Eine Interpretation
balkonabend
stimmen klettern
gelächter rankt
fernseher wefen schatten
in die Nacht aus klavierlack
trüffelt reihenhausaroma
was für ein blickdichter sommer
Versuch einer interpretation:
Der Titel weist schon darauf hin:
Ein Balkon ist es, und es ist Abend.
Was ist ein Balkon?
Die Vergrößerung eines geschlossenen Raumes ins Freie.
Auf dem Balkon trifft die zivilisatorische Wohnung, einzig durch einen Schritt hinaus, auf etwas nomadisches:
den unbedachten Raum.
Insofern ist der Balkon ein tranzendenter Ort, ein Ort des Übergangs, von innen nach Außen, der Schnittpunkt zweier Welten.
Hier verweilen die Menschen nach getaner Arbeit, sitzen, geben sich dem Müßiggang des Sommers bei Bier, Wein und Grillwurst hin.
Die visuellen Eindrücke des "Darunter" verschwinden, die Erde wird zu einer akustischen Bühne, aus der die Geräusche seltsam transformiert, nach oben wachsen,
wachsen , wie Pflanzen. Das drückt Ruhe, Gelassenheit und Verbundenheit von Lyrich mit der organischen Welt aus.
Der Bruch kommt mit dem Fernseher, dem mechanistischem Tor zur Außenwelt, gleichsam zur Gegenwelt
des Balkon. Beide ermöglichen Wahrnehmung von Außerhalb, sind homolog, und doch so gar nicht identisch.
Insofern ist der Schattenwurf des Fernsehers ein Störenfried der ästhetischen Situation.
Aber der Störenfried wird eingewoben in die beginnende Nacht, von der wir wissen, daß sie aus Klaverlack ist.
Sie ist also nicht gänzlich schwarz, undurchdringlich, sie glänzt, bzw. bringt natürlichen Glanz über das Flimmern der Bildröhre hinaus. So wird der Balkon zum Zufluchtsort, zu einem Utopia, das in diesem Stück, aber einen weiteren Bruch erfährt.
Hier heißt es: Reihenhausaroma.
Der Geschmack eines biederen Zuhauses, ein Erlebnis das sich von Balkon zu Balkon fortsetzt, das lyrich quasi vervielfältigt.
Aber " es trüffelt". Der Geruch ist angenehm!
Er ist teuer und uns teuer.
Denn am Ende ist es ein "Blickdichter Sommer" und lyrich,
auf wievielen Balkonen er auch sitzen mag ist:
mit sich ganz... und mitsich all-ein.
Die holographischen Splitter der Signale, die zu ihm heraufdringen bauen eine Welt, so wie sie in manchen Momenten wirklich ist.
Gelungen...
lg
Ralf