Hamas
Inu, ich finde es richtig, dass du dieses Gedicht geschrieben hast, das gleich vorweg. Was mir an diesem Gedicht gefällt, ist die Aktualität. Wer aktuell ist, kann sich irren, weil er noch zu nah dran ist, er kann eine Sache gänzlich falsch sehen, ja er kann sogar das Gegenteil von dem erreichen, was er vorhatte, und natürlich besteht auch immer die Gefahr, dass er plakativ wird. Er muss schlicht Mut haben, seine Meinung zu äußern. Ich finde, du betrachtest in diesem Hamas-Gedicht beide Seiten kritisch, und das ist völlig richtig, denn beide Seiten sind nach Jahren des Kampfes sowohl im Recht als auch im Unrecht. Wer erwartet, dass sich ein Dichter uneingeschränkt hinter die offizielle Politik des Landes stellt, hat irgendwas vom Auftrag des Dichters, die Wahrheit zu schreiben, nur die Wahrheit!, nicht begriffen. Ein Gedicht ist das Subjektivste, das ich kenne. Was ja nicht heißt, dass man nur seinen Bauchnabel betrachten sollte. Natürlich lebt einer, der Gedichte macht, auch in seiner Zeit, und natürlich hat er das Recht, ja als denkender Mensch sogar die Pflicht, zu seiner Zeit Stellung zu beziehen. Und natürlich sieht ein Gedicht, das sich mit seelischen, inneren Vorgängen beschäftigt, anders aus als ein politisches. Inu, ich spüre deine Besorgnis aus dem Gedicht, und damit drückst du aus, was meiner Ansicht nach sehr, sehr viele Menschen bewegt und sie letztlich - leider! - verstummen lässt. Die Gründe sind bekannt. Ich finde das Gedicht nicht daneben gegangen, es ist eine lyrische Äußerung, eine sehr warmherzige und eine sehr kritische. Ich begreife das langsame Herantasten an das Thema, das Pathos ist mir verständlich, und ich finde es sogar angebracht. Natürlich kann man über dieses Thema auch einen Essay schreiben, aber du hast nun mal ein Gedicht geschrieben, ein politisches, und dass das nicht jedem zusagt, ist doch nicht verwunderlich. Ich wünschte, mehr Lyriker hätten den Mut, sich auch zu ihrer Zeit zu äußern, und zögen sich nicht nur in ihr Inneres zurück. Nichts gegen Bauchnabel-Lyrik, ich mag auch sie, aber davon gibt es meines Wissens schon ganze Bibliotheken.
Hanna