Your home is your castle

Rhea_Gift

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Your home is your castle

"Die schwarze Fläche mit dem roten Punkt. Das ist die DDR", sagte meine Lehrerin . Und dass der rote Punkt Berlin war und zur Hälfte zu uns gehörte. Zur anderen den Russen. Eine Mauer geht mitten durch die Stadt. Mitten durch die Häuser. Auf der einen Seite der Bruder, auf der anderen die Schwester. Unvorstellbar.

Sonntags durften wir manchmal Agentenfilme gucken. Mit bösen Russen und schneidigen Amis in schönen Anzügen. Und dem besseren Auto.
Am Ende hat immer der Ami mit dem charmantem Lächeln gewonnen.
"Die wissen nicht, was eine Banane ist. Und die bespitzeln sich da alle gegenseitig. Man muss da nämlich aufpassen, dass man nichts gegen die Regierung sagt. Sonst kommt man ins Gefängnis... " seufzte mein Vater.
Seit dem taten mir sie mir leid, die in der DDR. Die noch nicht einmal wussten, was eine Banane ist.

"Your home is your castle", sagte meine Mutter und scheuerte mir eine. "Man redet nicht schlecht über seine Eltern, wenn ich sowas noch einmal lese - dann steck ich dich ins Heim! Und jetzt ab auf dein Zimmer", schrie sie und zerriss den Brief.
Über mehrere Tage war ich nicht existent.

Dann fiel die Mauer. Kurz nachdem meine zwei Brüder ohne mir was zu sagen abgehauen waren. Natürlich hatte die Polizei sie gefunden und zurück gebracht.
Die Menschen tanzten auf der Mauer. In Massen strömten sie herbei, auf und über die Mauer, meine Eltern freuten sich sehr.
"Die sind jetzt frei..." strahlte meine Mutter.
Ich nickte etwas blöde.
 

Rhea_Gift

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Oben ist die gekürzte Version, man darf ja nur 250 Worte...
Die lange Version wäre diese:

Your home is your castle

"Die schwarze Fläche mit dem roten Punkt. Das ist die DDR."

Das sagte mir meine Lehrerin damals in der Grundschule. Und das war so ziemlich alles, was ich lange Zeit über die DDR wußte. Und dass der rote Punkt Berlin war und zur Hälfte zu uns gehörte. Zur anderen dem Feind. Den Russen. Die Allierten haben eine Mauer gezogen. Mitten durch die Stadt. Mitten durch Häuser. Auf der einen Seite der Bruder, auf der anderen die Schwester. Unvorstellbar. So unvorstellbar, wie ein Land, das einfach nur schwarz ist. Namenloses Dunkeldeutschland. Mit einem kleinen roten Punkt namens Berlin.

Sonntags kam die Familie immer zum Fernsehabend zusammen. Oft liefen Agentenfilme. Mit bösen grobschlächtigen Russen oder fiesen Nazis, die sich gegenseitig verrieten - und schneidigen Amis in schönen Anzügen. Und dem besseren Auto.
Am Ende hat natürlich immer der Ami mit dem charmantem Lächeln und der hübschen Frau an seiner Seite gewonnen.

"Die wissen nicht, was eine Banane ist. Und die können nie in Urlaub fahren. Wegen der Mauer. Da darf keiner durch. Und die bespitzeln sich da alle gegenseitig.Für die Stasi. Man muss da nämlich aufpassen, dass man nichts gegen die Regierung sagt. Sonst kommt man ins Gefängnis. Oder schlimmeres. Totale Kontrolle. Und die müssen 20 Jahre auf ihr Auto warten. Und alle fahren das gleiche. Das sind Zustände... " seufzte mein Vater.
Etwas später lernte ich, dass man das "Kalter Krieg", Krieg ohne Waffen, nennt - und das Auto Trabi bzw. Trabant. Und dass wir den Amis das Kaugummi, Cola und die Jeans verdanken.
Seit dem taten mir sie mir leid, die in der DDR. Die noch nicht einmal wussten, was eine Banane ist.

"Your home is your castle", sagte meine Mutter und scheuerte mir eine. Sie hatte den Brief meiner Brieffreundin aus Amerika geöffnet und gelesen. Und konnte sich gut denken, was ich wohl geschrieben hatte. "Man redet nicht schlecht über seine Eltern, wenn ich sowas noch einmal lese - dann steck ich dich ins Heim! Und jetzt ab auf dein Zimmer", schrie sie und zerriss den Brief.
Über mehrere Tage war ich nicht existent.

Ich habe mir einige Filme ansehen dürfen von unglücklichen Kindern in irgendwelchen Heimen, eingepfercht in kleine Säle mit vielen kleinen Gitterbetten und großen bösen Wächterinnen.
Die liefen meist vor den Agentenfilmen.

Wir sind nie zusammen in Urlaub gefahren. Nur an eine Ferienfreizeit in Österreich und am Steinhuder Meer erinnere ich mich - mit den Falken, natürlich ohne die Eltern. Und ein Kur, auch allein.

Dann fiel die Mauer. Kurz nachdem meine zwei Brüder ohne mir was zu sagen abgehauen waren. Als ob ich sie verraten hätte. Im Gegesatz zu meinem Bruder habe ich nie gepetzt. Dass ich vielleicht hätte mitkommen wollen... sie haben nicht gefragt. Natürlich hatte die Polizei sie gefunden und zurück gebracht. Fast wären sie im Heim gelandet.
Die Menschen tanzten auf der Mauer. In Massen strömten sie herbei, auf und über die Mauer, meine Eltern freuten sich sehr. Ich mich irgendwie auch.
"Die sind jetzt frei..." strahlte meine Mutter.
Ich nickte etwas blöde.

Ich habe dann einige von drüben kennen gelernt. Da war ich längst von zu Hause geflüchtet. Ossis sagte man jetzt zu denen. Was sie von zu Hause erzählten, kam mir nicht so fremd vor.
Bis heute kann ich nicht begreifen, warum man die DDR schwarz zensiert hat. Bis auf einen kleinen roten Punkt namens Berlin.
Dafür verstehe ich eine Menge von Mauern. Vor allem von denen in unseren Herzen. Und vom kalten Krieg.
Nicht zu wissen, was eine Banane ist, was ist das schon? Allein sein kann man überall auf der Welt. Das hab ich spätestens mit 20 begriffen.

Pflege deine Narben, denn sie zeigen dir, dass die Vergangenheit einmal Gegenwart gewesen ist. Meine Freundin in Gotha hat einen Stein von der Mauer. Ich habe immer noch das kleine Notizbuch, das meine Mutter nie gefunden hat.
Und in dem mein erstes Gedicht steht, dass ich je geschrieben habe.
 



 
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