Melusine,
tut mir leid, wenn ich im Überschwang mal wieder alles über einen Kamm geschoren habe. Ich hoffe auch, dass man sich nicht wirklich angegriffen oder beleidigt fühlt, sondern daraus eine Wutbezeugung herausliest, die immer dann aus mir herausbricht, wenn ich höre, wie ein Missverständnis dem nächsten unter die Arme greift.
Zum Thema der Darstellung:
Natürlich gehe ich nicht davon aus, dass der Autor den Text als lyrische Luftblase konzipiert hat - man sollte den Text sowieso nicht auf derartige Eigenschaften untersuchen. Je direkter und klarer die Worte des Autors sind, und mögen sie manchem auch zu direkt sein, um so ehrlicher setzt er sich mit der Problematik auseinander. Deshalb ist die direkte Sprache auch immer Aufruf gegen Phrasenhaftigkeit und den Irrglauben, man könne dem Unfassbaren schöne Kleider anziehen.
Jede lyrische, sich explizit als solche ausweisende Bearbeitung ist also fehl am Platz, ganz zu schweigen, wenn das romantische Ego eines Verfassers das Thema der Konzentrationslager als Sprungbrett benutzt.
Dieser Text hier hat allerdings, wie man merkt, keine lyrischen Anwandlungen - es handelt sich um agitatorisches Sprachmaterial, das nicht umsonst den Eindruck vermittelt, dem Sprachgebrauch eines nationalsozialistisch eingefärbten Kaffeekränzchens zu entstammen. Die Kürze des Textes verweist darauf, dass wir Deutschen es immer verstanden haben, unsere poltische Einstellung so kurz und knapp wie möglich zu vermitteln, am besten in Form einer Anekdote, die unmissverständlich von allen verstanden wird.
Ich möchte darauf hinweisen, dass in diesem Text nicht umsonst auf jene ominösen "ihnen" verwiesen wird. Jene "Sie" also, denen man jenes leuchtende Ereignis nicht wird nachmachen können. Verdrängungsmechanismen also, die sich hier nicht nur auf das Verdrängen der eigenen Schuld beziehen, sondern, was viel schlimmer ist, auf das Verdrängen der eigenen Mittäterschaft, der man am liebsten ein Denkmal gesetzt wissen möchte.
Ich glaube, ich habe angedeutet, dass dieser Text weit mehr beinhaltet, als ihm zugesprochen wurde,
Melusine und alle anderen sollten meinen Wutausbruch nicht als moralische Entgleisung, sondern als moralisches Bekenntnis interpretieren.
Mit freundl. Grüssen,
Marcus