zeitistsein
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Die Weihnachtsstimmung hat sich in der Stadt Bahn gebrochen. Man sieht Menschen mit grossen, bunt eingepackten Paketen unterm Arm. Die Weihnachtsbeleuchtung hingegen hält sich in Grenzen. Man ist auf Sparkurs, was ja auch in Ordnung ist.
Im gegenüberliegenden Wohnblock hat man mit der Renovierung der Fassade begonnen - unerklärlich bei den Regenstürmen, die in den letzten Wochen hier durch die Stadt gefegt sind. Mir wird ganz schwindlig, wenn ich die Männer auf dem rutschigen Dach oder auf dem Baugestell herumlaufen sehe und ich male mir das Schlimmste aus.
An einen Ort gehe ich besonders gern hin, unabhängig von der Weihnachtszeit. Und das ist die Apotheke, in der ich Schlange stand, als mein Vater gerade im Sterben lag und ich nichts davon ahnte. In den letzten vier Jahren habe ich einen grossen Bogen um diesen Ort gemacht. Aber der Besitzer ist mir ein guter Trostspender. Und deshalb gehe ich gerne hin.
Es handelt sich um einen kleinen, schmächtigen Mann, der bestimmt schon über das Rentenalter hinaus, aber immer noch ganz bei der Sache ist. Seine Tochter und noch etwa zehn weitere Angestellte arbeiten schichtweise mit und der kleine schurrbärtige Brillenträger geht in der jugendlichen Menge fast unter. Wenn's aber drauf ankommt, fragt man ihn. Den alten Hasen. Über vierzig Jahre geht das schon so. Und ans Aufhören scheint er nicht mal zu denken.
Mich zieht es immer dorthin, wo ältere Menschen sind. Dann stellt sich eine innere Ruhe in mir ein. Auch bei Nick, der 15 Jahre älter als ich ist, war das so. Er hat das aber nicht verstanden. Er meinte wohl, ich wolle ihn ausnutzen, ich junges Gemüse. Und hat das Weite gesucht.
Es ist ja auch unglaublich, welche Ausmasse die menschliche Fiesheit annehmen kann. Und dass Menschen davon traumatisiert werden können, ist nur verständlich.
Was Nick widerfahren ist, habe ich nie erfahren. Ich weiss nur, dass es etwas Schlimmes gewesen sein muss. Und dass er daraufhin mit Frauen auf Distanz ging.
Ich liebe ihn immer noch und war gestern noch fest entschlossen, ihm einen Liebesbrief zu schicken. Jetzt noch? Nach zehn Jahren? Wozu auch? Wäre er von der Echtheit meiner Liebe überzeugt gewesen, hätte er sich damals schon auf mich eingelassen. Aber er wollte halt nicht und würde auch jetzt nicht wollen. Was also soll der Brief bezwecken? Möglicherweise erinnert sich Nick nicht mal an mich.
Tatsache ist, ich fühle mich verkannt. Falsch eingeschätzt. Nicht ernst genommen. Nicht wertgeschätzt.
Sollte ein Brief jetzt noch etwas daran ändern können? Vermutlich nicht. Die Vergangenheit ist gewesen. Der in diesen Jahren leergeweinte Tränenspeicher wird nicht wieder aufgefüllt werden, die inneren Verletzungen nicht schneller vernarben. Nick bleibt eine offene Wunde. Damit muss ich leben. Und sterben.
Im gegenüberliegenden Wohnblock hat man mit der Renovierung der Fassade begonnen - unerklärlich bei den Regenstürmen, die in den letzten Wochen hier durch die Stadt gefegt sind. Mir wird ganz schwindlig, wenn ich die Männer auf dem rutschigen Dach oder auf dem Baugestell herumlaufen sehe und ich male mir das Schlimmste aus.
An einen Ort gehe ich besonders gern hin, unabhängig von der Weihnachtszeit. Und das ist die Apotheke, in der ich Schlange stand, als mein Vater gerade im Sterben lag und ich nichts davon ahnte. In den letzten vier Jahren habe ich einen grossen Bogen um diesen Ort gemacht. Aber der Besitzer ist mir ein guter Trostspender. Und deshalb gehe ich gerne hin.
Es handelt sich um einen kleinen, schmächtigen Mann, der bestimmt schon über das Rentenalter hinaus, aber immer noch ganz bei der Sache ist. Seine Tochter und noch etwa zehn weitere Angestellte arbeiten schichtweise mit und der kleine schurrbärtige Brillenträger geht in der jugendlichen Menge fast unter. Wenn's aber drauf ankommt, fragt man ihn. Den alten Hasen. Über vierzig Jahre geht das schon so. Und ans Aufhören scheint er nicht mal zu denken.
Mich zieht es immer dorthin, wo ältere Menschen sind. Dann stellt sich eine innere Ruhe in mir ein. Auch bei Nick, der 15 Jahre älter als ich ist, war das so. Er hat das aber nicht verstanden. Er meinte wohl, ich wolle ihn ausnutzen, ich junges Gemüse. Und hat das Weite gesucht.
Es ist ja auch unglaublich, welche Ausmasse die menschliche Fiesheit annehmen kann. Und dass Menschen davon traumatisiert werden können, ist nur verständlich.
Was Nick widerfahren ist, habe ich nie erfahren. Ich weiss nur, dass es etwas Schlimmes gewesen sein muss. Und dass er daraufhin mit Frauen auf Distanz ging.
Ich liebe ihn immer noch und war gestern noch fest entschlossen, ihm einen Liebesbrief zu schicken. Jetzt noch? Nach zehn Jahren? Wozu auch? Wäre er von der Echtheit meiner Liebe überzeugt gewesen, hätte er sich damals schon auf mich eingelassen. Aber er wollte halt nicht und würde auch jetzt nicht wollen. Was also soll der Brief bezwecken? Möglicherweise erinnert sich Nick nicht mal an mich.
Tatsache ist, ich fühle mich verkannt. Falsch eingeschätzt. Nicht ernst genommen. Nicht wertgeschätzt.
Sollte ein Brief jetzt noch etwas daran ändern können? Vermutlich nicht. Die Vergangenheit ist gewesen. Der in diesen Jahren leergeweinte Tränenspeicher wird nicht wieder aufgefüllt werden, die inneren Verletzungen nicht schneller vernarben. Nick bleibt eine offene Wunde. Damit muss ich leben. Und sterben.