Karlmann

Karlmann

Ein Tennismatch als Parabel auf das Leben: Sieg oder Niederlage!
So beginnt M. Kleeberg seinen Roman über Karlmann Charly Renn, einen Normalbürger.
Es ist Charlys Hochzeitstag, an dem Boris Becker Wimbledonsieger wurde, und er sieht sich ebenfalls als Sieger: seine Frau schöne Christina, die er am Morgen geheiratet hat, wartet mit dem Fest auf ihn. Er sitzt ein letztes Mal mit seinen Freunden zusammen, bevor sein neues Leben beginnt.

Detailliert wird die Szene um den Hochzeitsabend und das Mahl zu Protokoll gegeben. Die Kleider und die Menschen erfahren ausgiebige Würdigungen. Assoziativ beleben die Gedanken von Karlmann das Bild.
Die Familie von Christina, seiner Braut, wurde von seiner Familie als nicht ganz standesgemäß angesehen. Ihr Vater ist Tischler, während Charly aus einer angesehenen Juweliersfamilie kommt. Die Begegnung der beiden Familien verläuft entsprechend aneinander vorbei.
Die alten Freunde und Freundinnen sind natürlich mit von der Party.
Dem Leser ist nicht ganz geheuer, wie es denn nun um Charlys Zukunftsplanungen bestellt ist. Entgegen aller festlichen Feiern wirkt sein Blick unterkühlt analysierend und gar nicht so froh.

Interessant ist die Sichtweise des Helden dieser Geschichte: alles Pompöse ist ihm peinlich, von der < Beiläufigkeit >, die er bevorzugt, ist die Rede.
Er ist der Prototyp des Bürgers der Wende zum 21. Jahrhundert. Da ist Understatement gefragt. Protzen, Angeben, alles Künstliche und Aufgesetzte wird ironisiert.

Reflektierend durchschreitet er sein Leben.

Geschäftsführer eines Autohauses, das seinem Vater gehört, in der Ehe nicht wirklich zu Hause, bleibt er ein Skeptiker und Zweifler, der alles durchschaut und doch in den Fängen des Alltags hängen bleibt.
In langen Gedankenfetzen, Selbstgesprächen und immer wieder eingeblendeten kritischen Anmerkungen bei entsprechenden Anlässen ziehen die ersten drei Jahre von Charlys Zusammenleben mit Christina vorüber.
Am Ende sieht es trübe aus: in seinem Leben und in seiner Ehe.

Das Buch spiegelt eine Zeit, in der viele Fragen an das Leben unbeantwortet bleiben werden. In der Gesellschaft ist Erfolgsstreben angesagt. Abhängigkeiten in der Familie schränken Charlys eigene Entwicklung bedrohlich ein.
Eine ohnmächtige innere Leere macht sich breit.
Christina aber schwingt sich zu eigenem beruflichem Fortkommen auf.
Kleeberg bietet eine Analyse des Gegenwartsmenschen. Die Bedrückungen des Alltäglichen und der Mangel an Eigeninitiative lassen Charly in die Welt vor seiner Eheschließung zurückfallen.
Sein Weitblick und sein Einsehen sind zu beschränkt, um zu bemerken, dass Perspektiven fehlen, und Christina dieses Leben nicht weiter mittragen will.

Charakteristisch für die Reflexionen bleibt das Nachdenken über den Tag und das, was kommen mag. Kleeberg hat mit seinem Roman den Nerv der Zeit getroffen!
Der ist Übersetzer von Prousts Werken. Seine Prosa ist nicht ganz unbeeinflusst von der reflektierenden Bewusstseinsliteratur des großen französischen Schriftstellers!

Michael Kleeberg
Karlmann
Normalbürger unserer Zeit
ISBN:3421054592
Bestellen

Die Kommentare sind geschlossen.