Monika Rein: Süße Heilpflanzenkraft – Sirup, Bonbons und Oxymel selbst gemacht

Monika Rein: Süße Heilpflanzenkraft – Sirup, Bonbons und Oxymel selbst gemacht

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Heilpflanzen werden gerne bei leichten Beschwerden und Befindlichkeitsstörungen genutzt. Gut, wenn man sich bei Bedarf einen Tee, einen Sirup oder ein spezielles von der Autorin entwickeltes Tonixier zubereiten kann bzw. schon etwas für alle Fälle in der Hausapotheke hat. In den Rezepturen wird kein weißer Haushaltszucker verwendet, sondern alternative Süßungsmittel von Birkenzucker über Honig, Kokosblütensirup und Agavendicksaft bis hin zu Apfeldicksaft.

Monika Rein steigt in das Thema ein, indem sie zunächst Heilpflanzenauszüge im Allgemeinen beschreibt. Honigauszüge bzw. Oxymel, Sirupe usw. enthalten die gelösten Wirkstoffe, die dann die Gesundheit unterstützen sollen.

Es werden Kräuter benötigt, die im Garten wachsen oder aus Wildsammlung stammen. Und so gibt es natürlich auch Hinweise zum Sammeln bzw. Ernten.
Kaum ein Kraut wächst jedoch das ganze Jahr über. Es steht also nicht immer für eine Ernte zur Verfügung. Deshalb werden für die Rezepturen, und das ist das Besondere am Buch, jeweils drei heimische Pflanzen verwendet, die den gleichen Erntezeitpunkt haben, wobei das Pflanzentrio auch aus selbst getrockneten oder in der Apotheke gekauften Kräutern bestehen kann.

Bei den naturbelassenen Süßungsmitteln wird das verwendet, was am besten zum jeweiligen Hausmittel passt. Sie werden aber auch noch einmal in einem extra Kapitel genau beschrieben. Die verwendete Süße ist eine Empfehlung. In den Basisrezepten werden Alternativen aufgezeigt.

Ein großer Teil des Buches ist diesen Basisrezepten gewidmet, was sehr praktisch ist, denn das verkürzt die individuellen Rezeptanleitungen und macht sie übersichtlicher. Und selbst verständlich erfährt man alles über die Inhaltsstoffe der verwendeten Heilpflanzen und welche Wirkung sie haben.
Die vorgestellten Hausmittel können erfahrungsgemäß beispielsweise die Abwehr stärken, Erkältungsbeschwerden lindern, die Darmgesundheit unterstützen, bei Wechseljahresbeschwerden hilfreich sein oder den Stoffwechsel anregen.

Das mit einer Vielzahl von ansprechenden Fotos versehene Buch ist sehr inspirierend und hilfreich. Es finden sich einfache Rezepte und solche, die mit etwas mehr Arbeit verbunden sind. Kompliziert ist jedoch keins. Man kann also jederzeit im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter in die Zubereitung von Hausmitteln einsteigen.

Rezension von Heike Rau

Monika Rein
Süße Heilpflanzenkraft – Sirup, Bonbons und Oxymel selbst gemacht
160 Seiten, broschiert
Verlag Eugen Ulmer, April 2023
ISBN-10: 3818617279
ISBN-13: ‎978-3818617271
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Kent Haruf: Das Band, das uns hält

Kent Haruf: Das Band, das uns hält

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Aufgebrochen in den Westen der USA nach Colorado, damals um 1900 noch ein raues und unbesiedeltes Land, finden die junge Ada und John Goodnough nur schwer zueinander.
Er ist ein notorischer Eigenbrötler mit raubeinigen Manieren und wenig Herz. Seine Frau Ada ist zart und empfindsam. Sie ist dem groben Leben auf dem erst noch urbar zu machenden Land kaum gewachsen.

Mit dieser Einführung beginnt ein Roman, in dem es an Härte aber auch Liebe unter den Menschen nicht mangelt.
Die Geschichte schildert ein Geschwisterpaar, das durch äußere Umstände eng aneinander gebunden bleibt, so dass beide kein Lebensglück finden können.
Langsam aufgebaut und mit immer neuen Erzählsträngen versehen, öffnet uns der Autor den Blick auf ein Leben, das von äußerster Kargheit und entbehrungsreichen Jahren gezeichnet ist.

Ada stirbt schon mit 42 Jahren und hinterlässt ihre jungen Kinder einem Vater, der mit harter Hand durchgreift. Mürrisch und herrisch lässt er seine Kinder auf dem Feld und bei der Viehzucht kräftig zupacken.
Edith und Lyman sind die Kinder dieser Ehe, die kein Glück für alle brachte.

Erwachsen geworden wird Edith, eine hübsche junge Frau, von einem Nachbarn umworben, der sie gerne heiraten will. Der brutale und selbstsüchtige Vater weiß das zu verhindern. Edith kann sich seinem Anspruch, weiterhin für ihn und den Bruder Lyman zu sorgen, nicht entziehen.
Lymann sucht eines Tages das Weite und lässt sich erst 20 Jahre später wieder blicken.

Die Spannung steigt mit Fortgang der Geschichte. Man bekommt einen unmittelbaren Eindruck vom Leben auf dem Land, von Dürre, Schnee und Kälte. John Roscoe, der Nachbar, sieht mit argwöhnischen Augen, wie Ediths Leben unter der Härte der Lebensbedingungen langsam vergeht.

Die Erzählung vermittelt einen starken Eindruck vom Leben der Farmer, ihrer spartanischen Lebensweise, den wenigen Freuden, und den unfreundlichen Umgangsformen eines cholerischen und harten Wüterichs, den Roy Goudnough verkörpert.

Edith ist die eigentlich Leidtragende, weil sie dem wütenden Vater ausgeliefert bleibt. John Roscoe, deren Nachbar, heiratet und sie bekommen Sohn Sanders, der die ganze Zeit Erzähler dieser Geschichte bleibt.

In dem Roman passieren noch weitere unwahrscheinliche Geschichten. Ein rundes Bild einer fast archaischen Welt tut sich auf. Die Jahre gehen ins Land, und die Zeiten ändern sich.
Unverdrossen bleibt Edith ihrem Bruder Lyman verbunden, der bis zum bitteren Ende ihr Leben belastet.
Auch so kann Leben sein: Plackerei, Mühe und nie zugelassene Träume von einer besseren Lebensgestaltung.

Kent Haruf berichtet hautnah und intensiv. Man bleibt zunehmend fasziniert vom Fortgang der Geschichte und ihrem Ende. Haruf ist ein herausragender Erzähler, von dem es schon zahlreiche Bücher über den fiktiven Ort Holt in Colorado gibt.

Kent Haruf
Das Band, das uns hält
320 Seiten, gebunden
Diogenes, Mai 2023
ISBN-10: 3257072295
ISBN-13: 978-3257072297
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Daniel Glattauer: Die spürst du nicht

Daniel Glattauer: Die spürst du nicht

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Sophie Luise, die 14-jährige Tochter von Elisa und Oskar Strobl-Marinek, besteht darauf, dass ihre Schulfreundin Aayana, sie ist ein Flüchtlingskind aus Somalia, mit in den Urlaub in der Toskana kommt. Damit es eine entspannte Auszeit wird, legt sich ihre Mutter ins Zeug, diese Bedingung erfüllen zu können. Das befreundete Paar Engelbert und Melanie Binder und ihr 9-jähriger Sohn Benjamin sind mit von der Partie. Auch Sophie Luises jünger Schwester Lotte, ebenfalls 9 Jahre alt, kommt natürlich mit.

Zunächst werden die Erwachsenen vorgestellt. Der Autor streicht ihren erfolgreichen beruflichen Werdegang und ihre Charakterzüge heraus, sodass man sich ein Bild von ihren Stärken und Schwächen machen kann. Dass auch Aayana anwesend ist, stört die Binders nicht. Wie Engelbert so treffend formuliert: „… die spürst du gar nicht.“ (Seite 15). Und auch wie es dazu kam, dass das Flüchtlingskind mitkommen durfte, wird erzählt, denn es war ein großes Problem, seine Eltern davon zu überzeugen. Nicht nur wegen der Sprachbarriere. Es hätte ein schöner Urlaub werden können, doch kommt es anders. Es geschieht ein Unglück, mit dem nun alle zu kämpfen haben.

Jeder geht auf seine Weise damit um und versucht auf die äußeren Einflüsse so gut es geht, zu reagieren. Besonders Elisa gerät ins Blickfeld, da sie eine bekannte Politikerin ist. Sie strickt sich eine Geschichte zurecht, die erträglich ist und sie in einem besseren Licht dastehen lässt. Melanie Binder plagen Gewissensbisse. Die Männer versuchen zu relativieren. Sophie Luise wird vergessen. In der Schule wird sie ausgegrenzt. Also zieht sie sich zurück mit ihren Sorgen und Nöten, findet Trost im Internet, wo sie einen Jungen kennenlernt, der ihr unerwartet Verständnis entgegenbringt. Doch wie geht es der Familie von Aayana, die nach einer traumatischen Flucht jetzt den Verlust ihrer Tochter verkraften muss?

Auch wenn das Buch mit einem ironischen Unterton geschrieben ist, dürfte es niemanden kaltlassen. Schließlich greift der Autor hier ein Thema auf, das die Gesellschaft beschäftigt und Meinungen auseinandergehen lässt.
Der Erzählstil ist tiefgreifend, trotz oder gerade wegen dieses Untertons. Schaute man eben noch mit einem gewissen Abstand auf eine unterhaltsame Handlung und die mitspielenden Personen, ist man plötzlich mitten drin.

Die Geschichte liest sich wie ein Drehbuch. Der Autor führt Regie, wechselt dabei immer wieder Drehorte und Blickwinkel. Dialoge sind die bestimmenden Elemente, aber auch Pressetexte. Kommentare aus den sozialen Medien sind eingebunden, die das vielfältige und teils unsachliche Meinungsbild wiedergeben, das wir wohl alle kennen. Dazu kommen die Ausführungen der Anwälte, denn tatsächlich geht die Sache vor Gericht. Und hier wird alles noch einmal aufgerollt.

Rezensionen von Heike Rau

Daniel Glattauer
Die spürst du nicht
304 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag, März 2023
ISBN-10: 3552073337
ISBN-13: 978-3552073333
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Fabio Andina: Davonkommen

Fabio Andina: Davonkommen

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Fabio Andina schreibt Bücher, die in ihrer Sprache von großer Eleganz, Stille und Melancholie erfüllt sind.

Der Icherzähler monologisiert unentwegt und teilt einem imaginären Zuhörer seine Gedanken mit.
Worum geht es eigentlich?
Nun, ein Mann fühlt sich schlecht, er sucht einen Psychiater und findet nur sehr schwer jemanden, der Zeit für ihn hat.
Schließlich gelingt es ihm. Ein Arzt verschreibt ihm Beruhigungs-und Schlafmittel. Er braucht sie dringend, denn seine Frau will sich trennen, und er erträgt den Gedanken kaum, sich damit auch von seinem kleinen Sohn trennen zu müssen.

Es folgen zahlreiche Episoden, die sich alle immer gleichen: es schneit, es ist sonnig, er musste in eine Hütte in den Bergen ziehen, weil er in der Stadt keine Wohnung fand. Er telefoniert täglich mit seinem Sohn, muss sich aber auch mit den Schikanen seiner Frau herumschlagen, die den Kontakt zum Sohn oftmals verhindert, mindestens aber stört.
Er liebt diesen Sohn sehr! In Gedanken spricht er mit ihm und sehnt sich nach ihm.
Arbeitslos und aller Bindungen beraubt, drehen sich seine Gedanken und inneren Monologe um ihn, diesen kleinen geliebten Sohn, der vier Jahre alt ist.

Als Wachdienst verdient der Erzähler mehr schlecht als gut seinen Unterhalt. In seiner Hütte herrscht Chaos.
Sein Leben pendelt unausgefüllt zwischen den Scheidungsanwälten, die inzwischen eingeschaltet wurden, seinem Dienst als Wachmann, seinen geregelten Besuchszeiten mit seinem Sohn, zwischen Bier und Beruhigungspillen. Albträume plagen ihn und spiegeln die Schrecken eines Lebens, dem der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

Und doch: was mach den Roman so reizvoll?
Es sind die feinsinnigen Beobachtungen, die immer wieder spürbare Stille und nach und nach eine große Ruhe, die von der Erzählung ausgeht.
Kein spannender Handlungsstrang stört eine Entwicklung, die den Protagonisten zum duldenden Menschen macht. Er scheint sein Leben allmählich zu akzeptieren. Die Liebe zum Sohn bleibt die einzige feste Konstante, die seinem Leben Halt und Ruhe gibt.
Sie kulminiert in der Frage an den Sohn “warum wolltest du denn die gelben Pumas?“ Und die Antwort “sie sind wie die Sonne und die Sonne ist groß……. so groß wie das Leben!“

Ein poetischer, einnehmender Roman über das Leben und den Kampf, es zu bestehen.

Fabio Andina
Davonkommen
Rotpunktverlag, April 2023
200 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3858699764
ISBN-13: 978-3858699763
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Stefan Tomik: Balkonkraftwerk – Strom selbst erzeugen mit Steckersolargeräten auf Balkon, Terrasse und im Garten

Stefan Tomik: Balkonkraftwerk – Strom selbst erzeugen mit Steckersolargeräten auf Balkon, Terrasse und im Garten

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Bei den derzeitigen Strompreisen wäre es eine schöne Sache, zu Hause Ökostrom produzieren zu können. Das kann möglich gemacht werden mit einem Steckersolargerät, das auf dem Balkon, der Terrasse oder im Garten installiert wird. Doch ist es tatsächlich so einfach? Wie viel Strom lässt sich erzeugen und wie wirkt es sich auf die Stromrechnung aus?

Diesen Fragen ist Stefan Tomik nachgegangen. Ich habe den Eindruck, dass es gar nicht leicht war, an aussagekräftige und stimmige Informationen zu kommen. Es ist jedoch überaus wichtig, sich vorab umfassend zu informieren. Denn es bestehen nicht nur rechtliche Hürden, auch bei der Auswahl des Balkonkraftwerkes muss man aufpassen.

Zunächst erklärt der Autor, was so eine Mini-PV-Anlage bzw. eine Steckersolaranlage eigentlich ist, wie sie funktioniert, was im Haushalt mit dem Strom passiert, den sie produziert, und was daran so innovativ und umweltfreundlich ist. Noch sieht man diese Balkonkraftwerke selten, aber die Energiewende ist da und wird Fortschritte machen.

Es kursieren allerdings viele Halbwahrheiten und das ist verwirrend. Deshalb hat sich Stefan Tomik durch einen wahren Gesetzesdschungel kämpfen müssen. Die Bürokratie wartet mit einigen Hürden auf und nicht selten werden Informationen falsch interpretiert. So ganz eindeutig scheint die Rechtslage nicht zu sein. Im Buch werden die Ergebnisse einer aufwendigen Recherche präsentiert und das ist sehr hilfreich.

Stefan Tomik möchte, als er mit dem Buch beginnt, selbst ein Balkonkraftwerk auf seinem Balkon installieren. Schritt für Schritt kommt er der Verwirklichung seines Plans näher. Er beschäftigt sich mit Sicherheitsaspekten, Vorschriften, Anträgen, der Montage, einem eventuell nötigen Wechsel des Stromzählers, der Inbetriebnahme und der Anmeldung beim Netzbetreiber. Rat hat er sich auch beim bekannten Solarexperten Holger Laudeley gholt.

Der Autor geht ins Detail und erklärt sehr gut verständlich. Alle möglichen Fragen, die man haben oder die aufkommen könnten, wenn man plant, ein Balkonkraftwerk zu installieren, beantwortet er. Rechtliche Aspekte werden durchleuchtet und über Missverständnisse wird aufgeklärt. Das Buch ist gut strukturiert und nicht nur als Informationsquelle, sondern auch als Nachschlagewerk sehr zu empfehlen.

Rezension von Heike Rau

Stefan Tomik
Balkonkraftwerk
Strom selbst erzeugen mit Steckersolargeräten auf Balkon, Terrasse und im Garten
126 Seiten, broschiert
‎Verlag Eugen Ulmer, April 2023
ISBN-10: 3818618712
ISBN-13: 978-3818618711
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Daniel Glattauer: Die spürst du nicht

Daniel Glattauer: Die spürst du nicht

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Glattauer hat einen kurzweiligen und anregenden Roman geschrieben. Er benutzt die Möglichkeiten des Internets, um seine Geschichte in Szene zu setzen.

Zwei gut situierte Paare gönnen sich einen exklusiven Urlaub in der Toskana.
Die Strobl-Marineks und die Binders sind gut befreundet. Binders haben den Sohn Benjamin, und Martineks die Tochter Lotte und Sophie mitgebracht. Damit sich die 14jährige Sophie nicht langweilt, durfte sie ihre Freundin Aayana mit in den Urlaub nehmen. Aayana ist ein Flüchtlingsmädchen aus Somalia.

Was froh und entspannt beginnt, endet sehr bald in einer Katastrophe. Sophie will Aayana das Schwimmen beibringen. Doch diese nutzt die Nacht, um selber im Pool zu schwimmen. Dabei ertrinkt sie.

Was macht den Roman so lesenswert?
Glattauer baut den Roman so auf, dass der Hauptkonflikt fast sofort klar wird. Zugespitzt erlebt man eine Flüchtlingstragödie bedauerlichen Ausmaßes.
Es gibt die vielen vermeintlichen Nebensächlichkeiten, die zur Katastrophe beigetragen haben könnten.

Elisa Marinek hat einen Geliebten. Um ihre Ehe ist es nicht mehr gut bestellt. Sie ist eine emanzipierte Frau, promoviert und Abgeordnete der Grünen im österreichischen Parlament.
Ihre politische Karriere könnte durch durch Aayanas Tod Schaden nehmen.
Sophie hat einen Internetfreund, mit dem sie sich austauscht, und in den sie sich, ohne ihn je gesehen zu haben, verliebt.
Melanie bezichtigt Elisa, den Tod von Aayana bewußt nicht verhindert zu haben. Die Atmosphäre zwischen den Paaren ist angespannt.
Die Dialoge sind aufschlussreich, weil sie Stimmungen vermitteln, die konfliktträchtig und unaufrichtig sind.

Glattauer bedient sich u.a. des Internets, um Austausch und Kommentare dort zu verfassen.
Nach und nach erreichen sowohl Elisa als auch Sophie Häme und Spott über dieses Medium.
Es gibt die pubertierende Tochter, die sich angestachelt durch ihre Internetkorrespondenz in eine phantastische Liebesgeschichte hineinsteigert. Man erlebt zwei Ehepaare, die durch die ganze Geschichte aufgeregt und irritiert ihre bürgerliche Existenz gefährdet sehen.

Die Figuren sind eine jede sehr eigen in ihrer Charakterstruktur. Gebannt folgt man einer Erzählung, die uns nach Österreich mitnimmt, in die Toskana und am Ende mit allen rechtlichen Verwicklungen als Folge des Todes von Aayana wieder nach Wien.
Verwirrung der Gefühle und Befindlichkeiten auf der ganzen Linie!

Glattauer setzt allem die Krone auf, indem er die verschiedenen Erzählstränge gekonnt zusammenführt, so dass sich ein abgerundetes Verstrickungsmodell abzeichnet.

So ist das Leben: es steckt voll hintergründiger Fallstricke und führt Menschen zusammen, die sich entweder gegenseitig nutzen oder Unglück auslösen.

Daniel Glattauer hat wieder einmal einen anspruchsvollen Unterhaltungsroman geschrieben.

Daniel Glattauer
Die spürst du nicht
Paul Zsolnay Verlag, März 2023
304 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3552073337
ISBN-13: 978-3552073333
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Chris McGeorge: Escape Time – Die Morde von morgen

Chris McGeorge: Escape Time – Die Morde von morgen

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Das örtliche Krankenhaus hat eine Radiostation für ihre Patienten. Hier bringt sich Shirley Steadman mit ein und erfüllt die Musikwünsche der Patienten. Die ehrenamtliche Arbeit macht ihr viel Spaß. Als sie bei der Vorbereitung Radio hören möchte, entdeckt sie einen ihr unbekannten Sender. Der Moderator spricht mit verzerrter Stimmung und irrt sich auch noch im Datum. So scheint es, als würde er die Nachrichten von morgen verkünden. Doch tatsächlich hat der Unfall des Bäckers noch nicht stattgefunden, sondern ereignet sich erst am nächsten Tag. Wie konnte der Nachrichtensprecher das wissen?

Als er dann auch den Unfall des Milchlasters vorhersagt und dieser sich dann am nächsten Tag genauso ereignet, wird Shirley, die sich extra auf den beschwerlichen Weg zum Unfallort gemacht hat, misstrauisch. Als Nächstes wird ein Mord vorhergesagt. Sie muss die Polizei informieren, doch wird sie hier nicht ernst genommen.

Das angebliche Mordopfer, das sie vorwarnen möchte, macht sich ebenfalls über sie lustig. Shirley wird den Mord also nicht verhindern können. Aber vielleicht wird er auch gar nicht geschehen. Ihr sind die Anzeichen bewusst, die an ihrer geistigen Gesundheit zweifeln lassen. Immer wieder sieht sie im Haus ihren verstorbenen Sohn und unterhält sich mit ihm. Aber was, wenn es doch zu diesem vom Radiomoderator vorausgesagten Mord kommt?

Die alte Dame vermag vielleicht nicht das Zeug zu einer wirklich guten Ermittlerin haben, aber sie tut, was sie kann, trotz körperlicher Einschränkungen. Sympathiepunkte kann sie trotzdem nicht zu sammeln, ich fand nicht wirklich Zugang zu ihr. Auch ihr Umfeld scheint sie als eher unfreundlich zu empfinden. Dazu kommt die Entfremdung, die zwischen ihr und ihrer Tochter dargestellt wird. Ihren Charakter so zu zeichnen, könnte Absicht sein. Denn so kommt es, dass Shirley zunächst niemanden hat, dem sie sich anvertrauen kann.

Der Krimi verläuft eher gemächlich und wirkt entsprechend einfach geschrieben. Mit mysteriösen Wendungen habe ich nicht gerechnet und so bin ich überrascht, als genau diese dann endlich Spannung aufkommen lassen. Es geht in eine wirklich unglaubliche Richtung, mit der Option erneut aufs Glatteis geführt zu werden.

Rezension von Heike Rau

Chris McGeorge
Escape Time – Die Morde von morgen
416 Seiten, broschiert
Aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet
Knaur, April 2023
ISBN-10: 3426227886
ISBN-13: 978-3426227886
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Franziska Jebens: Immer am Meer entlang

Franziska Jebens: Immer am Meer entlang

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Der alte Bulli bedeutet für Josi Freiheit. Schon lange plant die Polizistin für ein Jahr an den Küsten Europas entlang zu reisen und Abenteuer zu erleben. Als alle Hindernisse aus dem Weg geräumt sind, macht sie sich freudig auf die von ihr zuvor genau durchgeplante Reise.
Paul hat sich spontan nach einem inspirierenden Vanlife Reisevortrag ein passendes Auto gekauft, hat es kurzerhand ausgebaut, seinen Job gekündigt und ist losgefahren. Er ist unzufrieden mit seinem Leben und nun soll es endlich in eine andere Richtung gehen.

Die beiden begegnen sich, als Paul eine Autopanne hat und Josi ihre Hilfe anbietet. Sie reisen nicht gemeinsam weiter, begegnen sich aber hin und wieder, tauschen Botschaften aus oder machen sich auf besonders schöne Orte aufmerksam. Aber auch so kann man sich näher kommen oder zumindest Freunde sein.

Sommer, Sonne, malerische Landschaften und Meeresblick. Es ist traumhaft schön, den Roadtrips von Josi und Paul zu folgen, die sich bewusst dazu entschieden haben, allein durch Landstriche Europas zu reisen. Der Leser wird mit Naturbeobachtungen in Urlaubsstimmung versetzt. Das gelingt wirklich gut, denn die Beschreibungen sind sehr detailreich, wecken Erinnerungen und machen auch ein bisschen sehnsüchtig, sollte der letzte Urlaub ans Meer schon eine Weile zurückliegen. Die Kapitel sind in Länder untergliedert und die Reiseziele sehr abwechslungsreich.

Es gibt zwei Handlungsstränge, sodass jeder seine eigene Geschichte erzählt und der Leser Gedanken und Gefühle nachempfinden und sich perfekt in Josi oder Paul hineinversetzen kann. Schließlich gibt es auch ernste Gründe für die Reise. Es bleibt viel Zeit zum Nachdenken und für eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Das ist der Vorteil, wenn man allein unterwegs ist. Wobei die beiden hin und wieder auch bewusst unterwegs neue Kontakte knüpfen und die Verbindung zu den Freunden zu Hause nicht abreißen lassen.

Das Buch ist beste Unterhaltungsliteratur. Es liest sich leicht, wirkt entspannend und vertreibt die Zeit perfekt, zumal die Autorin selbst gerne auf diese Weise reist und viele eigene Erlebnisse und Erfahrungen hat einfließen lassen.

Rezension von Heike Rau

Franziska Jebens
Immer am Meer entlang
416 Seiten, broschiert
dtv Verlagsgesellschaft, März 2023
ISBN-10: 3423218533
ISBN-13: 978-3423218535
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Daan Heerma Van Voss: Die Sache mit der Angst

Daan Heerma Van Voss: Die Sache mit der Angst

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Der holländische Autor Daan Heerma van Voss hat ein wissenswertes Buch über Depressionen und Angstzustände geschrieben.

Als sich die Freundin von ihm trennt, weil sie seine Ängste nicht mehr ertragen kann, fasst er den Entschluss, den eigenen Ängsten auf die Spur zu kommen.
Konfrontiert mit immer neuen Angstphasen, besucht er zunächst einen Freund in Frankreich, wo er sich in intensivem Studium mit den Ursprüngen der Ängste befasst. Er staunt selber über Statistiken, aus denen hervorgeht, wie verbreitet Ängststörungen sind.
Es gibt chemische Formeln, mit denen man im Gehirn bei der Untersuchung am Menschen abweichende Normen für mentale Zustände diagnostizieren konnte.
Seine Studien führen den Autor zu seinen Ahnen in Indonesien, von denen ebenso bekannt ist, dass sie unter Ängsten litten.
Sehr präzise macht er den Weg aus, der bis zur Erkenntnis des heutigen Begriffs “Angststörung“ geführt hat. Da ist zunächst von Überarbeitung die Rede, neurasthenischer Veranlagung, Nervosität, Unruhe und vielen Begriffen mehr.

Schon zu Beginn des 19.Jahrhunderts finden sich Andeutungen über Melancholie. Aber es geht noch weiter zurück bis hin zur griechischen Mythologie.
Ängstlich vermieden die Betroffenen, ihren Zustand als krank zu bezeichnen. Man beließ es gerne bei äußeren Einflüssen: Überarbeitung und wirtschaftlicher Not etc. Allerdings hat man bei Forschungen schon in Darwins Tagebüchern Aufzeichnungen gefunden, die auf gelegentliche Stimmungsschwankungen schließen lassen.

In der Literatur gibt es vielfache Hinweise auf psychische Not wie z.B. bei Proust, Hölderlin, ja selbst Goethe schrieb über die Melancholie; man findet sie bei Heine, Stefan Zweig, Thomas Mann und vielen anderen mehr.

Der Autor bemüht zahlreiche Studien, führt Gespräche mit Psychiatern und Psychologen, um zu dem heutigen Begriff der „Angststörung“ vorzudringen. Er bezeichnet seinen Weg als einen, der durch die Familiengeschichte, Wissenschaft, Literatur, Geschichte und Philosophie führte, um sich selber besser zu verstehen.
Es geht ihm eindeutig darum, mit der Ursachenforschung die Begründung für seine eigenen Malaisen zu finden. Dabei geht er neben eingeschobenen eigenen Stadien der Krankheit sehr wissenschaftlich vor. Er beeindruckt durch seine klare Sprache, seinen ungetrübten Blick und die rückhaltlose Offenheit. Dazu gehört ein immenses Wissen an verschiedenen Forschungsrichtungen, mit denen man den dehnbaren Begriff der „Angststörung“ auf die Spur zu kommen trachtete. Spannend wird sein Bericht dadurch, dass häufig Wissenschaftler oder auch Entdecker für weitere Forschung am eigenen Leib mit den Merkmalen von ungeklärten Symptomen geschlagen waren als da sind: Phobien, Melancholie, Unruhe, Schwindel, Platzangst etc.

Van Voss zieht als Fazit aus seinen Studien und der Ahnenforschung die Bilanz, dass genetische Faktoren, soziale Einflüsse und defekte chemische Strukturen im Gehirn erst zu den krankhaften Erscheinungen an Leib und Seele führen können.
Durch die Einschübe eigener Angstphasen und Gesprächen mit anderen Betroffenen wird die Verbindung zwischen realem Leben und Forschungserkenntnissen einleuchtend und lebendig.

Van Voss beginnt und lässt seinen Bericht enden mit seiner Liebe zu einer Lebensgefährtin, die seine Ängste weder verstand noch tolerierte.
Tabus belegen auch heute noch diese Krankheiten, die doch seit Jahrhunderten schon die Menschheit bedrängen.

Van Voss leistet mit seinem Buch einen hervorragenden Beitrag zu den so weit verbreiteten Formen der Angst und Depression mit der damit einhergehenden Einsamkeit. Sie zeitigen häufig tragische Folgen für die Betroffenen.
Ein gründliches und verstehbares Wissen macht den Bericht auch für den Laien sehr lesenswert.

Daan Heerma van Voss, Historiker, Autor und Journalist gilt als eine wichtige Stimme seiner Generation in Holland.

Im Anhang gibt es ein ausführliches Quellenverzeichnis.

Daan Heerma Van Voss
Die Sache mit der Angst
Diogenes, März 2023
384 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3257072309
ISBN-13: 978-3257072303
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Edvard Hoem: Die Hebamme

Edvard Hoem: Die Hebamme

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Der Autor hat sich mit diesem Buch der Lebensgeschichte seiner Ururgroßmutter Marta Kristine Andersdatter Nesje angenommen, geboren 1793. Er hat Dokumente ausfindig gemacht, aus Kirchenbüchern Details übernommen, die Aussagen über sie und ihr Umfeld machen, und die geschichtlichen Hintergründe und damaligen Traditionen recherchiert, um daraus eine Geschichte zu konstruieren, die ich als sehr gelungen und einfühlsam empfinde.

Marta Kristine ist die älteste Tochter des Schuhmachers Anders Knudsen und seiner Frau Karen. Sie ist an vielen Dingen interessiert und hinterfragt selbstbewusst, was sie nicht versteht.

Schon in der Schule begegnet sie Hans und es scheint, als haben beide eine gemeinsame Zukunft vor sich. Tatsächlich werden die beiden ein Paar, doch es sollen viele Jahre ins Land gehen, bis Hans ein Häuschen am Fjord baut und sie es beziehen. Den Wunsch, Hebamme zu werden, hat Marta Kristine frühzeitig, aber ihn durchzusetzen ist eine andere Sache. Pastor Stubbe ist es, der ihr einen Weg eröffnet. Allerdings wird diese doch sehr kurze Ausbildung nicht von allen werdenden Müttern anerkannt. Sie setzen lieber auf Frauen aus ihrem Umfeld, die bei der Geburt unterstützen.

Wieder vergehen Jahre und es eröffnet sich die Möglichkeit, im von der Westküste Norwegens weit entfernten Christiana, eine umfassende Weiterbildung zu absolvieren. Nur hat sie zu diesem Zeitpunkt schon eine Familie. Dennoch entschließt sie sich dafür und lässt Mann und Kinder zurück. Es ist ihr wichtig und auch unbedingt notwendig, etwas zum Lebensunterhalt ihrer Familie beitragen zu können. Doch die Mütter haben kaum das Geld, sie zu bezahlen. Es sind schwere Zeiten und Hans wird immer schwermütiger, hat er im Krieg seine Kameraden sterben sehen.

Das Buch schließt ab mit dem Tod von Marta Kristine, die mit ihrer Familie in ärmlichen Verhältnissen leben musste und viele Schicksalsschläge zu verkraften hatte. Der Autor beschreibt den Alltag, das Dorfleben und bezieht hier die Jahreszeiten mit ein.

Die Geschichte der Hebamme ist sehr eindrucksvoll, tiefgreifend und detailreich geschrieben, durchwoben von Melancholie. Man wird gefangen genommen von Marta Kristines Lebensweg, den sie sich erkämpft hat, und der sehr zu Herzen geht. Sie war eine fortschrittliche Frau und offen für neue medizinische Kenntnisse, die sie als Hebamme nutzen konnte. Diese längst vergangene Zeit lebt mit diesem Buch noch einmal auf und ich habe mich beim Lesen ein bisschen wie eine Zeitreisende gefühlt.

Rezension von Heike Rau

Edvard Hoem
Die Hebamme
Aus dem Norwegischen von Antje Subey-Cramer
352 Seiten, broschiert
Unionsverlag, März 2023
ISBN-10: 3293209726
ISBN-13: 978-3293209725
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