Ja, Walther,
was bleibt mir bei diesem heiß diskutierten Thread, dem ich mich leider erst jetzt anschließen konnte, zu sagen, außer: "Kompliment!"? Wirklich fein gesponnen, sehr durchdachte Formulierungen, aber trozdem lebendig. Richtig gut.
Was ich aber nicht verstehen kann, ist, was hieran so furchtbar provokativ sein soll! Literatur beschäftigt sich seit jeher überaus gerne mit den schlimmsten "Bösewichten", weil sie einem "normalen Menschen" als Persönlichkeiten einfach unheimlich komplex erscheinen, und deshalb faszinieren. Nicht umsonst werden Antagonisten in Filmen etc. gerne als überdurchschnittlich gutaussehend - oder zumindest unendlich charismatisch (s. Schweigen der Lämmer, God's Army usw.) - präsentiert. Insbesondere diese Grenzlinie zwischen dem noch Normalen und dem schon Krankhaften erscheint faszinierend, also das "normale menschliche" in einem Antagonisten. Genau die hat Walther mit der Erotik in den ersten Strophen hervorragend dargestellt. Ich fand das Gedicht allerdings von Anfang an nicht sommerlich-romantisch, die bedrohliche Atmosphäre ist von Anfang an da! Ob man aus der Perspektive von "Bösewichten" schreiben kann und darf? JA! Authentisch oder nicht, Bücher wie "Lolita" oder "A clockwork orange" will ich nicht missen! Und ich denke sehr wohl, dass man zumindest bis zu einem bestimmten Grad beurteilen kann, was in "Bösewichten" vorgeht - eben deshalb, weil die Grenze zwischen Normalem und Krankhaftem so erschreckend dünn ist! Das einzige, was an Walthers Gedicht stören könnte, ist die altmodische Sprache (z.B. "Tuch" für "Stoff").
Aber nochmal zum Gedicht:
Zur Scheuche will’s nicht taugen.
Das verstehe ich nicht ganz. "Taugen" impliziert, dass etwas zu einem bestimmten Zweck eingesetzt werden soll. Aber das Mädchen will ja nicht ihre Erscheinung für irgendwas benutzen... Oder steh' ich auf dem Schlauch?
Ich wollt, dass sie uns sähen!
Die Strahlen? Andere Menschen? Oder soll das zweideutig sein? (Ich tendiere zur dritten Variante.)
Die Falten sind zu fühlen.
Ich will, sie will, dass ich jetzt bleib,
Um mich in ihr zu kühlen.
Wirklich tolle Verse!!!
Ich brauchte nicht zu knöpfen,
"Knöpfen" als Verb? Finde ich seltsam. Ich kenne nur auf-/zuknöpfen.
Wie sie dem Paradiese gleicht,
Das sie mir bot zu schöpfen.
Diese beiden Verse finde ich auch etwas problematisch. Entweder sie
ist das Paradies, oder sie gleicht ihm. Entscheide dich!
Und die letzten beiden Strophen finde ich einfach nur wahnsinnig gelungen. (Fasse "wahnsinnig" auf, wie du willst
.)
Lg presque