Mit 32 Jahren pausiert ein Fußballer nicht. „Er spielt oder er hört für immer auf,“ denkt Walter, auf der Reservebank sitzend. „Nicht mit dir!“ sagte der Trainer und meinte ihn. „Du pausierst heute und drückst erst mal die Bank!“ Wie hatte er sich vor diesem Moment gefürchtet, schon mit sechzehn, als seine steile Karriere begann. Damals gab sich Walter das Versprechen, im Alter von dreißig Jahren nicht mehr zu spielen. Er sah die verbrauchten, geschundenen, mit Narben bedeckten Körper der alten Spieler. Von einem Nachwuchskicker aus der Mannschaft gedrängt zu werden, so wollte er nicht enden. Versprechen sollte man nicht brechen. Doch er wollte helfen. Statt in die zweite Liga in Italien ging er zum heimischen Provinzklub mit Ambitionen, europäischen Ambitionen. Ein Mann mit Geld will mit seinem Verein in die Champions-League, die Königsklasse für jeden Fußballer. Doch dieses Ziel scheint jetzt weit weg. 0:1
Walter kann sein Lächeln gerade noch verbergen, als der Trainer schimpfend von der Linie zurück kommt und ihn ansieht. Walter schüttelt entsetzt den Kopf. „Nicht mit dir, mein Lieber,“ denkt er, „das wirst du auch bald hören, wenn unser Herr Geld keinen Erfolg sieht.“ Der Trainer gehörte einst zu jenen Alten, die er auf die Ersatzbank verdrängt hatte. Der müsste wissen was einer fühlt, wenn er vor versammelter Mannschaft ein „Nicht mit dir!“ hört. Mediengeiles Arschloch. Der Dings vom Blatt will Walter offenbar fertig machen. Über dem Spielbericht nach der letzten Nullnummer titelte das Blatt in fetten Lettern „Meister? Nicht mit dir, alter Walter!“. Als wäre er die ganze Mannschaft. Wo sind die Jungen, die rackern, kämpfen, rutschen, beißen, kratzen, so wie er seinerzeit? Da ist niemand, der ihn verdrängen kann. Außer ein medienhöriger Trainer und ein sensationslüsterner Schlagzeilenschreiber. So denkt Walter. Aber das sieht jetzt auch nicht gut aus. 0:2
„In meiner Zukunft sehe ich ein Haus im Grünen mit Pool, Sonnenterrasse und zwei Kindern. Wochenenden, die ich mit meiner Familie genieße, mit einem Mann der endlich Zeit hat. Für mich, für die Kinder, für ein gemeinsames Glück. Ich will nicht mit dir Saison für Saison auf Entscheidungen warten, die immer später getroffen werden. Ich dachte, mit dir mein Lebensglück gefunden zu haben, aber zurzeit ist es ein Glück, wenn ich überhaupt etwas erlebe. Hör auf mit Fußball oder wir müssen uns etwas anderes überlegen.“ Walter erinnert sich an die Aussprache mit seiner Frau. Die Zukunftsszenarien von Corinna und dem Trainer schienen sehr ähnlich zu sein. Nur die Zahlungsvoraussetzungen bei eventuellen Trennungen wären gegensätzlich. Für Corinna müsste er zahlen, vom Verein bekäme er eine großzügige Ablöse. Walter überlegt, ob ihn bei Corinna gerade ein Jüngerer verdrängt – so wie er bei Ines den Trainer auf die Bank verweist. Oder missfällt seiner Frau das Leben als Fußballerbraut, seit er nicht mehr der unantastbare Superstar der heimischen Sportszene ist? Denn das scheint jetzt endgültig besiegelt. 0:3
Die Bank drückt ihn. Er steht auf. Er braucht noch drei Saisonen. Mindestens. Vielleicht sollte er zurück nach Italien? Oder in die Regionalliga als Spielertrainer? Das ist besser bezahlt. Eine Scheidung wäre teuer, auch wenn Corinna sie wollte. Er nimmt sich vor, wieder mehr Zeit mit ihr zu verbringen, um sie zu kämpfen, sollte es notwendig sein. So lange seine Affäre mit Ines nicht auffliegt, könnte er bei einer Trennung mit Corinnas Barmherzigkeit spekulieren. Riskant, aber nicht unwahrscheinlich. Das dieses Verhältnis geheim bleibt ist auch notwendig, um den Trainer wieder für sich zu gewinnen. Mit dem Zeitungsfritzen müsste er einmal unter vier Augen reden. Das kann nicht sein, dass der ihn fertig macht, wo er ihm jahrelang jede Privatgeschichte exklusiv erzählt hat. Der Typ braucht doch Spieler mit Charisma, über die er schreiben kann. Walter fragt sich, ob dem Schreiberling bei der Sportlergala sein Flirt mit dessen junger Begleiterin aufgefallen ist.
„Walter! Aufwärmen. Hau uns raus!“ Der Trainer holt ihn aus seinen Gedanken. „Mach ich doch gerne, Trainer!“
Der Tag danach:
Schlagzeile im Blatt: Wunder-Walter macht’s alleine! Vier Tore in 25 Minuten – das gab es noch nie.
Vormittag, im Präsidium: „Guter Schachzug, Trainer, den Walter so heiß zu machen. Da wird’s ja vielleicht doch noch was mit Europa. Dann können wir bald über eine Vertragsverlängerung reden. Und mach mir den Walter nicht böse, den brauchen wir – auch für die Fans.“
Später Nachmittag, Corinna am Telefon: „Danke Walter! Die Reise nach Venedig ist eine Superidee, da haben wir endlich Zeit in Ruhe über unsere Zukunft zu reden. Ich freu mich schon. Kommst du bald nach Hause?“
Zur selben Zeit, bei Ines im Schlafzimmer: „Ja, ja, ich komme bald nach Hause, bis dann!“ „Deine Frau?“ „Ja. Ich muss los. Weißt du, gestern, auf der Bank, da tat mir dein Alter irgendwie leid. Weil damals habe ich ihn vom Platz verdrängt, jetzt aus seinem Schlafzimmer…, he,he,he!. Übrigens, hätten wir gestern verloren, könntet ihr bald umziehen. Waren wichtige Tore. Auch für uns.“
Minuten später, in Walter und Corinnas Wohnung: „Du musst gehen, großer Trainer, Walter kommt bald nach Hause.“
Walter kann sein Lächeln gerade noch verbergen, als der Trainer schimpfend von der Linie zurück kommt und ihn ansieht. Walter schüttelt entsetzt den Kopf. „Nicht mit dir, mein Lieber,“ denkt er, „das wirst du auch bald hören, wenn unser Herr Geld keinen Erfolg sieht.“ Der Trainer gehörte einst zu jenen Alten, die er auf die Ersatzbank verdrängt hatte. Der müsste wissen was einer fühlt, wenn er vor versammelter Mannschaft ein „Nicht mit dir!“ hört. Mediengeiles Arschloch. Der Dings vom Blatt will Walter offenbar fertig machen. Über dem Spielbericht nach der letzten Nullnummer titelte das Blatt in fetten Lettern „Meister? Nicht mit dir, alter Walter!“. Als wäre er die ganze Mannschaft. Wo sind die Jungen, die rackern, kämpfen, rutschen, beißen, kratzen, so wie er seinerzeit? Da ist niemand, der ihn verdrängen kann. Außer ein medienhöriger Trainer und ein sensationslüsterner Schlagzeilenschreiber. So denkt Walter. Aber das sieht jetzt auch nicht gut aus. 0:2
„In meiner Zukunft sehe ich ein Haus im Grünen mit Pool, Sonnenterrasse und zwei Kindern. Wochenenden, die ich mit meiner Familie genieße, mit einem Mann der endlich Zeit hat. Für mich, für die Kinder, für ein gemeinsames Glück. Ich will nicht mit dir Saison für Saison auf Entscheidungen warten, die immer später getroffen werden. Ich dachte, mit dir mein Lebensglück gefunden zu haben, aber zurzeit ist es ein Glück, wenn ich überhaupt etwas erlebe. Hör auf mit Fußball oder wir müssen uns etwas anderes überlegen.“ Walter erinnert sich an die Aussprache mit seiner Frau. Die Zukunftsszenarien von Corinna und dem Trainer schienen sehr ähnlich zu sein. Nur die Zahlungsvoraussetzungen bei eventuellen Trennungen wären gegensätzlich. Für Corinna müsste er zahlen, vom Verein bekäme er eine großzügige Ablöse. Walter überlegt, ob ihn bei Corinna gerade ein Jüngerer verdrängt – so wie er bei Ines den Trainer auf die Bank verweist. Oder missfällt seiner Frau das Leben als Fußballerbraut, seit er nicht mehr der unantastbare Superstar der heimischen Sportszene ist? Denn das scheint jetzt endgültig besiegelt. 0:3
Die Bank drückt ihn. Er steht auf. Er braucht noch drei Saisonen. Mindestens. Vielleicht sollte er zurück nach Italien? Oder in die Regionalliga als Spielertrainer? Das ist besser bezahlt. Eine Scheidung wäre teuer, auch wenn Corinna sie wollte. Er nimmt sich vor, wieder mehr Zeit mit ihr zu verbringen, um sie zu kämpfen, sollte es notwendig sein. So lange seine Affäre mit Ines nicht auffliegt, könnte er bei einer Trennung mit Corinnas Barmherzigkeit spekulieren. Riskant, aber nicht unwahrscheinlich. Das dieses Verhältnis geheim bleibt ist auch notwendig, um den Trainer wieder für sich zu gewinnen. Mit dem Zeitungsfritzen müsste er einmal unter vier Augen reden. Das kann nicht sein, dass der ihn fertig macht, wo er ihm jahrelang jede Privatgeschichte exklusiv erzählt hat. Der Typ braucht doch Spieler mit Charisma, über die er schreiben kann. Walter fragt sich, ob dem Schreiberling bei der Sportlergala sein Flirt mit dessen junger Begleiterin aufgefallen ist.
„Walter! Aufwärmen. Hau uns raus!“ Der Trainer holt ihn aus seinen Gedanken. „Mach ich doch gerne, Trainer!“
Der Tag danach:
Schlagzeile im Blatt: Wunder-Walter macht’s alleine! Vier Tore in 25 Minuten – das gab es noch nie.
Vormittag, im Präsidium: „Guter Schachzug, Trainer, den Walter so heiß zu machen. Da wird’s ja vielleicht doch noch was mit Europa. Dann können wir bald über eine Vertragsverlängerung reden. Und mach mir den Walter nicht böse, den brauchen wir – auch für die Fans.“
Später Nachmittag, Corinna am Telefon: „Danke Walter! Die Reise nach Venedig ist eine Superidee, da haben wir endlich Zeit in Ruhe über unsere Zukunft zu reden. Ich freu mich schon. Kommst du bald nach Hause?“
Zur selben Zeit, bei Ines im Schlafzimmer: „Ja, ja, ich komme bald nach Hause, bis dann!“ „Deine Frau?“ „Ja. Ich muss los. Weißt du, gestern, auf der Bank, da tat mir dein Alter irgendwie leid. Weil damals habe ich ihn vom Platz verdrängt, jetzt aus seinem Schlafzimmer…, he,he,he!. Übrigens, hätten wir gestern verloren, könntet ihr bald umziehen. Waren wichtige Tore. Auch für uns.“
Minuten später, in Walter und Corinnas Wohnung: „Du musst gehen, großer Trainer, Walter kommt bald nach Hause.“