Flügel wachsen lassen bedeutet in diesem Gedicht nicht, zu sterben. Es heißt: aufzustreben in den Himmel, Eigenes zu versuchen. Es ist nicht einfach "flügge werden".
Eher Ikaros: "Ich will immer höher hinaus", man setzt sich scheinbar unerreichbare Ziele, aber sie werden erreicht.
Ein Beispiel war der Schneider von Ulm. Er ist zwar grandios gescheitert, aber nur, weil er die Abwinde nicht beachtet hatte. Und heute fliegt man. Wir haben Flügel bekommen.
Flügel bekommen steht auch für Perspektivwechsel.
Auf eigenen Beinen stehen.
Zur Theorie: Ein einfacher Hauptsatz kann als Gedicht geformt werden. Im 20. Jahrhundert fand ein ziemlich großer Umbruch in der Definition dessen statt, was ein Gedicht ist. Es unterscheidet sich heute ziemlich stark von Opitz.
Ich wage nicht zu sagen: Das ist kein Gedicht.
Es gibt heute Einzeilengedichte, wortlose Gedichte und vieles andere.
Das sagt natürlich noch nichts über die konkrete Qualität aus.
Im vorliegenden Fall bin ich unsicher. Es ist ein einfaches, leicht verständliches Werk, hat im Wesentlichen nur eine Metapher (Flügel). Diese Einfachheit hat ihren Sinn.
Für wen ist es? Es ist für Kinder, für die Familie, für Menschen mit ähnlichen Erlebnissen/Erwartungen.
Es ist eher volksliedhaft als komplex und Metaphernüberfrachtet.