Liebe Inu,
ich freue mich sehr über deine Kritik, wirklich! Soooo bösartig bist du ja auch nicht
- und immerhin gibst du mir hier die Möglichkeit, zu erklären, was ich mir da zusammenstrukturiert habe - danke dafür ;-)!
Ich möchte mit deinem letzten Kritikpunkt anfangen - dass ich in der letzten Strophe sehr gebräuchliche Bilder verwende ("in den Armen", "Nacht", "Herz pocht"). Vielleicht klingt das jetzt so dahergesagt - aber ich habe sehr bewusst mit Klischees gearbeitet, um damit die "
wahre Nacht" zu unterstreichen und einen Gegensatz zu den Strophen über den "trügerischen" Tag zu schaffen, in denen die Formulierungen ja auch etwas klischeeloser klingen (hoffe ich!).
Leider, leider sind meine Metaphern für das "trügerische" nicht angekommen, ich war wieder mal zu schwammig ;-):
Der Morgen als "Wolf im Schafspelz" in Strophe 1 - obwohl hier mit "Zauberei" auch ein positiver Aspekt mit hineinkommt: ich glaube, das ändere ich, damit der "Trug", den du ja auch erwähnst, deutlicher wird: in "Hexerei". Das Lyri träumt, dass der Geliebte klagt "Die Welt steht still - Kommst du vorbei?" Das kann in etwa verstanden werden als: "Meine Welt steht ohne dich still = ich komme zu nichts, ich erlebe nichts, etc." Dieser Satz prägt sich dem Lyri ein und verfolgt es im Laufe des Tages, wobei die konkrete Bedeutung variiert (wie das manchmal mit Traumsequenzen passiert): In allem, was dem Lyri tagsüber begegnet, scheint es Hinweise auf einen Stillstand wahrzunehmen - allerdings keinen harmonischen (wie rosste richtig interpretierte), sondern einen, der das eigene Scheitern an der Welt offenlegt -
Das "um den heißen Brei herumreden" in Strophe 2 - der Eindruck des (sinnlosen) Trugs sollte damit verstärkt werden, dass der Brei noch nicht mal mehr heiß ist, und das "irgendwelchen" sollte die kontinuierliche, monotone Wirklichkeit, symbolisiert durch ein Massenmedium, betonen. Es gibt immer irgendeinen mehr oder weniger heißen Brei, um den die Berichterstattung herumkreist - insofern steht die Welt still. Das wahrzunehmen füllt einen aber nicht aus - insofern sieht man vorbei am "Wirklichen". (Du sagst, "mittags-Erste" ist nicht gelungen, aber immerhin hast sowohl du, als auch rosste das Bild entschlüsselt: ich wollte das "mittags-" unbedingt mit hineinnehmen, damit der Eindruck eines Tagesverlaufs verstärkt wird)
"Auf dem Holzweg sein" in Strophe 3 - ich dachte, der Hinweis, mit den "Steigen" sei eindeutig :-/. (Bahn)Steige gibts am Bahnhof, und die entsprechenden (Gleis)Wege bestehen aus den metallenen Gleisen selbst und den Holzbalken dazwischen. Das Lyri ist auf dem Weg "von Steig zu Steig", also mit dem Zug unterwegs, und, berücksichtigt man die letzte Strophe, vielleicht auf dem Weg zum Geliebten. Wenn man mit dem Zug fährt, hat man oft den Eindruck, die Welt rauschte vorbei, aber jedes Kind ("Händchen") weiß, dass man in Wirklichkeit selbst "an der Welt vorbeifährt" - und das kann wiederum, wie das "vorbeisehen", metaphorisch gedeutet werden.
Das "Doch" in der vierten Strophe deutet einen Bruch an, deshalb auch der Stilbruch. Liebe und Zweisamkeit als Ausweg aus dem Gefühl, dass man "bloß an allem vorbeigeht", als Festhalten am Wahren - und so erhält "stillstehen" seine positive Bedeutung: Als wirkliche Ruhe und Zufriedenheit, endlich... (hier kommt übrigens auch zum ersten Mal das Präsens)
Ich hoffe, ich habe dich mit meinen Ausführungen nicht zu sehr gelangweilt - ich habe ziemlich lange an diesem Gedicht gearbeitet und musste das jetzt einfach mal sagen ;-). Was nichts daran ändert, dass es schlecht ist - egal, was für Ideen man als Autor hat, ein Gedicht, was nicht ankommt, ist ein schlechtes Gedicht!
Vielen Dank nochmal für deinen Kommentar!
LG,
presque_rien