Gernot Jennerwein
Mitglied
Jeden Tag sitzt er an der gleichen Straßenecke. Oftmals gehe ich an ihm vorbei, als würde ich ihn nicht bemerken, aber eines Tages bleibe ich stehen.
"Sagen Sie mein Herr, haben Sie denn keinen Hut?"
Er hebt seine Augen und sieht mich an. "Warum sollte ich einen Hut tragen?"
"Nicht zum Tragen", sage ich nachsichtig, "einen, den Sie vor sich auf das Pflaster legen, damit der eine oder andere wohlwollende Mensch sein Mitleid bekunden und es klimpern lassen kann. Eine kleine Schüssel aus Blech, wenn möglich arg verbeult, erfüllt denselben Zweck."
Er blickt mich erstaunt an. "Ich bin doch kein Bettler, wie kommen Sie auf diesen abwegigen Gedanken?"
"Ja, ich dachte …, ich glaubte …, was treiben Sie sonst hier auf der Straße?"
Beinahe mitleidig sieht er mich an. "Aha, so denken Sie also über mich. Da irren Sie aber gewaltig, mein lieber Freund. Ich sitze nur hier, weil ich überzählig geworden bin. Es hat mich im Leben ausgehoben und ich brauche mir darüber nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Keine Arbeit wartet auf mich und darum sitze ich hier. Es ist mein Glück und mit niemandem möchte ich tauschen."
"Aber sagen Sie", werfe ich ein, "stört es Sie denn nicht, wenn die Menschen immer so schräg auf Sie hinunter schauen?"
"Nein, keineswegs, es kommt immer darauf an, von welcher Seite man es betrachtet. Nehmen Sie Platz und sehen Sie selbst, mein Herr."
Ich schaue nach links und rechts und setze mich.
Als ich eine Zeit lang da so neben ihm sitze und hinauf zu den vorbeigehenden Menschen sehe, wird es mir begreiflich, was er meint. Auf einmal bin ich für niemanden von Interesse. Ein seltsames, leichtes Gefühl, das sich nirgendwo einordnen lässt, macht sich in mir breit.
Er bemerkt mein Staunen. Wir freuen uns zusammen und tuscheln hinter vorgehaltener Hand, wie zwei Verbündete, die mit ihrem Tuscheln alleine sein möchten.
Nach einer Weile sagt er zu mir, dass meine Kleider zu vornehm seien, und dass ich das Gefühl mit all seinen Vorzügen nicht richtig wahrnehmen könne. Aber er ist klug und weiß Rat. Wir tauschen unsere Sachen und ich gestehe mir ein, er hat recht. In seinen Lumpen finde ich es grandios.
Auf einmal steht er auf und sagt, er wolle sich die Füße ein wenig vertreten. Er geht davon und ich bleibe noch eine Weile.
"Sagen Sie mein Herr, haben Sie denn keinen Hut?"
Er hebt seine Augen und sieht mich an. "Warum sollte ich einen Hut tragen?"
"Nicht zum Tragen", sage ich nachsichtig, "einen, den Sie vor sich auf das Pflaster legen, damit der eine oder andere wohlwollende Mensch sein Mitleid bekunden und es klimpern lassen kann. Eine kleine Schüssel aus Blech, wenn möglich arg verbeult, erfüllt denselben Zweck."
Er blickt mich erstaunt an. "Ich bin doch kein Bettler, wie kommen Sie auf diesen abwegigen Gedanken?"
"Ja, ich dachte …, ich glaubte …, was treiben Sie sonst hier auf der Straße?"
Beinahe mitleidig sieht er mich an. "Aha, so denken Sie also über mich. Da irren Sie aber gewaltig, mein lieber Freund. Ich sitze nur hier, weil ich überzählig geworden bin. Es hat mich im Leben ausgehoben und ich brauche mir darüber nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Keine Arbeit wartet auf mich und darum sitze ich hier. Es ist mein Glück und mit niemandem möchte ich tauschen."
"Aber sagen Sie", werfe ich ein, "stört es Sie denn nicht, wenn die Menschen immer so schräg auf Sie hinunter schauen?"
"Nein, keineswegs, es kommt immer darauf an, von welcher Seite man es betrachtet. Nehmen Sie Platz und sehen Sie selbst, mein Herr."
Ich schaue nach links und rechts und setze mich.
Als ich eine Zeit lang da so neben ihm sitze und hinauf zu den vorbeigehenden Menschen sehe, wird es mir begreiflich, was er meint. Auf einmal bin ich für niemanden von Interesse. Ein seltsames, leichtes Gefühl, das sich nirgendwo einordnen lässt, macht sich in mir breit.
Er bemerkt mein Staunen. Wir freuen uns zusammen und tuscheln hinter vorgehaltener Hand, wie zwei Verbündete, die mit ihrem Tuscheln alleine sein möchten.
Nach einer Weile sagt er zu mir, dass meine Kleider zu vornehm seien, und dass ich das Gefühl mit all seinen Vorzügen nicht richtig wahrnehmen könne. Aber er ist klug und weiß Rat. Wir tauschen unsere Sachen und ich gestehe mir ein, er hat recht. In seinen Lumpen finde ich es grandios.
Auf einmal steht er auf und sagt, er wolle sich die Füße ein wenig vertreten. Er geht davon und ich bleibe noch eine Weile.