Tag 1
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Dieser Spruch ging mir in den letzten Tagen nach meinem einwöchigen Stadturlaub durch den Kopf.
Diesmal war Hamburg unser Ziel. Wir wollten eine Woche auf den Spuren von Hans Albers wandeln. Unsere Wahl fiel auf ein Hotel in direkter Bahnhofsnähe , da wir mit dem ICE anreisten und für unsere geplanten Ausflüge gute Anbindungen zur S-und U-Bahn benötigten.
Das es in diesem Urlaub überhaupt nicht so laufen würde wie geplant, spürte ich bereits nach der Ankunft auf dem Weg zum Hotel. In der Hotelbeschreibung hatte gestanden, dass sich das Hotel in einem lebhaften Viertel befinden würde. Das war die Untertreibung des Jahrhunderts.
Wir kamen an großen Wiesen vorbei, auf denen sich viele Menschen tummelten. Es wirkte zunächst so, als würden sie sich zu einer Demonstration treffen. Bei näherem Hinsehen konnte man jedoch erkennen, das es sich um Menschen handelte, die von der Gesellschaft ausgeschlossen und vergessen wurden. Es waren Bettler, Junkies und Obdachlose.
Dann änderte sich das Bild ca. 500m vor unserer Unterkunft. Nun befanden wir uns in einer ganz anderen Welt. Hier hatten ausschließlich Migranten ein Zuhause gefunden. Menschenmassen schoben sich dicht aneinander gedrängt an unzähligen kleinen Läden vorbei.
Da es in unserer Urlaubswoche sehr heiß war, mussten wir unser geplantes Ausflugsprogramm ändern. Das tat der Reise allerdings keinen Abbruch, denn dadurch konnten wir uns ganz auf unsere Umgebung und die Menschen die wir kennenlernten einlassen.
Unser Hotelzimmer war noch nicht fertig und so entschlossen wir uns spontan zu einem längst überfälligen Friseurbesuch.
Wir kamen an mehreren Friseurgeschäften vorbei, die uns aber nicht zusagten. In einer kleinen, etwas abseits vom Trubel gelegenen Seitenstraße wurden wir dann fündig.
Wie es der Zufall so will, stand der Friseur gerade vor seinem Geschäft und nahm ein Paket entgegen. Ein Blick genügte mir völlig und ich wusste, hier sind wir in guten Händen. Er strahlte Zuversicht und Sympathie aus. Ich fragte ihn, ob er uns auch ohne Termin die Haare schneiden würde und er sagte nach einem kurzen Blick in den Terminkalender sofort zu.
Schnell kamen wir ins Gespräch. Sein Name war Hamid und er kam aus Afghanistan. Er war jetzt seit 5 Jahren in Deutschland. Das konnte ich kaum glauben, denn ich verstand ihn wirklich sehr gut. Für mich war es eine große Freude, mich endlich wieder einmal mit jemandem über Afghanistan zu unterhalten, da dies auch die Heimat meines verstorbenen Onkel Ali war. Wir stellten schnell fest, das sich unsere politischen und auch gesellschaftlichen Ansichten ähnelten. Wir unterhielten uns ausgiebig über das Leid der Frauen unter der Herrschaft der Taliban aber auch darüber, das dieses Land niemals zur Ruhe kommen wird.
Er erzählte mir aber auch, das sich sein Respekt Frauen gegenüber seit er in Deutschland lebte noch verstärkt hätte. Als ihn seine Schwester besuchte, wollte sie ihn, wie sie es schon immer getan hatte, bedienen. Doch er ließ es nicht zu. Stattdessen sagte er zu ihr, jetzt sei er an der Reihe, für sie zu sorgen.
Wir sprachen darüber, das Frauen in Afghanistan keine Zukunft haben. Man hat ihnen alles genommen. Sie können keine Schule mehr besuchen und auch ihr Studium oder ihre Ausbildung nicht mehr beenden.
Da Hamid noch sehr jung war , fand ich es ganz toll, das er genau wusste, wie er seine Zukunft gestalten wollte. Wenn man sich vorstellt, das er innerhalb von 5 Jahren seine Ausbildung und die Meisterprüfung absolvierte. Außerdem musste er auch noch die deutsche Sprache erlernen. Das Geschäft hatte er während der Corona-Pandemie erworben.
Es hat mich sehr gefreut einen so netten, ehrgeizigen und zielstrebigen jungen Mann kennengelernt zu haben und möchte diese Begegnung um nichts auf der Welt missen.