Weihnachtstraum
Ganz leis' betreten sie den Raum,
schmiegen sich sacht in meinen Traum,
drehen das Rad der Zeit zurück -
Erinnerungen - Kindheitsglück.
Es hatte in der Nacht geschneit;
da lag, im weißen Winterkleid
mein Heimatort - und jedes Haus
strahlte das Licht des Friedens aus.
Man stimmte sich auf Weihnacht ein;
uns Kindern schien das Artigsein
kurz vor dem Fest ein milder Zwang -
doch wurde uns das Warten lang.
Mein Herzenswunsch in jenem Jahr,
wohl etwas ungewöhnlich war,
denn die Erwachs'nen blieben still -
erwartete ich gar zu viel?
Ein Tischlein-deck-dich sollt' es sein,
nicht allzu groß, auch nicht zu klein.
Das Christkind fände sicherlich
genau das Passende für mich.
Ich nahm mein Märchenbuch zur Hand,
glaubte ganz fest, was darin stand -
und keine Zweifel kamen mir,
bald wäre dieses Tischlein hier.
Und endlich, endlich war's soweit;
des Christkinds Glöcklein gab Bescheid -
noch zögernd unterm Baum ich stand,
mit meiner Schwester, Hand in Hand.
Wir sangen, denn so war's der Brauch,
ein bisschen musiziert ward auch.
Zu hastig sprach ich ein Gedicht;
man rügte meine Eile nicht.
Das Christkind schenkte Kleidung mir,
ein Brettspiel und ein Kuscheltier.
Das Tischlein-deck-dich ich nicht fand -
ob es wohl noch im Himmel stand?
Ich bin erwacht aus meinem Traum,
seh' einen Plastik-Weihnachtsbaum,
ein fein besticktes Taschentuch
und - mein vermisstes Märchenbuch.