Na gut!
Für Frankk und Suzah.
Nun habt ihr euch soviel Zeit für mich genommen. Und weil ihr beide das getan habt, schreibe ich mal fix die Auflösung, die Geschichte also, wie sie als Ganzes ausgesehen hätte.
Für alle anderen ist das Lesen verboten!
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„Man Lisa, nun mach schon, Mama wartet!“
„Ja, ja, ich komm ja schon, aber die neuen Bezüge mussten sein.“
„Davon fährt die Kiste aber auch nicht schneller Schatz und meine Ängste werden nicht weniger!“
„Blödmann!“
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Bernhard und Lisa sind nun schon ein ganzes Jahr Mann und Frau. Die Wohnung ist eingerichtet und auch den ersten Urlaub hatten sie hinter sich. Beide hatten gut bezahlte Jobs und zusammen mit dem Geld, was sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten war es endlich soweit und sie konnten sich ihren ersten Neuwagen kaufen. Das hatten sie auch getan und nun stand ein funkelnagelneuer Flitzer im Hof. Die Farbe durfte Lisa aussuchen. Sie hat weiß gewählt. „Weiß ist die Farbe der Unschuld“, behauptete sie und Bernhard feixte ihr zweideutig ins Gesicht. An seinem Grinsen erkannte sie schnell, was gerade wieder mal in seinem Männerkopf vor sich ging, und musste auch lächeln. „Ja, die Sitze kann man umklappen du Mann du“, sagte sie. Als sich Bernhard auf den Beifahrersitz schwang und Lisa hinterm Lenkrad Platz genommen hatte, bekreuzigte er sich noch einmal. Das tat er natürlich so, dass es Lisa auch bemerkte. „Du bist so doof“, murmelte sie und würdigte ihn keines Blickes. „Es war so abgesprochen mein Lieber, die erste Fahrt mache ich, also hör jetzt endlich auf mit dem Quatsch.“
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Seit mittlerweile drei Monaten hatte sie ihren Führerschein schon und nicht ein einziges mal gab es die Gelegenheit am Steuer zu sitzen. Genau an dem Tag, als sie mit dem noch nach Druckerschwärze riechenden Führerschein nach Hause kam, hatte Bernhard das alte Auto verkauft. Das Neue sollte dann am nächsten Tag abgeholt werden. Leider verzögerte sich die Auslieferung dann doch um fast drei Monate. In Frankreich streiken die Autobauer, war das Argument des Verkäufers und man bot ihnen einen Leihwagen an. Dieses Angebot hatten sie aber ausgeschlagen. Es gab in jener Zeit kein Ziel, das es erforderlich machen würde, ein Auto zu besitzen. Somit fuhren sie also drei Monate Fahrrad und ließen sich Woche für Woche vertrösten. Als Service stellten dann die Jungs vom Autohaus ihr neues „Unschuldsmobil“ mit einer großen Schleife versehen, eines Abends vor ihre Tür. Eine schöne Geste, über die sich Lisa wirklich freute. Auch Bernhard freute sich, jedenfalls tat er so, denn eingefädelt hatte er das Ganze.
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Nun also war es soweit, sie waren eingeladen. Bernhards Mutter erwartete sie zu Kaffe und Kuchen. Es war ein schöner Tag, die Sonne schien und es waren nur ca. einhundertfünfzig Kilometer durch die Eifel. „In ungefähr zwei Stunden sind wir da Mama, ich freu mich auf dich und deinen Kuchen“, sprach Lisa noch einmal ins Telefon, bevor sie sich ans Lenkrad setzte. Bernhard beobachtete aus den Augenwinkeln sehr genau wie sich seine Süße die Spiegel einstellte, den Sitz nach vorne schob, wie sie sorgfältig den Sicherheitsgurt anlegte und noch schnell im Spiegel der Sonnenblende, mit der Zunge über ihre Lippen fuhr. Sie fuhr besser als Bernhard es erwartet hätte und schon nach zwanzig Kilometern, begann er sich zurück zu lehnen und schaute sich die Landschaft an.
„Die Eifel ist der Himmel auf Erden Lisa“, sagte er mehr zu sich selbst als zu Lisa.
„Pah, antwortete sie, der Himmel ist viel schöner.“
„Woher willst du das denn wissen Schatz?“
„Ich weiß es eben, antwortete sie.“
„Und woher, wenn ich fragen darf?“
„Von Oma, von meiner süßen Oma, die jetzt im Himmel wohnt und auf mich aufpasst Schatz.“
Diesen Satz konnte sie kaum aussprechen, denn schon standen ihr wieder Tränen in den Augen. Das war immer so, wenn die Rede auf ihre Großmutter kam.
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Lisas Oma war vor ein paar Wochen gestorben und sie litt sehr darunter. Solange sich Bernhard und Lisa kennen, telefonierten die beiden täglich miteinander oder verabredeten sich zum Kaffe.
Lisa ist von ihrer Oma aufgezogen worden und hatte bei ihr wirklich den Himmel auf Erden. Ihre Eltern waren mit der Kindererziehung vollkommen überfordert gewesen und hatten kaum Zeit für das Kind. Aus einem Wochenendbesuch bei der Oma wurden dann weitere, sie verlebte ihren Urlaub dort, blieb auch mal einen ganzen Monat und wurde wie ein Zirkuskind an der örtlichen Schule unterrichtet. Bald spielte sich ihre gesamte Kindheit bei der Oma ab und keinem ist dieser Wechsel so richtig aufgefallen. Die Besuche ihrer Eltern ließen nach und sie sahen sich am Ende nur noch einmal im Jahr. Vermisst hat sie ihre Eltern nie.
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„Oma sagte immer zu mir: Der Himmel ist genauso wie du ihn Dir vorstellst Lisa!“
„Mein Himmel ist also so, wie ich ihn mir vorstelle?“ Bernhard schaute ein wenig irritiert in Lisas Gesicht, darüber hatte er noch niemals nachgedacht. Alles, was nichts mit der Realität zu tun hatte, verspottete er. Er hasste Horoskope, Weissagungen, Handlesen und all die Geschichten, die sich um die Mondlandung rankten.
„Soll, ich dir sagen, wie mein Himmel aussieht Lisa, soll ich dir sagen, wie ich es mir da oben vorstelle?“
„Na dann mach mal, antwortete sie, ich bin gespannt.“
Er schwieg einen kleinen Moment und dachte sich diese Geschichte aus.
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Wenn ich dort oben ankomme, wird es bestimmt still sein. Ich wette, dass die Sonne scheinen wird. Bestimmt wird mich jemand in Empfang nehmen und mir sagen, was ich für ein toller Kerl bin. Sicher wird er mir noch die Stationen meines Lebens zeigen. Vielleicht mit nem Bus durch meine Vergangenheit kurven. Bestimmt zeigt er mir auch noch die Person, die an meinem Tod Schuld ist, denn an Altersschwäche sterbe ich nicht, niemals. Irgendein Idiot wird mich bestimmt killen, mich von ner Brücke schubsen oder mit nem Auto umfahren.
„Übrigens, Lisa, rase nicht so, wir haben Zeit, ich hab keine Lust als Hackepeter hier von innen an der Windschutzscheibe zu enden.“
„Ja, ja du toller Kerl“, sagte Lisa lachend. „Wer weiß, ob du überhaupt in den Himmel kommst?“
„Verlass dich drauf Lisa und wenn es an den Himmels -oder Höllenpforten Unstimmigkeiten geben wird, werde ich dich anrufen und bitten, mir Beistand zu leisten.“
„Ich?“, fragte Lisa erstaunt und fuhr schon wieder schneller als erlaubt.
„Ja du“, erwiderte Bernhard, schaute nachdenklich geradeaus und hörte Lisa zu.
„Was könnte ich denn Tolles von dir erzählen mein Schatz, was sollte ich denn deiner Meinung nach Entlastendes von dir zur Verteidigung hervorbringen, damit du nicht in die Hölle kommst?
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Bevor Bernhard antwortete, bat er Lisa noch einmal darum etwas langsamer zu fahren.
„Du könntest den Leuten da oben sagen, dass ich ein Traummann bin, ein Mann der dich auf Händen trägt, ein Mann, der einen Fluxkompensator in sich trägt und mit jeglicher Energie dir jeden Wunsch zu jeder Zeit von den Augen abliest und ihn dir erfüllt. Du könntest sagen, dass dir niemals vorher jemand begegnet ist, der noch besser zu dir passt, als deine süße Oma. Das könntest du sagen und noch viel mehr.
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Als diese Worte fielen, schaute er Lisa nicht an, spürte aber, dass sie ihm aufmerksam zuhörte. Als er aufgehört hatte zu reden, bremste sie, fuhr rechts ran, schnallte sich ab und warf sich Bernhard an den Hals. „Ja Schatz, sprach sie, das werde ich sagen und noch viel mehr.“ Ihr Kuss schmeckte immer noch etwas salzig nach ihren eigenartigen Kaugummis. Als nach einer halben Stunde alle Lippen leergeküsst und die Klamotten wieder geordnet waren, stellte Lisa den Sitz wieder hoch, sprang noch einmal kurz aus dem Auto, um auch ihre Sachen zu ordnen.
„Du hast den schönsten Hintern der Welt!“, rief ihr Bernhard aus dem Auto zu.“
„Ich weiß, rief sie zurück, du musst auch immer schön drauf aufpassen Liebling.“
„Versprochen“, flüsterte er ihr ins Ohr, als sie sich im Auto wieder anschnallte.
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Es machte Spaß durch die Eifel zu fahren und die Kurven lockten das Gaspedal. Lisa konnte nicht widerstehen. Der entgegenkommende Sportwagen wohl auch nicht. Das Unschuldsauto raste auf die Leitplanken zu und das Blech der Straßenabsperrung glitt wie Butter durch das Auto. Bernhard hatte keine Chance, das Letzte was er sah, war das Schild einer Bushaltestelle.