liebe julia,
"Der Tod ist darum so schrecklich, weil mit dem Tod des Menschen so vieles verlorengeht... das wollte ich mit den Verweisen auf die Gehirnareale zeigen: die Fähigkeit, sich zu erinnern, zu sprechen, zu fühlen, dieses unglaublich komplizierte, faszinierende System, all das, was den Menschen sich gottähnlich fühlen lässt - das alles ist in nur einer Sekunde nichts als entmystifiziertes Fleisch, nur in einigen Augenblicken! Wenn das alles verlorengeht, dann sollte eigentlich die ganze Welt aufstöhnen - aber nein, der Tod ist "kein großes Erlebnis"... Und Gottes Segen besteht nun eigentlich darin, dass der Mensch unfähig ist, es wirklich zu begreifen, was beim Tod geschieht. Die neugierigen Passanten "hinter Rotweiß" empfinden nichts als Mitleid mit dem Unfallopfer und jenen, die die Reste vom Asphalt schaben müssen. Aber eigentlich sollte man sie beneiden. Das Opfer, weil es so schnell starb, dass es gar nicht begreifen konnte, dass es so einfach sein "Selbst" verlor, das sich in vielen Jahren entwickelt hat. Und die Feuerwehrleute, weil der Anblick der menschlichen Überreste naturgemäß nur noch Ekel hervorruft. Es ist nichts "menschliches" mehr daran, nichts, was Gott noch spiegeln könnte, nur noch blutiger Brei... so ist es möglich, mit dem Tod zurechtzukommen..."
genau so habe ich es auch gelesen, allerdings mit deiner positiven erweiterung:
"...Doch selig bin ich, so einfach des Selbst entäußert,...."
das ist hoffnungsfroh - meiner ansicht nach hat dir dein unbewusstes , unabhängig von deinen zielsetzungen, die hand geführt.der barocke trost deiner letzten zeilen,
erklärt sich aus ihrer dialektik. sie gehen also über dein ziel hinaus.
du hattest ein "kopf(los)gedicht" im doppelten sinn des wortes konzipiert und herausgekommen ist der flug der seele, die verbreite, zermatschte mühsal des leibes hinter sich lassend.
es ist ein segen gottes, dass wir nicht wirklich den tod erleben, weil ja deine 3 hirnorte mit dran glauben müssen,
aber deinen lyrischen Ich ist es ein noch größerer segen, dass es entleibt gen himmel flattern kann.
sei doch zufrieden, dass dein denken von dir selbst fühlend übertölpelt wurde....
lutz
p.s. ich empfinde den text als sehr gelungen, unabhängig von deinem wollen !