Der Garten grünte und blühte. Millionen kleiner Blüten verschwammen zu Wolken, in denen Punkte größere Blumen eingebettet waren, die manchmal ganze Bukets umfingen und die wie ein Farbrauschen die Sinne einlullten. Taket ließ das Rauschen an sich vorbeigleiten, blickte flüchtig auf flammend rote oder magisch blaue Akzente und dachte im übrigen an etwas ganz anderes. An ihre Arbeit. Selbst hierher verfolgte sie das Problem, wie sie die Wirbeltrimmung dieses vermaledeiten Shuttles dazu bringen konnte, mit den warénischen Krümmungssensoren zu kommunizieren, ohne dabei im Andruckdämpfer dieses unsägliche Schwingen auszulösen. Taket wusste, dass es ganz einfach sein musste, dass sie dem entscheidenden Punkt ganz nahe war, aber immer, wenn sie glaubte, ihn formulieren zu können, entschwand ihr der rettende Gedanke.
„Entspann dich!“, sagte Paulsen und breitete die Arme aus. „Schau dich um! Genieß das hier!“
Taket blickte zu ihm herab. Der Mensch gab sich alle Mühe, sie abzulenken, und sie war ihm wirklich dankbar dafür. Aber so einfach war das eben nicht, als Krt war sie dem Wesen nach ein Arbeitstier. Individuelle Entspannung und Erholung sah ihr biologischer Schaltplan nicht vor.
„Nein ehrlich“, sagte Paulsen und schaute auf, „du musst abschalten lernen, Kleine! Ich weiß ja nicht, wie ihr das zu Hause macht, aber wenn du Königin bist, musst du auch Prioriäten setzen können. Dein Volk hat nichts davon, wenn du dich an einer Aufgabe verbeißt.“
„Mein Volk hat auch nichts davon, wenn ich Probleme nicht lösen kann.“
„Dafür sind dann deine Männer da, Schätzchen. Und die Arbeiterinnen.“
Taket knirschte verärgert mit den Kauzangen. „Taket, die Brutmaschine, ich weiß.“
„So ein Quatsch! Du weißt, dass Krt-Königinnen anders sind. Ich hätte dir die Filme nicht zeigen dürfen. Irdische Bienen und Ameisen sind keine Krt. Nacktmulle sind ein besserer Vergleich, nur dass du als Königin halt nicht allein für den Nachwuchs sorgen musst. Deine Vorfahrin, die große Taket, hatte nur acht leibliche Töchter und zwei Söhne! Die anderen Kinder des Staates …“
„… waren echte Kinder des Staates, ich weiß“, unterbrach ihn Taket.
„Genau! Und zwei Töchter davon …“
„… wurden sogar Königinnen, jaja. Sieh mal“, versuchte sie, von dem Thema abzulenken. „Da, diese Blume dort. Was ist das für eine?“
„Wo?“
Taket deutete auf einen blassblauen Kranz aus rundlichen Blütenblättern. Sie hatten einen perlmuttartigen Schimmer und umrahmten ein samtig dunkelgrünes Inneres. „Was ist das?“
Paulsen beugte sich herab und roch an der Blüte. „Keine Ahnung. Aber sieht schön aus.“
Taket nickte. „Sie ist wundervoll. Sieh nur!“ Über die Blütenblätter lief eine Welle von Licht, das Irisieren vertiefte sich und steigerte sich zu einem hypnotisierenden Eindruck von Räumlichkeit. Das samtgrüne Kissen nahm diesen Raum auf und führte ihn fort in einen schwarzgoldenen Schlund, der durch Raum und Zeit führte und in der Unendlichkeit auf eine Punkt puren Glücks stieß, der so berührt explodierte und in strahlendem Licht zurückschlug ins Jetzt und in Milliarden von Farben durch Takets Körper rieselte …
„Wow!“
… und erlosch wie Funken eines sterbenden Feuers.
„Wow! Das war ja … Wow!“
Taket fühlte die verlorene Glut. „Ja.“
„Das war cool, oder?!“
„Ja.“
Paulsen beugte sich herab zu der kleinen blassblauen Blume und musterte sie. „Das muss eine Wa’Iel’Tona sein. Sehr selten, wächst normalerweise nur in den Höhlen von Warén. Sehr scheu.“
„Scheu?“ Taket sah Paulsen an. „Eine Pflanze?“
„Nicht wirklich, es ist eine Art Pflanzentier oder Tierpflanze.“
„Woher weißt du das?“
„Ich hab zugehört, wenn mein Lehrer mir was erzählt hat. Im Gegensatz zu manchen Krt-Prinzessinnen.“
„Kann ich es mitnehmen?“
„Ich glaube nicht, dass es das übersteht. Es ist erstaunlich, dass es überhaupt hier wächst, so in der Öffentlichkeit.“
Taket hockte sich hin, um die Tierpflanze näher zu betrachten. Das Perlmuttschimmern ihrer Blütenblätter war zauberhaft, der grüne Samt schien jeden Moment wieder den Blick in die Tiefe freigeben zu wollen. Ein dicker Stengel stützte die Blüte, er war kurz und plump und schien aus dem Blatt der Karanischen Rose zu wachsen. Taket pflückte das Blatt und die Wa’Iel’Tona neigte ihr ihren Blütenkopf zu. Gemessen an menschlichen Gesten erschien es wie eine Frage, eine Bitte. Vielleicht – Schauer irisierender Reflexe huschte über die Blütenblätter – war es auch ein Lächeln von Dankbarkeit. Dann sank die Tierpflanze erschöpft in sich zusammen.
Die Monate vergingen und Wa’Iel’Tona wohnte bei Taket. Sie lebte von Wasser und Pflanzenresten und von den Blicken, die sie in den Schlund ihres Kelches ziehen konnte. Meist versickerte die grüne Tiefe irgendwo und ließ die Betrachter, die sich um die Wa’Iel’Tona versammelt hatten, auf halbem Weg zum Glück stehen. Doch schon die Ahnung dieses Punktes, das instinktive Wissen um die Explosion lockte immer wieder Gäste an. Manchmal hatte Taket den Eindruck, die Blicke, die in die Tiefe der Wa’Iel’Tona reichten, würden sie schmerzen. Wenn es zu schlimm war, verblasste der Glanz der Blütenblätter, und die Wa’Iel’Tona verbarg sich sogar vor ihr, Taket. Doch statt zu heilen, kümmerte sie mehr und mehr vor sich hin, bis sie in einer riesigen Kraftanstrengung erneut explodierte und für Bruchteile von Sekunden das Versprechen eines neuen Universums erschuf. Wenn sie danach zusammensank, völlig verausgabt, nah am Sterben, fühlte Taket sich ihr unendlich nah, empfand Zärtlichkeit für das hilflose Wesen und Dankbarkeit, dass sie an dem Versprechen hatte teilhaben dürfen. Sie nahm die Wa’Iel’Tona schützend in die Hand, damit ihre Berührung ihr Halt und Leben wiedergeben mögen, und sie wachte, bis der Perlmuttschimmer wieder aufschien. Anfangs dauerte es ein paar Minuten, später Stunden. Dann Tage. Wochen …
Der Garten grünte und blühte. Taket ging durch das Farbrauschen wie eine Maschine, die das Logische tat. Oder wie die Königin, die sie von morgen an sein würde. In ihrer Hand hielt sie Wa’Iel’Tona, die ihren Kopf an sie schmiegte. Die Blüte war beinahe farblos geworden, aber zumindest lebte sie noch. Taket beugte sich herab, setzte die Tierpflanze auf ein Rosenblatt und erhob sich. Die Blüte folgte ihrer Bewegung. Ein Anflug von Blau durchzitterte die Blütenblätter und das Grün der Mitte wurde samtig.
„Sie lächelt“, sagte Paulsen und legte Taket die Hand auf den Arm.
„Sie wird es nicht schaffen, oder?“
„Ich weiß nicht.“
Die Wa’Iel’Tona beugte ihr Haupt.
„Ich hätte sie nicht mitnehmen sollen. Ich habe sie getötet.“
„Ich weiß nicht. Du hast sie nicht gezwungen zu …naja … was immer das war. Wusstest du, dass man bisher immer dachte, die Wa’Iel’Tonas würden nur ab und zu leuchten?“
„Nein.“ Es interessierte sie auch nicht.
„Ja. Man vermutet, dass sie die Gegenwart von Bioenergie spüren und sich dabei … naja … wohl fühlen.“
„Die hier stirbt dabei.“
„Die anderen leuchten eben nicht so stark.“
Taket hockte sich nieder, um ihre Wa’Iel’Tona noch einmal nah zu sehen. „Wohlfühlen …“, wiederholte sie und betrachtete den Blütenkopf, der sich ihr entgegenhob. „Was meinst du Paulsen: War sie glücklich?“
„Entspann dich!“, sagte Paulsen und breitete die Arme aus. „Schau dich um! Genieß das hier!“
Taket blickte zu ihm herab. Der Mensch gab sich alle Mühe, sie abzulenken, und sie war ihm wirklich dankbar dafür. Aber so einfach war das eben nicht, als Krt war sie dem Wesen nach ein Arbeitstier. Individuelle Entspannung und Erholung sah ihr biologischer Schaltplan nicht vor.
„Nein ehrlich“, sagte Paulsen und schaute auf, „du musst abschalten lernen, Kleine! Ich weiß ja nicht, wie ihr das zu Hause macht, aber wenn du Königin bist, musst du auch Prioriäten setzen können. Dein Volk hat nichts davon, wenn du dich an einer Aufgabe verbeißt.“
„Mein Volk hat auch nichts davon, wenn ich Probleme nicht lösen kann.“
„Dafür sind dann deine Männer da, Schätzchen. Und die Arbeiterinnen.“
Taket knirschte verärgert mit den Kauzangen. „Taket, die Brutmaschine, ich weiß.“
„So ein Quatsch! Du weißt, dass Krt-Königinnen anders sind. Ich hätte dir die Filme nicht zeigen dürfen. Irdische Bienen und Ameisen sind keine Krt. Nacktmulle sind ein besserer Vergleich, nur dass du als Königin halt nicht allein für den Nachwuchs sorgen musst. Deine Vorfahrin, die große Taket, hatte nur acht leibliche Töchter und zwei Söhne! Die anderen Kinder des Staates …“
„… waren echte Kinder des Staates, ich weiß“, unterbrach ihn Taket.
„Genau! Und zwei Töchter davon …“
„… wurden sogar Königinnen, jaja. Sieh mal“, versuchte sie, von dem Thema abzulenken. „Da, diese Blume dort. Was ist das für eine?“
„Wo?“
Taket deutete auf einen blassblauen Kranz aus rundlichen Blütenblättern. Sie hatten einen perlmuttartigen Schimmer und umrahmten ein samtig dunkelgrünes Inneres. „Was ist das?“
Paulsen beugte sich herab und roch an der Blüte. „Keine Ahnung. Aber sieht schön aus.“
Taket nickte. „Sie ist wundervoll. Sieh nur!“ Über die Blütenblätter lief eine Welle von Licht, das Irisieren vertiefte sich und steigerte sich zu einem hypnotisierenden Eindruck von Räumlichkeit. Das samtgrüne Kissen nahm diesen Raum auf und führte ihn fort in einen schwarzgoldenen Schlund, der durch Raum und Zeit führte und in der Unendlichkeit auf eine Punkt puren Glücks stieß, der so berührt explodierte und in strahlendem Licht zurückschlug ins Jetzt und in Milliarden von Farben durch Takets Körper rieselte …
„Wow!“
… und erlosch wie Funken eines sterbenden Feuers.
„Wow! Das war ja … Wow!“
Taket fühlte die verlorene Glut. „Ja.“
„Das war cool, oder?!“
„Ja.“
Paulsen beugte sich herab zu der kleinen blassblauen Blume und musterte sie. „Das muss eine Wa’Iel’Tona sein. Sehr selten, wächst normalerweise nur in den Höhlen von Warén. Sehr scheu.“
„Scheu?“ Taket sah Paulsen an. „Eine Pflanze?“
„Nicht wirklich, es ist eine Art Pflanzentier oder Tierpflanze.“
„Woher weißt du das?“
„Ich hab zugehört, wenn mein Lehrer mir was erzählt hat. Im Gegensatz zu manchen Krt-Prinzessinnen.“
„Kann ich es mitnehmen?“
„Ich glaube nicht, dass es das übersteht. Es ist erstaunlich, dass es überhaupt hier wächst, so in der Öffentlichkeit.“
Taket hockte sich hin, um die Tierpflanze näher zu betrachten. Das Perlmuttschimmern ihrer Blütenblätter war zauberhaft, der grüne Samt schien jeden Moment wieder den Blick in die Tiefe freigeben zu wollen. Ein dicker Stengel stützte die Blüte, er war kurz und plump und schien aus dem Blatt der Karanischen Rose zu wachsen. Taket pflückte das Blatt und die Wa’Iel’Tona neigte ihr ihren Blütenkopf zu. Gemessen an menschlichen Gesten erschien es wie eine Frage, eine Bitte. Vielleicht – Schauer irisierender Reflexe huschte über die Blütenblätter – war es auch ein Lächeln von Dankbarkeit. Dann sank die Tierpflanze erschöpft in sich zusammen.
Die Monate vergingen und Wa’Iel’Tona wohnte bei Taket. Sie lebte von Wasser und Pflanzenresten und von den Blicken, die sie in den Schlund ihres Kelches ziehen konnte. Meist versickerte die grüne Tiefe irgendwo und ließ die Betrachter, die sich um die Wa’Iel’Tona versammelt hatten, auf halbem Weg zum Glück stehen. Doch schon die Ahnung dieses Punktes, das instinktive Wissen um die Explosion lockte immer wieder Gäste an. Manchmal hatte Taket den Eindruck, die Blicke, die in die Tiefe der Wa’Iel’Tona reichten, würden sie schmerzen. Wenn es zu schlimm war, verblasste der Glanz der Blütenblätter, und die Wa’Iel’Tona verbarg sich sogar vor ihr, Taket. Doch statt zu heilen, kümmerte sie mehr und mehr vor sich hin, bis sie in einer riesigen Kraftanstrengung erneut explodierte und für Bruchteile von Sekunden das Versprechen eines neuen Universums erschuf. Wenn sie danach zusammensank, völlig verausgabt, nah am Sterben, fühlte Taket sich ihr unendlich nah, empfand Zärtlichkeit für das hilflose Wesen und Dankbarkeit, dass sie an dem Versprechen hatte teilhaben dürfen. Sie nahm die Wa’Iel’Tona schützend in die Hand, damit ihre Berührung ihr Halt und Leben wiedergeben mögen, und sie wachte, bis der Perlmuttschimmer wieder aufschien. Anfangs dauerte es ein paar Minuten, später Stunden. Dann Tage. Wochen …
Der Garten grünte und blühte. Taket ging durch das Farbrauschen wie eine Maschine, die das Logische tat. Oder wie die Königin, die sie von morgen an sein würde. In ihrer Hand hielt sie Wa’Iel’Tona, die ihren Kopf an sie schmiegte. Die Blüte war beinahe farblos geworden, aber zumindest lebte sie noch. Taket beugte sich herab, setzte die Tierpflanze auf ein Rosenblatt und erhob sich. Die Blüte folgte ihrer Bewegung. Ein Anflug von Blau durchzitterte die Blütenblätter und das Grün der Mitte wurde samtig.
„Sie lächelt“, sagte Paulsen und legte Taket die Hand auf den Arm.
„Sie wird es nicht schaffen, oder?“
„Ich weiß nicht.“
Die Wa’Iel’Tona beugte ihr Haupt.
„Ich hätte sie nicht mitnehmen sollen. Ich habe sie getötet.“
„Ich weiß nicht. Du hast sie nicht gezwungen zu …naja … was immer das war. Wusstest du, dass man bisher immer dachte, die Wa’Iel’Tonas würden nur ab und zu leuchten?“
„Nein.“ Es interessierte sie auch nicht.
„Ja. Man vermutet, dass sie die Gegenwart von Bioenergie spüren und sich dabei … naja … wohl fühlen.“
„Die hier stirbt dabei.“
„Die anderen leuchten eben nicht so stark.“
Taket hockte sich nieder, um ihre Wa’Iel’Tona noch einmal nah zu sehen. „Wohlfühlen …“, wiederholte sie und betrachtete den Blütenkopf, der sich ihr entgegenhob. „Was meinst du Paulsen: War sie glücklich?“
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