Lieber Walther,
bitte ruhig Blut!
Ich habe nicht den Autor angegriffen, sondern den Text so analysiert, wie ich ihn lese.
Mal ganz ehrlich: Jedem misslingt mal ein Text, und dies ist gut so, denn jeder von uns ist ein stets nur Übender, und "Misslingen" schützt uns auch vor Hochmut.
(ich habe zB in letzter Zeit mehrere Texte gebastelt, verbastelt und verworfen, sie waren allesamt nur Schrott)
Und hier bei Deinem Text: Ich bin überzeugt davon, dass Du damit etwas ausdrücken wolltest, das Dir wichtig erschien, gar keine Frage, aber es ist Dir halt diesmal nicht gelungen, es gekonnt in Worte zu packen.
Daran ist nichts negativ.
Aber genau hier ist dann die Türe weit offen zur Gestaltung: brainstorming, Überschlafen, einen neuen kreativen Ansatz = "Anpack" finden, erneut die Gedanken konfigurieren und dann erneut in Worte packen.
Je öfter man diesen Kreis durchläuft, desto besser, treffender, ausgeformter wird es (so gehts mir jedenfalls) - oder (oft bei mir) die Startgedanken werden einem selbst im Verlauf des Versuchs sie zu gestalten unsinnig, obsolet, unwichtig.
Der Unterschied zwischen der inneren Sprache des Denkens und derjenigen des Aufschreibens oder Aussagens ist oft unüberwindlich, eine passende Übersetzung will einfach oft nicht gelingen.
In solchen Fällen stelle ich mich dann im literarischen Bereich bewusst immer auf die Seite der Sprache des Aufschreibenkönnens, nutze ihre Standards, ihre konventionelle grammatikalische Struktur als Scout, als Taschenlampe, um mich durch das Labyrinth der betreffenden Gedanken vor zu tasten, und falls dies dann aber trotzdem nicht zu konsistenten Resultaten führt, falls am Ende dann trotzdem nicht dasteht, was ich eigentlich "sagen" wollte, dann gehe ich -auch wieder in bewusster Definition- bis auf Weiteres davon aus, dass meine Startgedanken unausgereift, untauglich, blödsinnig, usw. waren und verzichte dann auf "Text".
Ich war dann halt zur textlichen Ausgestaltung meiner Gedanken zu der Zeit X unfähig (warum auch immer) - oder ich hielt Gedanken zur Mitteilung unter kreativer Bearbeitung für wichtig, sinnvoll, "gut", die es halt nicht waren.
Verstehst? Man kann versuchen, Gedanken in Sprech-/Schreib-Sprache hinein zu quetschen oder umgekehrt, wenn aber die Übersetzung nach beiden Richtungen misslingt, dann liegts immer an "unfertigen" Gedanken, falls/solange man die vorhandene Sprech-/Schreib-Sprache mit ihren Strukturen als gegebenes Festes (als Referenz) voraussetzt. Deshalb kann man sie dann auch als treuen und zuverlässig funktionierenden Scout benutzen.
Zu Deinem Text:
Ich könnte zB den isr.-paläst. Krieg nicht in Gedichtform packen, weil mir jeder Krieg, egal wer, warum, gegen wen, absolut zuwider ist, und wichtiger: weil ich denke, dass "Krieg" eine solche künstlerische Bearbeitung und damit Aufwertung nicht verdient. "Krieg" lässt mich einfach nur vor Entsetzen und Deprimiertsein sprachlos werden (und falls Sprache, dann Zynismus), es ist mir deshalb unmöglich einen Krieg gar "zu reimen", wie es unsere Altvorderen oft Brechreiz-erregend taten.
Ich bestreite "Krieg ist der Vater aller Dinge", für mich ist er nichtmal Hebamme für ein "Gedicht" oder andere künstlerische Bemühungen.
Jeder Krieg ist doch gerade die völlige Nichtung/ das Scheitern angeblicher menschlicher Kreativität, weil er "blind und bestalisch" zerstört und nicht "schafft".
Krieg vernichtet Strukturen, und ihn daher mit melodischen Wortereimen fassen, beschreiben zu wollen, ist ein Spagat, der unmöglich sein dürfte.
So sehe ich das ...