Wie er es versucht hat, versucht hat, versucht hat
Als ihm schlecht wurde, waren die meisten Gäste schon verschwunden. Er saß allein auf seinem Sofa und versuchte das Schwindelgefühl durch abwechselndes Öffnen und Schließen der Augen zu unterdrücken. Auf, zu, auf, zu, auf, zu, auf, zu. Es funktionierte nicht. Das hatte es nie. Nicht mehr lange und er müsste kotzen.
Zeitweilig versetzte ihn das Wissen über die bevorstehende Tortur in eine unangemessen gute Laune. Für den Bruchteil einer Sekunde war er sich gewiss, seinen Körper überlistet und sein Unterbewusstsein getäuscht zu haben. Seine winzige aktive Gehirnhälfte bemächtigte sich kurzeitig der Kontrolle über den etwas größeren passiv-intuitiven Teil. Für einen Augenblick spürte er geradezu seine Körperfunktionen bis in jede einzelne Faser. Herrlich. Er wusste bescheid. Was ihm sein Körper verriet war eindeutig: Ab ins Bad!
Das Bad befand sich am Ende des Flures und war mit wenigen Schritten zu erreichen. Die Entfernung selbst konnte kein Problem darstellen und auch das leichte Schwanken in seiner Bewegung wäre er im Stande gewesen zu überwinden. Ja, vielleicht würde er aufstehen, ins Bad hasten, sich übergeben und alles wäre in Ordnung. Vielleicht konnte er sogar aufstehen, aber es zu probieren erschien ihm zu riskant. Im Flur waren ja noch Leute. Erst mal abwarten, das wird schon wieder.
In dem Moment als Judith sein Zimmer betrat, beschäftigte er sich gerade mit dem Erbrechvorgang. Er sah sie hereinkommen, wollte aufstehen und erklären:
„Ich bin zwar betrunken. Doch das ist ne Ausnahme. Siehst ja, dass ich nichts vertrage.“ Ach so, und: „Tut mir leid, aber es geht mir gerade nicht so gut.“ Judith würde schon verstehen. „Ist mir echt peinlich, gerade vor dir. Scheiße. Das hab ich ja nicht gewollt. Hätte ich die Chance, alles noch mal gut zu machen, alles zurückzudrehen und heute Abend noch ma anzufangen, ick würd’ dit tun. Würde...“ Sie fiel ihm ins Wort. –„Schade du, ich weiss noch nich ma deinen Namen. Tschüssi dann."
All das blieb aber ungesagt, er fiel würgend zurück in Richtung Boden und Judith verließ ohne weitere Worte seine Wohnung und damit für immer sein Leben. Sie hatte diesen jungen Menschen in einer von ihm ausgespukten Masse liegen sehen, hat ihn beobachtet wie er sich den gesamten Abend ein Glas nach dem anderen hineinkippte, wie er den Gin nur so verschlang. Und selbst wenn sie wiederkommen würde, er könnte sich nicht an sie erinnern. Er kann sich an so wenig erinnern.
Wenn er morgen früh am Sofa angetrocknet aufwacht, dann wird er wie an jedem neuen Tag sagen: „Jetzt ist Schluss. Nie wieder so ne Scheiße! Nie wieder so ne Nacht!“ Er weiß ganz genau, diese Abende sind schlimm, doch sicher ist auch: Irgendwann ist sein Durst schlimmer.
Als ihm schlecht wurde, waren die meisten Gäste schon verschwunden. Er saß allein auf seinem Sofa und versuchte das Schwindelgefühl durch abwechselndes Öffnen und Schließen der Augen zu unterdrücken. Auf, zu, auf, zu, auf, zu, auf, zu. Es funktionierte nicht. Das hatte es nie. Nicht mehr lange und er müsste kotzen.
Zeitweilig versetzte ihn das Wissen über die bevorstehende Tortur in eine unangemessen gute Laune. Für den Bruchteil einer Sekunde war er sich gewiss, seinen Körper überlistet und sein Unterbewusstsein getäuscht zu haben. Seine winzige aktive Gehirnhälfte bemächtigte sich kurzeitig der Kontrolle über den etwas größeren passiv-intuitiven Teil. Für einen Augenblick spürte er geradezu seine Körperfunktionen bis in jede einzelne Faser. Herrlich. Er wusste bescheid. Was ihm sein Körper verriet war eindeutig: Ab ins Bad!
Das Bad befand sich am Ende des Flures und war mit wenigen Schritten zu erreichen. Die Entfernung selbst konnte kein Problem darstellen und auch das leichte Schwanken in seiner Bewegung wäre er im Stande gewesen zu überwinden. Ja, vielleicht würde er aufstehen, ins Bad hasten, sich übergeben und alles wäre in Ordnung. Vielleicht konnte er sogar aufstehen, aber es zu probieren erschien ihm zu riskant. Im Flur waren ja noch Leute. Erst mal abwarten, das wird schon wieder.
In dem Moment als Judith sein Zimmer betrat, beschäftigte er sich gerade mit dem Erbrechvorgang. Er sah sie hereinkommen, wollte aufstehen und erklären:
„Ich bin zwar betrunken. Doch das ist ne Ausnahme. Siehst ja, dass ich nichts vertrage.“ Ach so, und: „Tut mir leid, aber es geht mir gerade nicht so gut.“ Judith würde schon verstehen. „Ist mir echt peinlich, gerade vor dir. Scheiße. Das hab ich ja nicht gewollt. Hätte ich die Chance, alles noch mal gut zu machen, alles zurückzudrehen und heute Abend noch ma anzufangen, ick würd’ dit tun. Würde...“ Sie fiel ihm ins Wort. –„Schade du, ich weiss noch nich ma deinen Namen. Tschüssi dann."
All das blieb aber ungesagt, er fiel würgend zurück in Richtung Boden und Judith verließ ohne weitere Worte seine Wohnung und damit für immer sein Leben. Sie hatte diesen jungen Menschen in einer von ihm ausgespukten Masse liegen sehen, hat ihn beobachtet wie er sich den gesamten Abend ein Glas nach dem anderen hineinkippte, wie er den Gin nur so verschlang. Und selbst wenn sie wiederkommen würde, er könnte sich nicht an sie erinnern. Er kann sich an so wenig erinnern.
Wenn er morgen früh am Sofa angetrocknet aufwacht, dann wird er wie an jedem neuen Tag sagen: „Jetzt ist Schluss. Nie wieder so ne Scheiße! Nie wieder so ne Nacht!“ Er weiß ganz genau, diese Abende sind schlimm, doch sicher ist auch: Irgendwann ist sein Durst schlimmer.