Hallo Inu, hallo Venus,
ich kann mir gut vorstellen, dass du mit dieser Lyrik weniger anfangen kannst. Aber wir müssen einfach sehen, dass es ganz verschiedene Richtungen in der Lyrik gibt und jede hat ihre Berechtigung. Dir liegt das politische Schreiben nahe und das finde ich sehr, sehr wichtig. Ich erinnere mich an eines deiner Gedichte, das was von Agitprop hatte, und ich fand es sehr interessant. Du haust mit deiner Auffassung auf den Tisch, du schreibst plakativ, provokativ, realistisch. Es gibt also verschiedene Arten, mit Lyrik auf Welt zu reagieren. Venus’ Sprachzerlegungen gehören genauso dazu. Warum überhaupt an die Sprache herangehen, sie ver- oder entfremden? Es gibt eine ganz entschieden wichtige philosophische Richtung, beginnend mit Wittgenstein. Ohne dass ich hier auf Details eingehen kann, steht in deren Mittelpunkt die Skepsis gegenüber den Aussagemöglichkeiten der Sprache. Die Sprache, normal benutzt, führt in immer dieselbe Erkenntnisschleifen, ohne wirklich neue Erkenntnisse zu bieten, so wie ein Werkzeug, das eben nur gewisse Dinge ausführen kann. Die Sprache in ihrer gewachsenen Semantik schränkt also nach dieser Philosophie unser Denken ein, es sind keine neuen, weitreichenderen Erkenntnisse möglich. Die Sprache ist also die Grenze. Um diese Grenze zu durchstoßen, kann man mit der Sprache und an der Sprache arbeiten. Ich sage nicht, dass jeder Lyriker sich das vorher denken muss, aber es führt eben zu anderen Ergebnissen. Wir müssen also Gedichte immer wieder von der Warte aus beurteilen, die ihnen angemessen ist. In einem exzellenten politischen Gedicht, das mir die direktesten Dinge wuchtig um die Ohren haut, frage ich nicht nach erhebenden Metaphern. In einem Gedicht, das nach dem Vorbild amerikanischer Slampoetry ganz schlicht einen Alltag schildert, frage ich nicht nach den ewigen Werten. Jedes Gedicht ist eine Frage an die Welt. Jedes gute Gedicht formuliert diese Frage selbst.
Ob jemandem ein Gedicht und eine lyrische Richtung GEFÄLLT, ist eine andere Sache. Und was ist schon erotisch? Bei der meisten Erotik, die ich im Internet lese, wende ich mich wegen unmäßigen Kitsches peinlich berührt ab .
Mir muss das beste Gedicht nicht gefallen. Das steht natürlich jedem frei, sofern uns etwas freisteht.
Liebe Grüße
Monfou