Ein Mädchen verschwindet (gelöscht)

Status
Für weitere Antworten geschlossen.
K

KaGeb

Gast
Hallo,

ich finde den Text interessant, das offene Ende super (im Zusammenhang mit der Überschrift), aber den beschriebenen "Weg" zu lang, vor allem ihre "dreieckigen" Gedankengänge, die ich ohne weiteren Hinweis auf die Grundlage (ist sie eine Mathematikerin? ...) nicht so richtig zuzuordnen vermag. Für mich passt das nicht zum Ernst der Thematik und lenkt "Leser" (mich) auch ab.

Womöglich wäre der Text - in "Gegenwart" geschrieben, authentischer.

Liebe Grüße
 

Val Sidal

Mitglied
Ofterdingen,

dein Spiel mit den beiden Polen des Erlebens (Ratio und Emotion - wenn man so will, hier durch die beiden sprechenden männlichen Figuren vertreten), wie sie sich im genitalen Bedürfnis (vielleicht die stumme dritte Figur?) kreutzend, das Licht des Lebens aufleuchten oder ausknipsen lassen können, gefällt mir.

Eine story über die gefährlichste und mächtigste Sucht: die Sehnsucht nach Liebe.
Und das ewige Drama: der Untergang der Verfunft im Kampf mit dem Trieb.
Das Verschwinden ist mehrdeutig: tot oder lebendig, aber kein Mädchen mehr.

Der Text könnte die Intention intensiver umsetzen. Hier einige schnelle Vorschläge:

Sie fuhr mit der letzten U-Bahn [blue][strike]der Linie 5[/strike] [/blue]Richtung Neuperlach, denn sie hatte sich dort eingemietet. Manche ihrer Bekannten nannten Neuperlach ein „Glasscherbenviertel“, wo eine junge Frau nachts besser nicht alleine nach Hause gehen sollte. Doch sie fürchtete sich nicht, denn München war keine gefährliche Stadt wie Rio, Berlin oder Frankfurt, und in den Straßen, die zu ihrer Wohnung führten, fühlte sie sich sicher.

Sie fuhr allein[strike][blue], ohne einen festen Freund, der sie[/blue] [/strike]nach Hause[blue][strike] brachte[/strike][/blue]. Obwohl sie[blue][strike] erst zwanzig war und [/blue][/strike]jung und frisch aussah, waren ihre Versuche, einen festen Freund zu finden, regelmäßig gescheitert, wahrscheinlich, weil sie zwar ein hübsches Gesicht, aber ein bisschen zu dicke Beine hatte.[strike][blue], und d[/blue] [/strike]Da nützte es wenig, dass sie sich [blue][strike]selber als[/strike] [/blue]für eine liebe und kluge Person hielt[blue] [strike]einschätzte, denn d[/strike][/blue]Das interessierte die Kerle nicht[blue].[strike], sondern d[/blue][/strike]Die schauten immer als erstes auf ihren Po und der war, na ja, vielleicht ein wenig zu weich und zu füllig.

Sie betrat als Einzige den U-Bahn-Waggon. Nach ihr stiegen an verschiedenen Haltestellen drei Männer ein, von denen sich zwei links und rechts vor ihr hinsetzten, die Gesichter ihr zugewandt, und der dritte saß genau in ihrem Rücken. Wäre da bloß der eine hinter ihr gewesen und sonst keiner, hätte sie sich sicherlich unbehaglich gefühlt, aber so waren es drei, die [blue][strike]sich nicht kannten, [/strike][/blue]sich gegenseitig austarierten, und sie fühlte sich in dem Dreieck, in dem sie sie einschlossen, beinahe geschützt .

Ihr eigenes Dreieck stand dem sie umschließenden entgegen[blue].[strike], und während es, w[/strike]W[/blue]enn sie stand oder ging, wies es in die tieferen Schichten der Welt hinab[blue].[strike], i[/strike]I[/blue]m Sitzen, zeigte es jetzt fast horizontal und, wie sie beschämt feststellte, unternehmungslustig oder zumindest neugierig auf ihre Umgebung im U-Bahn-Waggon. Zum Glück war ihr Dreieck verborgen, und doch wünschte sie sich heimlich, es freizulegen[blue][strike], [/strike]und[/blue] sich auszuziehen[blue]:[strike]. Damit [/strike][/blue] es ein sichtbarer Teil der Geometrie dieser Nacht[blue][strike].[/strike] werden zu lassen[/blue].

In der Schule hatte sie Geometrie gehasst, überhaupt die ganze Mathematik, weil diese trocken und langweilig irgendwelche nüchternen Linien zog, während sie [blue][strike]sich selber und[/blue][/strike] die Welt in einem Rausch ihrer [blue][strike]von[/strike] Gefühle[strike]n[/strike][/blue] erlebte, die um Ausdruck rangen und deren Verheißungen ihr wie Leuchtschrift am Himmel erschienen.

Jetzt [blue][strike]also war sie unversehens zur Geometrie zurückgekehrt, denn sie [/strike][/blue]hatte sie entdeckt, dass die Geometrie ihrer Linien sich nicht in irgendeiner abstrakten Leere verloren, sondern sich [blue]in ihr kreuzten [/blue]und [blue] [strike]zu ihr selber hinführten[/strike][/blue], Muster sichtbar machten, in denen ihr Leben hing.

Während sie in der Mitte des sie umgebenden Dreiecks mit der Vorstellung liebäugelte, dass sie das Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit war, begann sie, die höchst ungewöhnliche Geometrie und mit Hilfe der Anatomie ihres Gesichts vorzuführen. Sie zog zuerst den rechten Mundwinkel in Richtung rechtes Ohr und schob dann den Rest ihres Mundes hinterher, bis dieser nur noch ein [strike][blue]paar[/blue] [/strike]wenige Zentimeter vom Ohr entfernt war. Danach wiederholte sie die Prozedur zum linken Auge hin, an der Nase vorbei, was völlig unglaublich aussah, weil das außer ihr niemand geschafft hätte. So ließ sie ihre Lippen und ihren Mund unaufhörlich über ihr Gesicht wandern, bis der eine der vor ihr Sitzenden sie ansprach[blue]:[strike].[/strike][/blue]

„Wo haben Sie das gelernt?“[blue] [strike]fragte er. [/strike][/blue]

Sie fand[blue], [strike]die Frage phantasielos, unbeholfen, töricht, außerdem war ihr [/blue][/strike]der Mann war zu alt, mindestens schon vierzig. Sie verzog deshalb nur einfach weiter ihren Mund und antwortete [blue][strike]ihm [/strike][/blue]nicht.

„Ich habe Sie etwas gefragt“, setzte der Mann nach.

„Und sie hat nicht geantwortet, und ich verstehe das“, hörte sie nun den Mann hinter ihr.

Sie drehte sich dankbar um, sah, dass der Typ zwar ein paar hässliche Tattoos auf den Armen und auf seinem kahlrasierten Schädel hatte;, aber er war jung und er hatte sie verteidigt, obwohl ihm ihre ein bisschen zu dicken Beine bestimmt nicht entgangen waren.

Würde sie sich von ihm nach Hause begleiten lassen? Ja, sagte sie sich, würde sie schon. Und wenn er dann in die Wohnung mitkäme? Auch das, [blue][strike]dachte sie,[/strike][/blue] wäre ihr recht. Der vor ihr Sitzende hatte mit seiner dummen Frage das Dreieck zerstört und jetzt würde sie sich an der einen Ecke festkrallen müssen, die ihr noch Halt bot.

„Ich steige in Neuperlach aus“, sagte sie zu dem Tätowierten.

„Ist gut. Ich auch“, erhielt sie zur Antwort.

[blue][strike]Auch a[/strike]A[/blue]n diesem Abend[blue] [strike]hatte[/strike] würde[/blue] sie [blue][strike]wahrscheinlich[/blue[/strike]] vielleicht[blue][strike]keinen festen Freund finden, doch[/blue[/strike]] immerhin einen Mann, der sie nach Hause begleitete finden.
Die Vorschläge sind reine Geschmackssache.
Wenn nix passt, dann - Pardon.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Verstehe ich leider nicht. Ein recht naives Mädchen, das ihr Dreieck, schön doppeldeutig oder besser eindeutig, gern zeigen würde - in einer Bahn mit einem Dreieck fremder Männer. Angesichts von Überfällen und Vergewaltigungen finde ich das Ganze eher misslungen.
LG Doc
 

Ofterdingen

Mitglied
Danke für das Lob, KaGeb.

ihre `dreieckigen´ Gedankengänge, die ich ohne weiteren Hinweis auf die Grundlage (ist sie eine Mathematikerin? ...) nicht so richtig zuzuordnen vermag.

Muss man wirklich gleich ein Mathematiker sein, um Assoziationen Richtung Geometrie zu haben?

Für mich passt das nicht zum Ernst der Thematik und lenkt "Leser" (mich) auch ab.

Es soll Leute geben, die Mathematik sehr ernst nehmen. Würde das Geometrische komplett herausgelöst, wäre der Text zerstört.

Womöglich wäre der Text - in "Gegenwart" geschrieben, authentischer.

Das mag sein. Ich werde darüber nachdenken, das Tempus mal probeweise verändern.


Vielen Dank auch dir, Val Sidal, für das genaue Lesen. Mit den meisten deiner Vorschläge kann ich etwas anfangen. Sie zielen auf Straffung und Verschlankung und damit auf eine stärkere Wirkung des Textes. Ich warte jetzt erst einmal ab, welche Vorschläge ich in der LL und im Bekanntenkreis noch bekomme und stelle dann eine überarbeitete Version hier rein. Es soll berühmte Autoren geben, die einzelne Texte über fünfzig Mal bearbeitet haben (z.B. Hemingway). Zum Glück bin ich nicht berühmt, komme mit weniger aus. Doch vielleicht lasse ich die Geschichte erst einmal längere Zeit liegen und schaue sie mir dann noch einmal an.


Danke auch dir, DocSchneider. Sonst schätze ich sehr deine Kritik aufgrund von literarischen Kriterien. Davon könnte es hier ein wenig mehr sein, finde ich.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Ofterdingen, auf literarische Kriterien kommt es mir hier nicht so an, das Ganze ist für mich eher eine Kurzgeschichte (unvermittelter Anfang, offener Schluss) denn Kurzprosa. Ich habe hier eher ein Problem mit dem Inhalt, das Mädchen drängt sich förmlich in eine Situation hinein, die lebensgefährlich werden könnte.
Da ist man als Leser geneigt zu sagen: Selbst schuld, wenn sie verschwindet, aber das ist kein Argument, wenn das Kind erstmal in den Brunnen gefallen ist.
Sehnsucht nach Liebe ist zu wenig, für mich steht einfach eine unvorstellbare Naivität im Vordergrund.
Aber Du siehst, ich habe mich mit dem Text mehrfach beschäftigt, was für ihn spricht, also ich warte mal ab, was Du noch daraus machst.
LG Doc
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.



 
Oben Unten