Eckbank

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Lesemaus

Mitglied
Hallo Ralf, hat mir gut gefallen, die Milieustudie, und die träumenden Zehen besonders.

Etwas hat bluefin übersehen:

Irgendwie schaffte er es immer - hier kommt ein Komma, da erweiterter Infinitiv mit "zu" - sich im Schlaf hinzulegen.
Der gekrümmte Oberkörper folgte der Biegung der Eckbank - hier muss auch ein Komma, da Satzverbindung mit "und" - und die ausgestreckten Füße baumelten am (anderen) Ende herunter.
LG Lesemaus
 

Ralf Langer

Mitglied
Eckbank

Zwölf Quadratmeter Raum.
Ein Etagenbett, ein Esstisch, und diese Eckbank:
Metronom meiner Kindheit.
Auf ihr schaufelte sich mein Vater nach der Arbeit, schlaftrunken, das aufgewärmte Mittagessen hinein, tätschelte mir dabei beiläufig auf den Kopf, fragte nach der Schule, las die Bild, und legte dann seinen Kopf auf den gekreuzten Armen zur Ruhe.
Irgendwie schaffte er es immer, sich im Schlaf hinzulegen.
Der gekrümmte Oberkörper folgte der Biegung der Eckbank, und die ausgestreckten Füße baumelten am Ende herunter.
Holzklotschen fielen zu Boden, und zerschlissene Arbeitersocken gaben den Blick frei auf unruhig träumende Zehen. Dann Schnarchen.
Mutter legte den Zeigefinger auf ihre geschlossenen Lippen.
Sechs Tage die Woche. Achtzehn Jahre lang.
Eckbank:
Zu ihren Füßen habe ich schweigen gelernt.
 

Ralf Langer

Mitglied
Hi lesemaus,
danke für dein Lob betreffs der Zehen:)

und erst recht für die vergessenen Kommata.
Irgendwann hoffe ich das zu durchdringen
lg
ralf
 

Lesemaus

Mitglied
Hallo Ralf, wenn ich nicht im ersten Beruf Lehrerin und im zweiten Sekretärin wäre, hätte ich auch Probleme damit...

LG Lesemaus
 
B

bluefin

Gast
hallo @ralf, das komma vor der infinitiverweiterung mit "zu" ist seit der rechtschreibreform nicht mehr obligatorisch.

ich bin zwar ein anhänger des kommas (weil texte ohne satzzeichen nicht auf anhieb richtig vom blatt gelesen werden können), würde aber niemandem die freiheit nehmen, nach den (vereinfachten) neuen regeln zu schreiben. übrigens haben wir hier in der lupe über ebendieses thema schon mal wochenlang debattiert, ohne dass eine wirkliche einigung erzielt werden konnte.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Hannah Rieth

Mitglied
schlaftrunken

Hallo Ralf,

ein wirklich schöner Text. Was mich jedoch ziemlich stolpern lässt, ist der Begriff "schlaftrunken". Man ist doch trunken vom Schlaf, also nach dem Schlafen, oder? Vor dem Trinken ist man doch auch nicht trunken?

Viele Grüße von Hannah
 
S

suzah

Gast
hallo ralf langer,

der text gefällt mir, aber dennoch möchte ich anmerken:

Auf ihr schaufelte sich mein Vater nach der Arbeit(,) schlaftrunken(,) das aufgewärmte Mittagessen hinein, tätschelte mir dabei beiläufig (auf) den Kopf, fragte nach der Schule, las die Bild(,) und legte dann seinen Kopf auf den gekreuzten Armen zur Ruhe.
Irgendwie schaffte er es immer, sich (im) zum Schlaf hinzulegen.

die kommata (in klammern) sind m.e. zu viel.
mit "schlaftrunken" ist zwar genauer schläfrig/müde gemeint, ich finde aber dass es trotzdem hier gut passt.

er schläft ja noch nicht, legt sich also nicht "im" schlaf hin.

man tätschelt nicht "auf" dem kopf.

die "träumenden zehen" finde ich gut.

liebe grüße suzah
 
S

suzah

Gast
hallo ralf langer,

zu den kommata: da streitet sich die alte und neue rechtsch
reibung, daher verschiedene meinungen.
mein hauptanliegen waren aber nicht die kommata, sondern "tätscheln" und "im" schlaf. vielleicht überdenkst du das noch mal?

liebe grüße suzah
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo suzah,
"schlaftrunken",
wahrscheinlich hast du recht. Mir gefällt es klanglich
viel besser als das kurze müde.
werde noch mal mit mir in klausur gehen!

"tätscheln"
ich habs jetzt so oft gelesen.Ich bin mir nicht sicher.
Für mich klingt es mit "auf" kompletter

auch hierüber denke ich noch nach

viele grüße
ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Eckbank

Zwölf Quadratmeter Raum.
Ein Etagenbett, ein Esstisch, und diese Eckbank:
Metronom meiner Kindheit.
Auf ihr schaufelte sich mein Vater nach der Arbeit, schlaftrunken, das aufgewärmte Mittagessen hinein, tätschelte mir dabei beiläufig den Kopf, fragte nach der Schule, las die Bild, und legte dann seinen Kopf auf den gekreuzten Armen zur Ruhe.
Irgendwie schaffte er es immer, sich im Schlaf hinzulegen.
Der gekrümmte Oberkörper folgte der Biegung der Eckbank, und die ausgestreckten Füße baumelten am Ende herunter.
Holzklotschen fielen zu Boden, und zerschlissene Arbeitersocken gaben den Blick frei auf unruhig träumende Zehen. Dann Schnarchen.
Mutter legte den Zeigefinger auf ihre geschlossenen Lippen.
Sechs Tage die Woche. Achtzehn Jahre lang.
Eckbank:
Zu ihren Füßen habe ich schweigen gelernt.
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo chrissieanne,
hab dank für die kurze analyse.
so wollte ich es gelesen haben.
ein Bild das zu einer Erfahrung führt
lg
ralf
 
Z

zugast

Gast
Gut erzählt. Es schwingen sehr viele Assoziationen mit, die der Text behutsam andeutet. Prima!
 
H

Herr Bernhard

Gast
Guten Morgen, Ralf,

einige Leser haben Deine Text schon kommentiert. Bevor ich mich der Hauptspeise widme, erlaube einige Gedanken zu den Kommentaren der anderen Leser.

Dem Wolfgang hat Dein Text gut gefallen. Ich hoffe, er hat den Balken „perfekt“ gezogen. Was will man mehr. Allerdings bleibt bei mir immer bei derartigen Kommentaren ein Beigeschmack. Da der Leser nur ein Gefühl wiedergegeben hat, fehlt eine handwerkliche Einordnung. Habe ich nur den Geschmack eines Lesers unter vielen getroffen, oder habe ich den Geschmack eines Fachmanns getroffen? Ist mein Text bei diesem gut, beim nächsten schlecht? Deshalb ist mir ein pauschales Lob zwar auch angenehm, aber bringt mich nicht weiter.

Flammarion wünscht sich das Substantiv von „schnarchen“. Wenn diese Hürde genommen ist, dann ist auch in seinen Augen ein perfekter Balken gerechtfertigt. Unabhängig davon, dass ich mich wiederholen müsste, könnte man sich auch das Verb zurück wünschen. Das ist leider nicht nur in der deutschen Sprache so. Wenn ein Satz nicht vollständig ist, dann überlässt der Autor dem Leser diese Arbeit. Dieser unvollständige Satz hätte z.B. so ergänzt werden können:
1.) Dann beobachtete ich ihn bei dem Schnarchen.
2.) Dann sah ich ihn schnarchen.
Man sieht also, ein Wunsch kann in Erfüllung gehen, aber es muss nicht immer nur eine Variante sein.

Der liebe Gernot (herzlichen Gruß an Dich außer der Reihe) schlussfolgert aus Deinem Text, dass er in der Nachkriegszeit angesiedelt ist. Die „Bild“ gibt es seit dem 24.6.1952. Der Protagonist ist achtzehn Jahre. Wenn der Text aus dem Jahr 2009 ist, handelt die Geschichte 1991. Nachkriegszeit im ursprünglichen Sinn ist eher unwahrscheinlich. Deiner Schlussfolgerung, dass ein „Bildleser“ automatisch nicht am Hungertuch nagen muss, kann ich nicht folgen. Es könnte eine Zeitung sein, die er regelmäßig aus dem Abfall gefischt hat.
Aber das ist Ansichtssache. Auch Ansichtssache ist die Frage, ob ein Adjektiv und wenn ja, welches, in einem Text etwas verloren hat! Mich stört der Traum aus einem anderen Grund. Wenn jemand schläft und träumt, kann, aber muss er nicht unruhig sein. Wenn jemand schläft und unruhig ist, wird er sicherlich träumen. Deshalb würde ich auf das zweite Adjektiv verzichten.

Der bluefin siedelt den Text auch in den Nachkriegsjahren an. Mich beschleicht langsam ein Gefühl, dass ich wichtige Daten übersehen habe. Wieso passt ein „Metronom“ nicht ins Bild? Ein Metronom gibt es seit 1815. Ob es ins Bild passt, hängt von der Sprache des Erzählers und von der Sprache des Lesers ab. Aus dem Text geht nicht hervor, dass es Inventar des Raumes war, sondern es wird als Metapher vom Erzähler verwendet. Der Hinweis, wo das „Schaufeln“ stattfindet, ist nützlich!

Kommen wir nun zu meinem Kommentar!

Titel: „Eckbank“ – In dem folgenden Text wird eine Eckbank eine Rolle spielen, keine bestimmte, irgendeine. Wenn das stimmt, dann hat der Titel nur informiert und vorbereitet. Weitere Funktionen, die ein Titel ausführen kann, wurden vom Autor dann nicht genutzt. Ich lasse mich überraschen.

1. Satz) – Es wird ein Raum eingeführt, der zwölf Quadratmeter groß ist. Kein kleiner und kein großer Raum, drei mal vier Meter sind ausreichend für viele Zwecke. Ich bin gespannt, was alles in diesem Raum passieren wird.
2. Satz) – In diesem Raum stehen drei Möbel. Esstisch und Eckbank lassen auf eine Küche schließen, das Etagenbett eher an ein Schlafzimmer, wenn es das nicht gibt, dann ist es ein Raum einer armen Familie.
3. Satz) – Ein Metronom ist ein Gerät, wo etwas hin und her geht. Da es als Metapher verwendet wurde, spielte sich die Kindheit zwischen Bett, Esstisch und Eckbank ab. War das Kind nie außerhalb des Raumes? Eingesperrt in der Küche?
4. Satz) – (Zwei Kommata zu viel?) Es wird der Vater eingeführt. Er arbeitet, kommt z.B. pünktlich um 16.00 Uhr nach Hause, das Essen, was pünktlich um 12.00 Uhr bereitet wurde, ist kalt und muss deshalb aufgewärmt werden. Da er schaufelt, scheint er ein „grober“ Klotz zu sein. Da er schlaftrunken ist, scheint er entweder viel zu arbeiten oder wenig zu schlafen. Da er beiläufig den Kopf des Kindes tätschelt, scheint er entweder wenig Gefühle für sein Kind zu haben oder sie zu unterdrücken. Da er nach der Schule nur fragt, aber z.B. keine Hausaufgaben mit dem Kind macht, scheint er diese Aufgabe der Mutter zu überlassen. Da er die Bild ließt, scheint sein Intellekt in das Klischee eines „Arbeiters“ zu passen. Da er dann irgendwann sich zur Ruhe bettet, wenn auch nur auf den Armen, scheint er keine Lust zu haben, ins Bett zu gehen.
5. Satz) – Da ich auch schon oft auf einer Eckbank gelegen habe, kann ich mir das gut vorstellen, es bereitet keine Schwierigkeiten, es sei denn, diese Eckbank war ungewöhnlich kurz.
6. Satz) – Die Eckbank scheint wirklich nur zwei Plätze zu haben. Möglich wären drei oder vier oder noch mehr. Bei zwei Plätzen ist es wirklich eine Kunst!
7. Satz) – Nichtbenötigte Ausstattung fällt zu Boden oder gibt den Blick auf wichtige Details frei. Warum ist es wichtig für die Geschichte, dass der Vater im Schlaft träumt? Egal, was die Menschen machen und in welcher Zeit sie leben, träumen ist eine Eigenschaft, die nicht ungewöhnlich ist. Warum spielt das Träumen bei diesem Vater eine besondere Rolle? Ich warte auf die nächsten Zeilen, vielleicht geben sie das Geheimnis preis.
8. Satz) – Besonders bei Männern soll das Schnarchen nicht ungewöhnlich sein. Warum wird davon berichtet? Ich warte auf die nächsten Zeilen.
9. Satz) – Die Mutter wird eingeführt. Ihre Funktion besteht darin, das Kind zur Ruhe zu mahnen. Das habe ich auch schon erlebt, dass man in Gegenwart eines schlafenden Menschen ruhig sein soll, wenn man ihn nicht aufwecken will. Was will der Erzähler damit aussagen? Hat das Kind unter dieser Mahnung sehr gelitten? Ich warte auf die nächsten Zeilen.
10. Satz) + 11. Satz) -Jetzt kommt es! Donnerwetter! Das Metronom hat es zwar schon angedeutet, aber jetzt ist es Gewissheit. Dieser Ablauf fand jeden Tag der Arbeitswoche statt. Wann wurde der Sonnabend als Arbeitstag abgeschafft? Wann wird bei Schichtsystem gearbeitet? Egal, Achtzehn Jahre lang war das Kind in der Küche eingesperrt und der Vater konnte nur auf der Eckbank schlafen und die Mutter trat nur als Mahnung in Erscheinung. Was für ein Schicksal, wenn auch für mich nicht nachvollziehbar!
12.) Satz – Die Eckbank wurde für das Kind zum Symbol für das Schweigen. Hat das
Kind trotzdem noch das Reden gelernt oder blieb es für immer stumm? Heißt es nun
„schweigen“ oder „Schweigen“?

Zusammenfassung:
Lieber Ralf, keine schlechte Geschichte. Allerdings darf man einige Details nicht so ernst nehmen. Was ist das Kind, ein Mädchen oder ein Junge?

Grüße Dich herzlich, Bernhard
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo bernard,
danke fü deine überaus ausführliche auseinandersetzung
mit meinem text.

ich vermag dir ein paar ausführliche erläuterungen zu deinen
anmekungen zu geben, handelt es sich doch bei dem KINDum meine
person.

der raum ist das "kinderzimmer", es wurde aber aus gründen
der räumlichen enge gleichzeitig auch als esszimmer benutzt.

der vater arbeitet tatsächlich sechs tage die woche und er geht nicht ins bett, weil ihn die müdigkeit übemannt und ihm sein junge in diesen "MOMENTEN" herzlich egal ist.

die familie war nicht arm. abeitender durchschnitt eben.

die eckbank ist das ungetüm der kindheit. sie erinnert den prot.
noch heute daran was es bedeutet keinen rücku#zugsraum zu haben.
und sie ist das bild, bis heute, das er mit "seinem" zimmer verbindet, wähend die nachbarskinder ihren eigenen raum hatten.

die zehen haben wirklich gewackelt.

das schweigen ist durchaus eine metapher:


es steht für die vielen dinge die ein junge machen kann,
wenn er dabei ruhig zu sein hat.

zum beispiel lesen und schreiben.

mit achtzehn jahren hatte der prot. dann die
"schnauze" voll und ist - einer ungewissen zukunft entgegen -
ausgezogen.

ich sehe diese kurzposa vor mir wie eine zeichnung eines dauehaften momentes der vergangenheit.

vielleicht schreibt der mittleweise über vierzigjährige junge
ja mal eine erzählung über diesen verdichteten weltraum.


lg
ralf
 
H

Herr Bernhard

Gast
Guten Morgen, Ralf,

Dir ist schon bewusst, dass Du mit Deiner Antwort den Erzähler tötest?
Die Verwendung von Metaphern ist üblich, manchmal notwendig, vielleicht sogar auch nützlich, aber auch gefährlich. Es steht immer die Frage im Raum:
„Wann ist es eine Metapher?“
Aber abgesehen davon, mein Beitrag war nur meinen Meinung, mehr nicht. Es besteht nie die Notwendigkeit des Autors, auf Meinungen einzugehen, ist doch ihre Vielfalt einfach erdrückend.
Danke Dir auf jeden Fall für Deinen Aufmerksamkeit und grüße Dich herzlich, Bernhard
 

Pola Lilith

Mitglied
Kurzprosa

Kurz, prägnant geschrieben - gefällt mir gut.

(Auch wir hatten in unserer früheren Altbauwohnung ein großes Eckbank-Zimmer, das zugleich Kinderzimmer, Hausaufgabenzimmer und Eckzimmer gewesen war. Der Tisch war Mittelpunkt, denn hier spielten sich Kämpfe, ja, manchmal auch Schlachten, und nur selten ein fröhliches Zusammensein ab. Bei uns war es also eher laut als ruhig - und nur, wenn niemand da war, habe ich unter dem Tisch, am Fuße und in den Höhlen der Eckbank meiner Phantasie freien Lauf gelassen)

Lass deinen Text nicht zerfleddern, er ist gut so, wie er ist !

Lb. Gruß, Pola
[Edit Zeder: Link zur persönlichen HP entfernt]
 



 
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