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Autor: donkelmann

Antonia Hodgson: Der Galgenvogel

Antonia Hodgson: Der Galgenvogel

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Diesen Roman als Kriminalroman zu bezeichnen, wäre nicht das richtige Wort. Er ist eher ein Ganovenroman. Denn im Mittelpunkt steht Tom Hawkins, ein Mann, der in den Tag hineinlebt, nichts Richtiges mit sich anzufangen weiß und das Geld seiner Freundin verprasst. Denn Kitty hat eine große Erbschaft gemacht und ist Inhaberin einer kleinen, verruchten Buchhandlung, die unterm Ladentisch pornographische Bücher vertreibt und regelmäßig von den Sittenwächtern kontrolliert wird.

Es wird das Jahr 1728 geschrieben im London des Lebemanns und Spielers Tom Hawkins. Der Dreck und Gestank in den Gassen, die Straßenräuber und Beutelschneider, sowie der Umgang der Menschen untereinander erinnern an die Szenerie in den Romanen von Charles Dickens und Daniel Defoe. Die Autorin hat ihren Roman in zwei Stränge strukturiert. In der Gegenwart wird von einem Erzähler der Weg Tom Hawkins zu dessen Hinrichtung in Tyburn geschildert. Dieser Strang ist für den Leser zusätzlich durch Kursivschrift abgegrenzt. Der zweite, und bei weitem längere, Strang wird vom Protagonisten selbst erzählt und ist eine Rückblende. Er geht der Frage nach, wie es dazu kommen konnte. Damit ist ein gehöriges Stück Spannung geschaffen, die vom ersten bis zum letzten Kapitel reicht. Wie auch bei dem französischen Ganoven Cyrano de Bergerac taucht der Leser in eine Welt ein, die voller Schmutz, Gestank, Vulgärsprache und Verbrechen zu sein scheint. Dabei ist an den Verhaltensweisen der einzelnen Figuren immer wieder erkennbar, dass sie auch liebevoll miteinander umgehen können und ihre Grobheit lediglich nach außen zur Schau getragen wird. Das ist die Strategie zum Überleben, zum Existieren in der Gesellschaft.

Die Figur des Protagonisten Tom Hawkins wurde bereits im ersten Roman „Das Teufelsloch“ der Autorin entwickelt. Dadurch kann Hawkins in diesem Roman bereits auf Erfahrungen zurückgreifen. Das vorhergehende Buch zu lesen, ist aber nicht zwingend notwendig für das Verständnis. Sein Weg zum Galgen wird von einem Mord verursacht. Die Aufklärung dieses Mordes strebt der Protagonist selbst an. Damit wird der Roman schließlich doch ein Ermittlungsroman. Der Leser wird im Verlauf ständig auf neue Verdächtige geführt, auf neue Fährten gelenkt. Hodgson schafft ein fantastisches Verwirrspiel mit detailtreuer Milieustudie. Über die Handlung hinaus klärt die Autorin in einem kurzen Abriss am Ende des Buches über die historischen Hintergründe auf. Eine nette Beigabe, welche gelegentlich zu einem „Aha“ führen kann.

Dieser Roman ist ein empfehlenswerter Weihnachtsschinken,. So, wie ich an den Festtagen sehr gerne historische Filme sehe, lese ich auch gerne solche Romane. Deshalb hatte mir „Der Galgenvogel“ auch schon wenige Wochen vor Weihnachten ein Gefühl von Weihnachten vermittelt.

Hodgson, Antonia
Der Galgenvogel
Droemer Knaur Verlag, München
ISBN 9783426653463

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Iny Lorentz: Das Mädchen aus Apulien

Iny Lorentz: Das Mädchen aus Apulien

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Pandolfina hat nun auch ihren Vater, den Grafen Guthier de Montcœur, verloren. Voller Trauer sitzt die vierzehnjährige am Sterbebett ihres Vaters und hält die Totenwache. Ihre Mutter, eine christliche Sarazenin, war bereits vor Jahren verstorben. Es braucht keine vierundzwanzig Stunden, da steht der Nachbar, Baron Silvio di Cudi, mit einem großen Trupp Söldnern vor dem Tor. Er behauptet, im Namen des Papstes, die Tochter des Grafen ehelichen und deren Erbe verwalten zu wollen. Doch seine Berufung auf den Papst ist nur vordergründig. Tatsächlich geht es ihm und um die Ländereien und somit um die Steuereinnahmen aus ihnen. Denn zur Grafschaft gehören gut zwanzig Dörfer. Außerdem ist die Burg des Grafen viel ansehnlicher als seine eigene, die an einen Wachturm erinnert.

Mit dieser Roman hat sich das erfolgreiche Schriftstellerduo einen weiteren Landstrich Europas und die damit verknüpfte Historie erschlossen. »Auf die Idee hat uns unsere Agenturlektorin und Mentorin mit ihrem starken Interesse an Friedrich II. von Staufen gebracht. Als wir dann mit ihr als Dolmetscherin Apulien und Campanien zur Recherche bereisten, ergab sich der Rest«, teilten mir Iny und Elmar Lorentz mit.

Zwar beginnt dieser Roman wieder mit einer weibliche Figur im Mittelpunkt, aber dies ändert sich im Laufe der Geschichte genauso wie sich Iny Lorentz auch den für dieses Genre gern gesehenen Mitteln der Kämpfe und Schlachten bedienen. Fesselnd sind die Kämpfe einzelner Ritter und Waffenknechte geschildert. Die Eroberung von Bogen mit großen und kleinen Tross liest sich spannend. Zwischen allen Kämpfen und Intrigen machen die Protagonisten eine angenehme Entwicklung durch. Sowohl Pandolfina als auch Leonhard sind am Ende des Romans andere Menschen als bei ihrer Einführung. Mit dem Wissen des Lesers mag man sich zwischenzeitlich über Leonhard ärgern, ahnt aber, dass er den Konflikten durchaus gewachsen sein wird.

Ein abenteuerlicher Schmöker, der bestens dazu geeignet ist, an langen Winterabenden in die vergangenen Zeiten abzutauchen und sich von hinreißenden Figuren in den Bann ziehen zu lassen. Mir gefällt diese Roman ausgesprochen gut und ich empfehle ihn sehr gerne.

Lorentz, Iny
Das Mädchen aus Apulien
Dromer Knaur Verlag, München
ISBN 9783426663820

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Nele Neuhaus: Im Wald

Nele Neuhaus: Im Wald

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Mit einer besonderen Spannung wartet der neue Kriminalroman von Nele Neuhaus auf. Bevor die eigentliche Handlung beginnt, gibt es zwei Abschnitte, die auf den ersten Blick nichts mit dem aktuellen Kriminalfall zu tun haben. Dabei ist der Prolog offensichtlich, nicht nur durch die mitgelieferte Datumsangabe, eine Rückblende auf ein Ereignis von mehr als vierzig Jahren. Der erste Abschnitt des ersten Kapitels lässt den Leser an dem Brand eines Wohnwagens auf einem Campingplatz teilhaben. Die gerne von Alkohol beseelte Felicitas Molis schaut mit Schrecken und Fernglas auf das lodernde Feuer.

Beide Abschnitte sorgen für Spannung, weil es sehr interessant wäre, zu wissen, welcher Zusammenhang zwischen ihnen besteht. Danach geht es schnell mit den Ermittlungen zur Sache. Oliver von Bodenstein, der adelige Ermittler dieser Autorin, wird zur Brandstelle gerufen. Doch die erste Vermutung, dass es sich um den seit Wochen tobenden Feuerteufel handelt, wird schnell zerschlagen. Im Wohnwagen wird eine Leiche gefunden. Bodenstein und seine Kollegin Pia Sander müssen in einem Mordfall ermitteln. Dann geht es offenbar Schlag auf Schlag, in kurzer Zeit gibt es weitere Tote. Und als Leser fragt man sich immer noch, warum der Prolog eine Situation von vor vierzig Jahren beschreibt.

Nele Neuhaus hat ein sehr umfangreiches, aber nicht weniger interessantes Figurenensemble geschaffen. Wegen der Geschehnisse vor 42 Jahren geht es in die Kindheit von Bodenstein zurück, seine Schulkameraden und Spielgefährten tauchen wieder in seinem Leben auf. Alte Erinnerungen werden hervorgeholt. Die Figuren sind detailreich und konfliktbeladen ausgearbeitet. Kaum eine gerade Figur. Die aus den vorangegangenen Romanen bekannten Figuren erscheinen in einem neuen Licht und erhalten neue Züge, was auch sie wiederum interessant macht. Die düsteren, in der Vergangenheit liegenden Geschehnisse der Bewohner der Taunusörtchen tun ihr Übriges.

Die Jahresangabe der aktuellen Handlung fand ich unnötig. Auch die sich gelegentlich wiederholende Informationen zu bestimmten Situationen sind redundant, denn dem Leser ist vieles schon nach dem ersten Lesen bekannt. Beide Kritikpunkte Schaden aber nicht meiner Bewertung mit höchster Punktzahl. Top-Buch!

Neuhaus, Nele
Im Wald
Ullstein Verlag, berlin
ISBN 9783550080555

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Peter Prange: Unsere wunderbaren Jahre

Peter Prange: Unsere wunderbaren Jahre

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Untertitelt als der große Roman der Bundesrepublik Deutschland schickt sich Peter Pranges neuer Roman tatsächlich an, ein Roman von umwerfender Bedeutung zu werden. Es ist ein Roman des geteilten und wiedervereinten Deutschlands. Was eignet sich besser dafür, als die Geschichte ehemals beider deutscher Staaten anhand einer Familie und ihrer Mitglieder zu schildern.

So lernt der Leser zu Beginn die Familie Wolf im Jahre 1948 kurz vor der Währungsreform kennen, Christel und Eduard sowie ihre Töchter Ruth, Ulla und Gundel. Es steine Unternehmerfamilie im sauerländischen Altena (der Heimatstadt des Schriftstellers). Ruth, die älteste Tochter war als Krankenschwester an der Front und hatte ihren Ehemann, einen Bauern aus der Uckermark, von dort mitgebracht. Ihre Eltern sind genauso wenig mit Ruths Ehe glücklich und zufrieden, wie sie es mit ihrem Dickschädel waren, unbedingt dem Ruf des Führers an die Front folgen zu müssen. Ruth wurde vom Vater verstoßen und nimmt nicht am Leben der Familie teil. Ihre jüngeren Schwestern Ulla und Gundel machen gerade ihre ersten Erfahrungen mit jungen Männern. Sie versuchen sich im Leben zu orientieren und ihren Weg zu finden. Ulla möchte unbedingt Medizin in Tübingen studieren. Die vierzig D-Mark, die sie mit der Währungsreform erhält, gibt sie für die Studiengebühren und die Einschreibung an der Universität aus. Doch wie das Leben auch in der Realität den Menschen nicht immer ihre Wünsche erfüllt, so erfahren auch die Figuren dieses Romans ein bewegtes Auf und Ab in ihrem Leben.

Zwar habe ich schon verschiedene Familienromane gelesen, doch keines kam mit dem von ihm erzeugten Eindruck so dicht an Thomas Manns „Buddenbrooks“ heran. In all seinen Dimensionen, Zeitepochen und Familienschicksalen erinnert es mich immer wieder an diesen Klassier, der aus demselben Verlag stammt. Natürlich mit dem wesentlichen Unterschied einer gänzlich anderen Zeitepoche. Insgesamt werden die Generationen der Familie Wolf im Zeitraum 1948 bis 2002 dargestellt. Die Unterteilung in verschiedene Bücher und Teile hilft dabei, die jeweiligen historischen Ereignisse einzuordnen. Das Wachsen der Kinder und Enkel geschieht manchmal in „Riesenschritten“, tut der Handlung aber keinen Abbruch. Wegen der verschiedenen Familienmitglieder bleibt es immer wieder spannend, zu sehen, wie sie sich in all den Jahren weiterentwickeln. Überraschungen sind natürlich gewollt, aber in welche Richtung sich etwas gestalten kann, erzeugt immer wieder ein gewisses Kribbeln beim Lesen. Neben der Familie Wolf spielen weitere Figuren nicht ganz unwichtige Nebenrollen, an denen der Leser ganz starkes Interesse aufbauen kann. Sowohl Alt-Nazi als auch Jung-Kommunist treffen auf der Bühne und beim Schützenfest aufeinander. Um den Spannungbogen gar nicht erst abreißen zu lassen, hat Prange viele Kapitelenden mit kleinen Cliffhangern versehen. der Leser wird gezwungen weiterzulesen, um zu erfahren, wie eine Situation aufgelöst wird.

Peter Prange sagt im Nachwort, dass dies sein persönlichster Roman ist, den er je geschrieben hat. Zwar ist es ein fiktiver Roman, aber es werden reale Begebenheiten aus dem Leben des Schriftstellers bewusst integriert. Und seien es nur die Namen der Nebenfiguren. So spielen sein Vater und er selbst kleine Nebenrollen, wie auch Figuren aus seinem Bestseller „Das Bernstein-Amulett“. Ich habe mich gefreut, wieder von Barbara Reichenbach und Elisabeth Markwitz zu lesen, waren es doch Figuren, die mich in all den Jahren immer wieder zu Büchern von Peter Prange haben greifen lassen.

„Unsere wunderbaren Jahre“ ist ein wunderbarer Roman, welcher mit vielen Einzelschicksalen die Geschichte Deutschlands zur Zeit der Trennung beleuchtet. Zeitlich schließt er beinahe an „Das Bernstein-Amulett“ an und ist weit mehr als ein würdiger Nachfolger des Bestsellers. Dieser Romanstoff wird Filmproduzenten herausfordern, ihn zu verfilmen und mindestens in einem Mehrteiler auf den Fernsehschirm zu bringen.

Die Teilung und die Wiedervereinigung Deutschland anhand einer einzigen Familie zu schildern, ist ein Muss für jeden ehrlich interessierten Leser. Geschichte als spannende Unterhaltung erlebbar zu machen, kann kaum besser gelingen.

Prange, Peter
Unsere wunderbaren Jahre
S. Fischer/ Scherz Verlag, München
ISBN 9783651025035

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Guido Dieckmann: Die Heilerinnen von Aragón

Guido Dieckmann: Die Heilerinnen von Aragón

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Die beiden Cousinen Floreta und Celiana sind Jüdinnen und leben in Granada. Fester Bestandteil ihrer Familie ist ihr gemeinsamer Großvater Samu, ein hoch angesehener Heiler am Hofe Muhammads. Doch der Herrscher lebt gefährlich. Seine Macht wird ihm streitig gemacht. Ein Putsch seiner Neider sorgt dafür, dass Muhammad flieht. Geholfen hat ihm dabei Celiana, seine Geliebte, die ihm für die Flucht ihre Kleidung gab. Doch der neue Herrscher in Granada vernichtet alle Menschen, die seinem Widersacher nahestanden. Dazu gehört auch Samu und dessen Familie. Der Arzt wird getötet, seine beiden Enkelinnen auf dem Sklavenmarkt verkauft. Doch zuvor hat er Floreta seinen Medizinkoffer anvertraut, im Vertrauen darauf, dass sie eine besondere Obacht auf ihn walten lässt und mit dem Inhalt umzugehen versteht.

Der Roman wurde in drei Zeitabschnitten angelegt, in dem jeweils etwas Gravierendes in der Handlung passiert. Im ersten Teil die oben genannte Versklavung der beiden Protagonistinnen, ähnlich eines etwas längeren Prologes. Im zweiten Teil erlebt der Leser die beiden einer Zwischenstation. Den umfassendsten Teil nimmt der dritte Teil ein, der teils am Hofe des Königs von Aragón, teils im Judenviertel von Zaragoza, der Judería, spielt.

Wie auch bei den Romanen von Lea Korte („Die Maurin“ und „Das Geheimnis der Maurin“) lernt der Leser ein Mittelalter kennen, welches exotisch und orientalisch ist und den Zauber von 1001er Nacht versprüht. Man erfährt von dem friedlichen Zusammenleben der Menschen unterschiedlichen Glaubens. Auf der iberischen Halbinsel gab es viele Jahrhunderte das gemeinsame Leben von Juden, Muslimen und Christen. Doch das Streben nach Macht, besonders in der Katholischen Kirche, hatte für einen Zusammenbruch dieses friedlichen Zusammenlebens geführt.

Dieckmann bringt den Leser ganz sanft in einer spannenden und unterhaltenden Art viele Zusammenhänge der damaligen Zeit nah. Einem Abenteuer gleich verfolgt man das Geschehen um die beiden Cousinen, die dabei immer mehr zu Freundinnen werden. Immer wieder gibt es überraschende Wendungen, natürlich zu einem Zeitpunkt, an dem man als Leser gar nicht damit gerechnet hat. Einiges wird danach neu gewürfelt und fordert zum erneuten Arrangieren auf.

Orientalisch spannend! Exotisch unterhaltsam! Lesemuss, Lesegenuss!

Dieckmann, Guido
Die Heilerinnen von Aragón
rowohlt, Hamburg
ISBN 9783499271755

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Gregor Weber: Asphaltseele

Gregor Weber: Asphaltseele

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Dieser Roman ist das krasse Gegenteil zu den unzähligen Tatort-Filmen, die allzu sanft daherkommen, in denen die Polizei alle Gesetze einhält und die Täter in Watte packt, lieber die eigene Waffe auf den Boden legt, wenn eine auf sie gerichtet wird. Dabei hat es solche Typen wie Dave Robicheaux, einen Protagonisten des amerikanischen Schriftstellers James Lee Burke, auch schon im deutschen Fernsehen gegeben. Beide Male unter anderem gespielt von Jörg Schüttauf: als Thomas Becker in „Der Fahnder“ sowie als Fritz Dellwo im Tatort aus Frankfurt mit Andrea Sawatzki.

Doch worum geht es? Ruben Rubeck ist Ex-Soldat, war viele Jahre im Kosovo und anschließend zur Polizei gegangen. Er ist alleinlebend in der Frankfurter City, die auch rund um den Hauptbahnhof sein Arbeitsplatz ist. „Ich hab’s einfach gerne nah zur Arbeit.“ Außerdem ist er Alkoholiker, Sex und etwas Geselligkeit kauft er sich bei Ina, einer Prostituierten. Die Abende verbringt er meist in einer Kneipe um die Ecke. Als er diese eines Tages verlässt, gerät er in eine Schießerei. Entgegen der Dienstanweisung, Waffen in der Freizeit nicht bei sich zu tragen, hatte er seinen SIG im Holster, rettet einem jungen Pärchen das Leben, erschießt einen der Ganoven und verletzt einen zweiten schwer. Alles in allem kommt er gut aus dieser Sache heraus. Wie sich herausstellt, handelte es sich wohl um eine Schießerei zwischen zwei rivalisierenden osteuropäischen Banden, Rubeck ist für kurze Zeit der Held. Dann tritt ein Mitarbeiter des LKA auf dem Plan. Er will Rubeck anheuern, den Mann, den dieser angeschossen hat und der noch im Krankenhaus liegt, undercover dingfest zu machen. Es handelt sich um eine Milieugröße aus Hamburg. Rubeck kämpft mit sich, weil er sich nicht gerne von einem anderen etwas sagen lässt. Aber dann nimmt das Unheil seinen Lauf.

Gregor Weber hat bestimmt viele Vorlagen aus Romanen und Filmen in seinem Kopf gehabt, die zu solch einem heruntergekommenen und dennoch sympathischen Protagonisten führten. Aber er hat vor allem den Mut gehabt, einen solchen Plot in Deutschland anzusiedeln. Mir hatte ein befreundeter Schriftsteller mal gesagt: „Man müsste in Amerika leben, da könnte man Ballerszenen schreiben, Hubschrauber abschießen und dergleichen. Das ist in Deutschland alles gar nicht machbar, weil es unglaubwürdig wäre.“ Weber zeigt, dass es doch geht. Und das auch Schießszenen auf offener Straße glaubwürdig gestaltet werden können.

Für den Aufbau des Romans wurden zwei verschiedene Handlungsabläufe spannungsvoll montiert. In einer Rückblende erlebt der Leser den Einsatz eines Spezialkommandos im Kosovo bei der Festnahme eines Kriegsverbrechers. In der aktuellen Handlung erfolgt die Jagd nach einem osteuropäischen Gangsterboss. Die Rückblende könnte als separate Geschichte auch komplett vorher gelesen werden. Sie sorgt aber durch die Montage zwischen den anderen Kapiteln für besondere Spannung. Die Spannung insgesamt schafft der Autor einerseits durch actionreiche Szenen, durch viele Cliffhänger am Ende der Kapitel, durch innere Widersprüche und Konflikte in den Gedanken des Protagonisten und durch immer wieder neue Wendungen im Verhalten der Figuren. Die wenigen, verlässlichen Ausnahmen sind eher Nebenfiguren. Schließlich bleibt dem Leser immer das Bangen, ob es Rubeck mit seinem Verhalten nicht doch irgendwie an den Kragen geht.

Hart, dreckig, Frankfurter Bahnhofsviertel, actiongeladen hat Gregor Weber seinen Protagonisten voll mit Emotionen gespickt und ihm einen interessanten Lebenslauf verpasst, der nicht nur von der Campingplatzidylle des Soldatsseins berichtet. Ein Thriller für alle, die es hart mögen.

Weber, Gregor
Asphaltsseele
Heyne Verlag, München
ISBN 9783453270206

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Barbara Bickmore: Wer nach den Sternen greift

Barbara Bickmore: Wer nach den Sternen greift

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Die Geschichtebeginnt mit Annie Phelps und Frank Curran im Jahre 1878. Eigentlich wollte Frank alleine in die Berge, um nach Gold zu graben. Doch Annie hatte keine Scheu, Frank vor dieser Reise zu heiraten und darauf zu bestehen, mit ihm gemeinsam in das Camp zu gehen. Da in dem Camp nur Männer leben, macht sie sich nützlich mit Kochen und Wäschewaschen. Die Männer dankten es ihr und belohnten sie reich. Annie verdiente damit im ersten Winter in den Bergen mehr als Frank mit dem Gold. Auf diese Weise kamen beide in kurzer Zeit zu einem ansehnlichen Vermögen. Die Basis für eine der reichsten Familien der USA war gelegt. Beide bekamen Kinder und sie wurden Großeltern.

Schon bald dreht sich die Familensaga um die Enkelin Alex, die selbst über ihre Mutter Sophie hinauswächst. Sie ist schön, sie ist reich, und ihre Mutter verheiratet sie mit einem Mann des britischen Adels. Zwar hatte auch die Mutter reich geheiratet, aber einen Adelstitel hatte sie nicht erreichen können. Das schaffte sie aber für Alex zu arrangieren, denn deren Mann und seine Familie benötigen dringend Geld für den Unterhalt ihres Anwesens und ihren adligen Lebensstil. Doch Alex versucht den Spagat zwischen einer unglücklichen Ehe und einem erfüllten Leben.

Die Schriftstellerin ist für ihre großen Familiengeschichten bekannt. Auch der vorliegende Roman beschreibt eine (fiktive) Familie in der Zeit von 1878 bis 1946. Er beginnt im Wilden Westen Amerikas und endet in einem englischen Schloss in Europa. Das Leben und die Schicksale der Mitglieder dieser Familie sind es, die den Leser in seinen Bann ziehen. Als Stil hat die Autorin einen gewählt, der an den einer Erzählung heranreicht. Aus weiter Ferne, wie von oben herab, wird auf das Geschehen geblickt, um zwischendurch für einzelne Perioden ganz nah in die Handlung einzutauchen. Gut und gerne hätten aus diesem Stoff auch 3 bis 4 Romane werden können, wenn tiefer ins Detail gegangen wäre. So bleibt leider auch etwas Spannung auf der Strecke. Konflikte in der Familie werden kaum sichtbar. Alles löst sich wie selbständig in Wohlgefallen auf. Erst ab der zweiten Hälfte etwa werden die einzelnen Kapitel mit Cliffhangern beendet. Ab da handelt der Großteil der Geschichte hauptsächlich von Alex. Schließlich aber wird es zum Ende hin noch dramatischer während der Zeit des Zweiten Weltkrieges, was zum abschließenden Höhepunkt des Romans führt.

Der Roman ist angenehm zu lesen, unterhaltsam, zieht in den Bann über die Geschichte der Familie, die Höhen und Tiefen durchleben muss, obwohl es nie an Geld mangelt.

Bickmore, Barbara
Wer nach den Sternen greift
Droemer Knaur Verlag, München
ISBN 9783426662335

© Detlef Knut, 2016
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Mary Higgins Clark: Und morgen in das kühle Grab

Mary Higgins Clark: Und morgen in das kühle Grab

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Nicholas Spencer, der charismatische Geschäftsführer einer medizinischen Forschungsfirma, verschwindet spurlos. Ist er wirklich ein Betrüger, der die Flucht ergriff, kurz bevor sich herausstellte, dass der entwickelte Impfstoff gegen Krebs völlig wertlos war? Oder ist er vielleicht der Held, dem sein Forschungsergebnis abgejagt werden soll und der von den anderen hereingelegt wurde?
Die Journalistin Carley DeCarlo soll einen Artikel über Spencer schreiben und beginnt zu recherchieren. Doch mit dem, was sie entdeckt, bringt sie sich selbst in höchste Lebensgefahr.

Der vorliegende Roman ist erneut ein packender Psychothriller, der den Leser zwar miträtseln lässt über das, was geschehen sein könnte. Aber er führt den Leser auch auf so viele verschiedene Fährten und zu Spekulationen, so dass der Leser stets damit rechnen muss, dass auf der nächsten Seite alles anders kommt.
Geschickt arbeitet Mary Higgins Clark mit verschiedenen Perspektiven. Ein Erfolgsrezept, welches diese Autorin in vielen Ihrer Romane eingesetzt und zur Perfektion ausgereizt hat. Das Erleben der Protagonistin DeCarlo erzählt diese selbst aus ihrer Perspektive, hingegen werden alle anderen Situationen, in denen sie nicht selbst agiert, von einem Erzähler in der dritten Person dargestellt. Dadurch fühlt sich der Leser ganz nah bei der Hauptfigur, schaut dieser über die Schulter. Andererseits bekommt er durch den zweiten Erzähler das Gefühl, dass ihm die Strippen nicht aus der Hand gleiten können, denn er erfährt ja auch alles, was sonst noch passiert. Er weiß damit scheinbar mehr als die Journalistin DeCarlo.

Spannung um ein korruptes Wirtschaftssystem, welches nicht unbeachtet werden sollte.

Clark, Mary Higgins
Und morgen in das kühle Grab
Aus dem Amerikanischen von Andreas Gressmann
Heyne Verlag, München
ISBN 9783453430082

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Sabine Klewe: Wer nicht das Dunkel kennt

Sabine Klewe: Wer nicht das Dunkel kennt

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Bei der Überquerung einer Straße inmitten Düsseldorfs wird ein Mann von einem Auto überfahren. Schwer verletzt kommt er ins Krankenhaus. Ungefähr zur selben Zeit wird die Leiche einer Frau am Rande des Schwanenspiegels im Zentrum der Stadt gefunden. Die Ermittler Lydia Louis und Christopher Salomon werden beauftragt. Weil die Tote offenbar erwürgt worden ist, gehen sie zunächst dem Gerücht aus der Prostituiertenszene nach, nach welchem ein „Würger“ sein Unwesen treiben soll. Wegen des zerschundenen Gesichts der Frau ist eine erste, schnelle Identifikation schwierig. Die Polizei geht bei dem Opfer von einer Prostituierten aus. Während der Unfall des Mannes eigentlich keine Rolle für das KK11 spielt, wird alles anders, nachdem sich herausstellt, dass der Verunfallte möglicherweise die Tote kennt. Doch wie passt das zum „Würger“?

Sabine Klewe hat einen packenden Kriminalroman geschrieben. Er ist in ihrer Heimatstadt Düsseldorf verortet und lässt den Düsseldorfer lesern die zurückgelegten Strecken „mitfahren“. Vom Verlag wurde dieser Roman zwar als Thriller tituliert, was er m. E. nach nicht ist. Trotz aller Rasanz, dem hohen Tempo in Handlung und Spannung und den zahlreichen Konflikten, die die Autorin für den spannungsliebenden Leser bereithält. Immer wieder führen die gedanklichen Spekulationen der Leser in eine Sackgasse. Dafür verantwortlich ist dieses enorme Konfliktpotential, mit dem die Autorin die Beziehungn der handelnden Figuren gewürzt hat: karriegeile Kollegen, schleimende Vorgesetzte, Kollegen mit privaten Problemen, ungeklärte Freundschaften. Alles das befördert die Schnelligkeit des Lesens, denn einmal angepackt, wird der Roman kaum aus der Hand gelegt.

Nachteilig, jedoch nicht zum Punktabzug führend, fand ich die Unsitte, dass sich die Kollegen alle mit Nachnamen ohne Anrede ansprechen. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie erlebt, dass sich die Menschen ausschließlich mit ihrem Nachnamen anreden. Dies ist ein Unsitte aus den Tatort-Verfilmungen, die jeglicher Realität widerspricht. Aber der Spannung schadet das keinesfalls. Sicher sind nicht alle Leser so sensibel wie ich. Deshalb also: Daumen hoch für diesen packenden Krimi!

Klewe, Sabine
Wer nicht das Dunkel kennt
Goldmann Verlag, München
ISBN 9783442482399

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Horst Eckert: Wolfsspinne

Horst Eckert: Wolfsspinne

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Melli Franck, die Wirtin des „Greens“ hat finanzielle Probleme. Irgendwer in ihrem Laden scheint sie zu betrügen. Es kann doch nicht sein, dass plötzlich die Kosten höher als die Einnahmen sind. Melli ahnt nicht, dass sie irgendwo auf der Abschussliste steht. Doch sie und ihr Restaurant werden beobachtet. Es freut sich jemand darauf, sie bald in die Finger zu bekommen und sich an ihrem Körper zu befriedigen.
Nachdem der Chefermittler Vincent Ché Veih bei einer Anti-Pegida-Demo von seinen eigenen Kollegen festgesetzt wurde, wird er über den Fund einer Leiche informiert. es handelt sich um die Leiche von Melli Franck. Später stellt sich heraus, dass die Wirtin wohl selbst noch die 110 auf ihrem Handy getippt hat, während sie im Sterben lag und dabei vergewaltigt wurde.

Das Können eines Schriftstellers besteht darin, eine fiktive Geschichte so zu erzählen, als hätte sie genau so und nicht anders in der Realität stattgefunden. Horst Eckert ist ein Meister darin und greift auch in diesem wie in seinen vorhergehenden Romanen auf ein probates Mittel zurück: die Aktualität. Als gelernter Journalist weiß er zu recherchieren, zu interpretieren und sich in ein Thema zu vertiefen. So hat er es auch im vorliegenden Roman geschafft, die brisante Geschichte mit so vielen aktuellen Details aus dem Geschehen der Bundesrepublik anzureichern bzw. diese als Grundlage zu wählen, dass den Leser das kalte Grauen kommen kann. Die Lücken, die in der Berichterstattung um NSU, Pegida und Flüchtlingsproblematik von den Medien hinterlassen wurden, weiß Eckert zu nutzen und mit einer erschreckend real wirkenden Was-wäre-wenn-Geschichte zu füllen.

Eckert zieht einen ungewöhnlich großen Bogen um die Verbrechen, die augenscheinlich ganz „banal“ mit einem Mord beginnen. Stränge und Verwirrungen führen in die entlegensten Ecken unserer heutigen Gesellschaft. Ränkespiele um Macht und Einfluss und nicht zuletzt Geld sorgen für durchweg anhaltende Spannung. Wer das heutige Geschehen in den Medien verfolgt, kommt nicht umhin, die Fiktion des Schriftstellers Horst Eckert für eine mögliche reale Option zu halten. Ein hochkarätiger Eckert wie nicht anders zu erwarten.

Eckert, Horst
Wolfsspinne
Rowohlt Verlag, Hamburg
ISBN 9783805250993
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