.
Klingt gut!
 



 
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