brennende Kinder
Lieber Manfred,
ich gebe noch nicht auf, Dein Gedicht beschäftigt mich; so soll es sein.
Auch ohne brennende Kinder in Syrien, auch ohne Flammen in Deutschland - die sind durchaus latent vorhanden - muss sich politisch intendierte Lyrik durch Konsistenz oberhalb des Tagesgeschehens auszeichnen.
Meine Schwierigkeit mit Deinem letzten Vers entsteht sozusagen aus einem Missverhältnis, man könnte auch sagen aus einer unglücklichen Beziehung zwischen lyrischer Stimmung und lodernder Realität:
Da ist einer, der hat Befürchtungen, der misstraut diesem Land, wundert sich über die Stille; ein durchaus vorsichtiger, aber leidenschaftlicher Beobachter,
"aus dem Garten"
in den ich mich zunächst gut hinein versetzen kann. Doch nach sehr wenigen Versen endet seine lyrische Phantasie unvermutet in brennenden Kindern. Hier knallt Dein Gedicht auf das Tagesgeschehen, die (politische) Stille in diesem Land bewegt sich weit darüber.
Ich bin mir sicher, Du willst Deinem Leser voller Absicht ein Ende mit Bruch zumuten, das ist bewusst inszeniert, kommt aber in meiner Wahrnehmung zu heftig und ohne Nachklang daher.
Mein erster Vorschlag war Dir zu wenig intensiv, die Kinder sollen brennen, körperlich brennen, nicht geistig, dann gäbe es keinen Grund zur Befürchtung. Hier mein zweiter Vorschlag:
Den letzten Vers durch Leerzeile vom übrigen Gedicht trennen, das verschafft dem "leidenschaftlichen" Leser zumindest einen kurzen Atemzug, das verstärkt sogar die gewollte Inszenierung.
So still
ich misstraue diesem Land
kein Laut
aus dem Garten
und hinter den Hügeln
die Kinder vielleicht
stehen sie in Flammen
Herzliche Grüße
Bernd Sommer