Wege
Die Sonne zerrt den Schlaf
aus den Augen.
Vor dem Spiegel
türmt sich der Geruch
der letzten Nacht.
Ich öffne das Fenster
einen Spalt weit
später ist dein Lachen erblindet.
Glück
hast du gesagt
ist eine unbefahrene Straße.
Ich hab sie nie gefunden.
Hallo Oli,
((„ein Spalt voll Schreie ist mein Mund“ (frei nach Benn) (erste Konnotation zu Spalt))
Ich persönlich empfinde „zerren“ als treffend. Aus dem Schlaf zerren: widerwillig, will heißen gegen den Wunsch im Traum zu verbleiben. Der Mensch wird zum Verstand gezerrt, und wenn dieser erst einmal erwacht ist schwindet der Traum nach einer gegückten Nacht, nach einer gelungenen Stunde Vergangenheit.
In diesem Sinne würde ich das „Türmen“ ersetzen. Nach meinem Verstehen türmt sich nichts mehr mit dem Erwachen beginnt das „schwinden“.
Ich schriebe vielleicht etwas wie:
Vor dem Spiegel
schmilzt der Geruch
der letzten Nacht
oder ähnliches …
Schön sind die letzten beiden Strophen:
„Glück
hast du gesagt
ist eine unbefahrene Straße.
Ich hab sie nie gefunden.“
Hier empfinde ich für mich zwar einen inneren Konflikt mit der Aussage. Aber was wäre Lyrik, wenn ich nur alles abnicken würde.
Interessant ist Glück nicht als Momentum zu erfassen, sonder als einen Weg, eineProzession, die mit der Zeit „ist“ - „geht“.
Und dann gibt es ja mehrere Möglichkeiten:
Die Straße zu finden ist eines, sie zu begehen bzw. zu „er – befahren“ ein Zweites.
Ach ja und wenn Glück eine unbefahrene Straße ist, was wäre denn wenn ich mich auf diesem Weg begäbe?
Da wäre die Straße ja „befahren“, und damit endete das Glück?!
Hm, zum Schluß noch eine sehr verkopfte persönliche Änderung dieser Strophe:
„Ich öffne das Fenster
einen Spalt weit
später ist dein Lachen erblindet.“
Ich öffne das Fenster
einen Spalt weit später
ist dein Lächeln erblindet
Habe nur das eine Wort „später“ eine Zeile nach oben gesetzt:
öffnet sich nicht dadurch mindestens eine neue spannende Lesart?
Hier steht der Spalt dann ja nicht nur im Hintergrund seiner „räumlichen“ Bedeutung sonder beläme ja auch „eine zeitliche“!
In dem Sinne das sich die vergehende Zeit einen Spalt weit öffnet.
Ist vielleicht bedenkenswert.
Lg
Ralf