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Autor: Claudine Borries

Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

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Start ins Leben mit Zögerlichkeit und Sinn für das Absurde.

Mit Verve und Unterhaltungsbegabung beginnt Joachim Meyerhoff die Geschichte seiner Studienzeit in München. Er wird in München an der Filmhochschule angenommen und wird zunächst mangels geeigneter Studentenbude bei seinen großbürgerlichen Großeltern in deren Villa in Nymphenburg aufgenommen.

Die Schilderung dieser ungewöhnlichen Großeltern ist schon das ganze Buch wert. Die Großmutter war einst eine hervorragende Schauspielerin; der Großvater ist ein pensionierter Philosophieprofessor. Wie der Enkel Meyerhoff deren Tagesrituale und vor allem deren Alkoholkonsum zu jeder Gelegenheit beschreibt zeugt von einer großartigen, urkomischen und trockenen Erzählweise.

Man muss laut lachen, weil die Szenen voller Ironie und Amüsement stecken. J. Meyerhoff versteht hier sein Dasein als ein von naiver Unbeholfenheit gezeichneter Junge am Rande zur Erwachsenwelt.

Eine gewisse Distanz zu seinen Beobachtungen macht die Geschichte so heiter und zu einem wirklich belustigenden Erlebnis. Da die Großeltern nur noch mühsam laufen konnten, „hatten sie sich einen Treppenlift einbauen lassen“. Auf diesem entschwebten sie zur Nacht hin in ihre oberen Gemächer, und Meyerhoff selbst, von all dem Alkohol benebelt, tat es ihnen gleich.

Durch das gesamte Buch hindurch spielen die Großeltern wiederholt eine zentrale Rolle im Wechsel mit langen Passagen über seine Erfahrungen als Schauspielschüler. Meyerhoff bleibt bei seiner distanzierten Haltung gegenüber den Mitschülern und der eigenen Rolle. Sein trockener Humor schimmert immer wieder durch und macht die Erzählung zu einer skurrilen und launigen Betrachtung über das Leben als Schauspieler, wobei er sich über eigene Niederlagen oder auch Erfolge gleichermaßen lustig macht.

Ein unterhaltsames Stück Münchner Zeitgeschichte wird uns da präsentiert. Die Großeltern mit ihren charaktervollen und dezidierten Lebensweisheiten bieten unablässig Anlass zum Schmunzeln.

Joachim Meyerhoff ist von entwaffnender Ehrlichkeit und Offenheit auch über sich selbst und seine Lebenserfahrungen.

Der talentierte Schauspieler und Erzähler wird uns hoffentlich noch so manche Gelegenheit zu guter Unterhaltung bieten.

Joachim Meyerhoff
Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
352 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, November 2015
ISBN-10: 3462048287
ISBN-13: 978-3462048285
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Anne Enright: Rosaleens Fest

Anne Enright: Rosaleens Fest

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Psychodrama um Familie, Liebe und Abschied.

Eigentlich handelt es sich in dieser Geschichte nicht um Rosaleens Fest. Eher ist das die Geschichte einer Mutterschaft mit unguten Bindungen an ihre vier Kinder.

Diese Mutter ist eine empfindsame, leicht hysterische Seele, die ständige Aufmerksamkeit und Fürsorge fordert.

Jedes Kapitel erzählt die Geschichte eines ihrer vier Kinder aus deren Sichtweise. Die jüngste, Hanna, macht den Anfang im Jahr 1980. Sie sorgt für die Mutter, kocht ihr Tee bei Bedarf und besorgt geheimnisvolle Medikamente bei ihrem Onkel Bart, der eine Apotheke besitzt.

Kapitel für Kapitel stellt uns Anne Enright die Kinder der Familie Madigan vor: außer Hanna sind das noch Dan und Emmet und Constanze mit ihrer Familie.

Dan ist auf einem ganz eigenen Weg zwischen Priesterschaft und Homosexualität. Emmet versucht sich als Entwicklungshelfer, Constanze kämpft zwischen Kindern, Küche und Krebserkrankung um einen eigenen Weg, und Hanna bleibt in ihrem Traum von einer Schauspielerinnenkarriere hängen.

Mit fortschreitenden Jahreszahlen werden die Kinder älter und Rosaleen tritt in den Hintergrund. Jetzt aber will sie es noch einmal wissen: sie lädt die Kinder zu einem letzten Weihnachtsfest ein, denn dann will sie ihr Haus in Ardeveen/Irland verkaufen.

Jede Geschichte erscheint wie ein eigener kleiner Roman, denn die Kinder sind sehr verschieden. Rosaleen zeigt lediglich im Hintergrund ihr Gesicht und ihr Missfallen an den Kindern. Vor dem Abschied von dem Haus sollen nach ihrem Willen alle noch einmal zusammenkommen. Hier also begegnen sich die Geschwister, nachdem sie Jahre ihrer eigenen Wege gegangen sind.

Keiner hat ein zufriedenes Leben gefunden. In verworrener Weise blieben sie an der eigensüchtigen Mutter hängen.

Anne Enright ist eine erfolgreiche Erzählerin, deren Themen aber für immer die Familienbande sind, – im guten wie im schlechten Sinn. Hier ist es ihr m.E. nicht so gut gelungen, die krankhaften Verbandelungen einer Familie zu entwirren.

Zu vereinzelt werden die Geschwisterschicksale aufgeschlüsselt. Der Zusammenhalt der Familie scheint nie gegeben gewesen zu sein.

Dennoch liest man das Buch gerne, weil Anne Enright eine kluge Familienbeobachterin ist, die psychologisches Feingefühl besitzt.

Anne Enright

Rosaleens Fest
384 Seiten, gebunden
Deutsche Verlags-Anstalt, November 2015
ISBN-10: 3421047006
ISBN-13: 978-3421047007
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Kate Atkinson: Glorreiche Zeiten

Kate Atkinson: Glorreiche Zeiten

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Familiensaga mit charaktervollen Einzelschicksalen

Versehen mit wechselnden Jahreszahlen wird in diesem neuen Roman von Kate Atkinson über das 20. Jahrhundert hinweg von einer besonderen Familiensaga berichtet.

Angefangen mit Hugh und Silvie 1927 über ihren Sohn Teddy mit seiner Frau Nancy 1939-47 bis zu deren Tochter Viola und ihren Kindern in den sechziger Jahren erleben wir verschiedene Episoden, die als markante Eckpunkte in der Familiengeschichte angesehen werden können.

Wir befinden uns in England, wo die Familien ihrem Tageslauf nachgehen.

Die zwanziger Jahre bieten das Bild in Politik und Gesellschaft zu ihrer Zeit, die Kriegsjahre 1939 -1945 die andere Seite der Geschichte.

Die sechziger Jahre schließlich mit der unsteten Viola, Teddys und Nancys Tochter, zeigen die Auflösung alter Familienstrukturen mit ihren fest gefügten Normen und Regeln.

Im Zentrum der Geschichte steht Teddy, an dessen Lebenslauf in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich die Erzählung orientiert.

Er hat seine Sandkastenliebe Nancy geheiratet, die mit Geschick ihrer beider Leben durch die Stürme des Lebens leitet. Am Lebensstil ihrer sehr verspätet geborenen Tochter wird man in die Umbruchjahre der 68 ziger Generation erinnert.

Liebe, Vergehen, Elternschaft, Geburt und Tod sind die Eckpfeiler des Lebens. Hier werden sie dokumentarisch am Beispiel einer Familie festgemacht.

Teddy ist ein Träumer und Fantast, der die Langeweile des Lebens schon lange satt hat. Doch wie ein Leben aufgeben, das Sicherheit, Stabilität und Geborgenheit bietet?

Der opulente Familienroman bietet zur Unterhaltung alles, was das Herz begehrt. Es gibt die gut geratenen und die weniger gut geratenen Kinder, die, die geliebt wurden und die, die es weniger gut hatten in ihrer Kindheit. Der jeweiligen Zeit gemäß sind die Verhaltenweisen und Umgangsformen untereinander. Der zweite Weltkrieg bietet einen Umbruch, der zur Prüfung für die damals Jungen wurde. Dieser Teil der Geschichte nimmt breiten Raum ein.

Doch auch Geschwisterliebe, Neid oder Eifersucht bleiben in der Erzählung nicht ausgespart. Man taucht ein in die Welt der Familien und hört erst auf zu lesen, wenn mit dem Tod Teds alle Zusammengehörigkeit ein Ende gefunden hat. Jeder ist seinen eigenen Weg mehr oder weniger erfolgreich gegangen. Die Schicksale und Charaktere sind vielfältig. Das Jahrhundert bekommt am Beispiel dieser einen Familie Konturen, die den Leser noch einmal tief in die Vergangenheit eintauchen lassen.

Was am Ende bleibt: eine gute Unterhaltung!

Kate Atkinson
Glorreiche Zeiten
512 Seiten, gebunden
Droemer HC, November 2015
ISBN-10: 3426281295
ISBN-13: 978-3426281291
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Jochen Schweizer: Der perfekte Augenblick

Jochen Schweizer: Der perfekte Augenblick

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In diesem Buch berichtet ein erstaunlicher Unternehmer von seinem Werdegang. Dynamisch, mutig, risikofreundlich und kreativ hat Jochen Schweizer sich ein Unternehmen erarbeitet, das mit großem Erfolg Erlebnisse verkauft. Wie soll man das verstehen?

Er hat als Junge aus ärmlichen Verhältnissen früh angefangen, sich Geldquellen zu erschließen. Dabei aber blieb es nicht. Von ungeheurer Abenteuerlust getrieben, begann er ebenfalls schon früh, das außergewöhnliche Erlebnis zu suchen und zu erforschen. Dazu gehörten alle Arten von waghalsigen Unternehmungen wie Bungeespringen, Wildwasserfahren, Fallschirmspringen, Ballonfahren und Seilkunststücke aller Art. Wüstenfahrten gehörten ebenso dazu wie die Erforschung ferner Völker.

Das Besondere an Jochen Schweizer aber ist, dass er gekoppelt an seine Erlebnisse daraus eine eigene Lebensphilosophie für sich entwickelte hat:für jedes Ereignis und jede Erfahrung den rechten Zeitpunkt zu erfassen und sich immer neue Ziele zu stecken. In der Psychologie nennt man das „intrinsische Verstärkung“. Jeder Erfolg stärkt das Selbstbewusstsein und aus jeder Niederlage sind neue positive Kräfte zu entwickeln. Da er Stuntman und Abenteurer in einem war, konnte er sich zu einem äußerst erfolgreichen Selfmademan entwickeln. Mit bemerkenswerten Leistungen geht er immer bis an die Grenzen des Möglichen. Ein traumatischer Unfall im Jahr 2003 brachte ihn in eine schwere Krise, aus der er neue Lehren zog.

Er gründete das „Jochen Schweizer Unternehmen“ für Erlebnisreisen. Seine Kreativität kannte keine Grenzen, wenn es darum ging, immer neue Events zu Verkaufschlagern zu machen. Irgendwann ging er fast in Konkurs und begann einen neuen Start.

Seine Niederschrift über sein Leben enthält neben den Fakten des Erfolgs und der Niederlagen zahlreiche Einsichten, die er zu seiner „Selbsterfahrung“ hinzufügte. Er muss schließlich Grenzen erkennen und einen Weg zu einem ausgewogenen Leben zwischen Aktivität und Ruhe finden.

Sympathisch erläutert der die Notwendigkeit, das jeweils Richtige für sich selbst im richtigen Augenblick zu finden und mit seinen Erfahrungen nicht zu missionieren. Auf seiner Suche nach dem besten Weg gelangt er zum Yoga. Auch hier aber schneidert er sich ein Übungsmodell zurecht, das für ihn passt. Es hat nichts mit Esoterik zu tun und nichts mit abstrakten Heilsgeschichten.

Der Lebensbericht ist brillant und spannend zu lesen. Für Menschen, die selber einmal erlebt haben, wie es ist, an einer Wegscheide zu stehen und zu neuen Zielen zu finden, ist das Buch ein MUSS.

Jochen Schweizer
Der perfekte Augenblick
176 Seiten, gebunden
GRÄFE UND UNZER Verlag, 2. Auflage, Oktober 2015
ISBN-10: 3833845392
ISBN-13: 978-3833845390
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Peter Härtling: Verdi

Peter Härtling: Verdi

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Lebensbild des Giuseppe Verdi auf der Höhe seines Ruhms und seiner Größe.

Mit dem Leben des alternden Verdis, der bereits zu Ruhm und Ansehen gelangt ist, beginnt der neue Roman von Peter Härtling über den Komponisten und bekannten Musiker Giuseppe Verdi.

Dieser besitzt zu dieser Zeit um 1870 mehrere Wohnsitze, eine ihn liebevoll umsorgende Frau, und er macht sich gerade an die Komposition zu einem ersten Streichquartett.

Wir erleben ihn knurrig, leicht unzufrieden und ebenso leicht despotisch. Kritik gegenüber ist er hoch empfindlich. Er komponiert und arbeitet, trifft sich mit Sängerinnen und Sängern und lebt ein ausgefülltes Leben. Voller Unrast und Unruhe reist er von einem Wohnsitz zum nächsten und ist auch von seiner Frau nicht zur Ruhe zubringen.

Als ihn 1883 die Nachricht vom Tod Richard Wagners erreicht, ist er getroffen, wenn er auch dessen musikalisches Werk nicht schätzte.

Doch gerade schwingt er selber sich zu neuen ungeahnten Erfolgen auf: Otello und Falstaff stehen vor den Erstaufführungen. Auch ein Requiem zu Ehren des verstorbenen Dichters Alessandro Manzoni bringen ihm Ruhm und Ehre ein.

Peter Härtlings bedient sich in seinem neuen Roman einer abgeklärten und behäbigen Erzählweise.

Detailversessen beschreibt er die damalige Musikszene in Mailand, Berlin und London. Sänger und Librettisten buhlen um seine Gunst, doch auch die Neider sind nicht fern.

Für den Musikkenner enthält der Roman atmosphärisch dichte Partien. Der ganze Roman entspricht in den Kapiteln einer groß angelegten Fuge.

Härtling ist ein ausgewiesener Musikkenner. In seinen früheren Romanen hat er sowohl Schumann als auch Schubert und Fanny Mendelssohn Denkmäler gesetzt. Unübertroffen bleibt für mich sein Roman über Hölderlin, der mich zu seinem Lesefan gemacht hat.

Dieser letzte Roman erscheint mir ein wenig zu ausufernd. Es gibt u.a. musiktheoretische Anmerkungen, die eine gewisse Fachkenntnis voraussetzen. Im letzten Teil über den Tod und das Sterben findet man feinfühlige poetische Ausführungen. Hier zeigt sich Härtlings Fähigkeit, in unübertroffener Weise Stimmungen und Zeitbilder herauf zu beschwören.

Für Verdifans ist die Lektüre gewiss eine lebendige Quelle der Freude und Information.

Peter Härtling
Verdi
224 Seiten, gebundn
Kiepenheuer&Witsch, August 2015
ISBN-10: 3462048082
ISBN-13: 978-3462048087
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Alfred Neven DuMont: Mein Leben

Alfred Neven DuMont: Mein Leben

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Lebensstationen eines einflussreichen Zeitungsmagnaten.

Alfred Neven DuMont (1927-2015) war einer der bekanntesten Deutschen Zeitungsverleger in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Jetzt liegt seine Autobiographie vor, in der er uns aufschlussreiche Einblicke in sein Leben gewährt.

Aufgewachsen ist er in einem gebildeten und gut situierten bürgerlichen Elternhaus. Die Mutter wird als bezaubernde Erscheinung beschrieben. Sie ist die Tochter des als „Malerfürst“ bekannten Malers Franz von Lenbach, der in München ein stattliches Palais bewohnte.

Während die frühen Jungendjahre mit Kindermädchen, Dienstboten und Hilfskräften aller Art ein anschauliches Bild über das Kölner Großbürgertum vermittelt, beginnt mit dem Zweiten Weltkrieg 1939 ein unruhiges Dasein für den heranwachsenden Alfred. Geliebt, beschützt und verwöhnt nimmt er aber die Unbilden des Krieges mit Leichtigkeit und Neugier auf sich. Starnberg und München bieten Abwechslung und Natureindrücke, von denen er beredt zu erzählen weiß. Dank freundschaftlicher Warnungen und Hilfen entging er der Einberufung, als die letzten Kriegstage angebrochen waren.

Mit dem Kriegsende 1945 versucht er sich zunächst als Schauspieler in München. Er tummelt sich in Theaterkreisen und genießt beachtliche Erfolge.

Die Autobiographie zeichnet sich durch einen leichten Ton und frischen Lebensmut aus. Selbst eine kurze Zeit der Niedergeschlagenheit überwindet Neven DuMont, um sich danach erneut mit Tatendrang ins Leben zu stürzen.

Immer wieder spürt man das wohlwollende Elternhaus im Hintergrund und die weitreichenden Verbindungen der Eltern als sicheren Boden, auf den er bauen konnte. Doch entwickelte er sich selber zu einer souveränen und starken Persönlichkeit mit eigenen Vorstellungen und Ambitionen.

Die Verlegerkarriere im traditionsreichen Familienunternehmen wird schließlich zu seiner Berufung.

Der blendend aussehende Mann voller Elan und Ideen für eine Steigerung der Auflagen des Kölner Stadt-Anzeigers weitete sein Unternehmen zu einer umfangreichen Mediengruppe mit Buchverlag aus.

Unter den westdeutschen Zeitungsverlegern spielte er eine herausragende Rolle und wurde im Laufe seines Lebens mit hohen Auszeichnungen und Preisen geehrt.

Seine Betrachtungen und Erfahrungen sind die Basis dieser Erinnerungen. Vom Privaten geht es in das Berufliche, doch er bleibt stets diskret. Er war im wahrsten Sinne des Wortes ein „Herr“ und lebte kein gewöhnliches Leben. Da er Gott und die Welt kannte,   verkehrte er in den besten Kreisen mit Zugang zu einflußreichen politischen Persönlichkeiten.

Die mit Verve beschriebenen Lebensstationen machen die Lektüre zu einem wirklichen Lesevergnügen. Daneben bieten die Aufzeichnungen ein authentisches Zeitdokument von einigem Rang über die Nachkriegszeit bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit ihren politischen Verwerfungen.

Man verlässt dieses aufregende Leben zu Ende der Lektüre nur ungern.

Im Anhang gibt eine Zeittafel Auskunft über die Lebensstationen.

Man kann die Lektüre uneingeschränkt empfehlen.

Alfred Neven DuMont
Mein Leben
400 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, August 2015
ISBN-10: 3832198083
ISBN-13: 978-3832198084
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Dieter Wellershoff: Im Dickicht des Lebens

Dieter Wellershoff: Im Dickicht des Lebens

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Ein- und Ausblicke in Lebensabrisse.

Dieter Wellershoff ist ein ausgewiesen einfühlsamer und empfindsamer Erzähler. Er kennt die Menschen und das, was sie bedrückt, beglückt oder auch traumatisiert und unglücklich macht.

Wie schon in seinen Romanen bieten seine Erzählungen eine Verdichtung aus tiefen Einblicken in einzelne Lebensschicksale.

Es geht immer wieder um die Liebe, um das Verstehen, um Bindungen und Trennungen, berufliche Erfolge oder Niederlagen. Mit Tiefenschärfe und psychologischem Blick entblößt er die nach außen gezeigten Fassaden seiner Protagonisten.

In seinen Erzählungen werden verschiedene Formen des menschlichen Miteinanders abgehandelt.

Ob da ein Mann in einem Restaurant ein Paar beobachtet und sich aus Gesten, Bewegungen und gesprochenem Wort ein Bild über dieses Paar macht; oder ob da ein Liebespaar auf Zeit in die Zukunft denkt und am Ende der Erfüllung gemeinsamer Träume entsagt.

In allem spürt man den Menschenfreund- und Kenner Dieter Wellershoff. Bemerkenswert spontan ist man von den Erzählungen angezogen und fühlt sich unmittelbar an dem gerade vorgeführte Leben beteiligt. Die Lebensnähe und sprudelnde Lebendigkeit des Erzähltons übt einen seltenen Sog aus.

Wellershoff kann sich durchaus mit bekannten amerikanischen oder kanadischen Erzählern wie Raymond Carver oder gar Alice Munro, die als Meister ihres Faches angesehen werden können, messen. Er bietet Einblicke in kurze Augenblicke eines oder zweier Leben, die einen mitreißen und ansprechen bis man sie wieder ihrem eigenen Leben überlässt. Wie kurze Filmaufnahmen oder auch Schnappschüsse einer Kamera vermögen einen die Geschichten zu bannen.

Ich bin kein großer Freund von Erzählungen. Diese aber haben auch mich gefesselt und angezogen, und ich habe sie mit nicht nachlassender Neugierde, Spannung und einem Gefühl von Glückseligkeit gelesen.

Der Autor wird im November 90 Jahre alt. Seine Lebendigkeit und Ausdruckskraft zeugen von uneingeschränkter Kraft und Freude am Schreiben.

Dieter Wellershoff
Im Dickicht des Lebens
432 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, Oktober 2015
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3462049143
ISBN-13: 978-3462049145
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Roz Chast: Können wir nicht über was anderes reden?

Roz Chast: Können wir nicht über was anderes reden?

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Die Komik des Lebens dargestellt an eigenen Erinnerungen über die Eltern und eine nicht nur fröhliche Kindheit!
Roz Chast hat einen wunderbaren Comic geschaffen!

Wir müssen reden… reden… reden…
Worüber denn?
Gedanken über das Lebensende, Patientenverfügung, Testament, Vollmacht, Heim…
Oh weh!

Es geht um ihre Eltern, deren Ängste, ihr Alter, Verhalten, Wohnen und so fort…

Mit einer Überzahl an eindeutigen Bildern und den dazu passenden Gedanken und Worten schafft sie einen Eindruck davon, was Kindern mit ihren alt gewordenen Eltern blühen kann.

Während die Tochter 11 Jahre nicht mehr zu Hause war, entschließt sie sich endlich, sich um diese alten Eltern zu kümmern. Sie waren wirklich und immer schon sehr „alte Eltern“. Inzwischen sind sie über neunzig Jahre alt.

Roz Chast lebt ihr eigenes Leben mit Kindern und Mann auf dem Lande, während die Eltern nie aus Brooklyn und aus ihrem langjährig bewohnten Heim ausgezogen sind.

Voller Eigensinn, Starrköpfigkeit und immer wieder Einwänden und Ängsten gegen jede Art von Veränderung in ihrem Leben fasst die Autorin in ihren Bildern und Worten zusammen, wie sich das Alter bei ihren Eltern zeigt, und wie es ihr selber dabei ergeht. Grotesk bis makaber sind dazu ihre Beispiele. Dass der „Seniorenanwalt“, den die Tochter ins Spiel bringt, womöglich zugunsten der Tochter an ihr (der Eltern) Geld gehen könnte, das sie in zahlreichen Sparbüchern, verfallenen und noch gültigen, verwahren; vom „Fahrsteig des Lebens“ ist die Rede, und dass er bald endet.

Mit den grimmig drein schauenden Eltern und ihrer eigenen reflektierenden Beobachtung macht Roz Chast den Abstand zwischen sich und den Eltern deutlich. Und ist es nicht so, dass Eltern oft in eine Sphäre entschwinden, zu der man keinen Zugang mehr hat?

Was man als Kind nie auszusprechen wagt, das zeigt uns die Zeichnerin mit ihren Bildern: das wahre Gesicht des Altwerdens und ihre Gedanken dazu. Sehr alte Eltern vermögen recht wunderlich und misstrauisch zu werden gegen alles, was ihre Ruhe beeinträchtigen könnte. Sie wollen oft nicht wahrhaben, dass Änderungen, Krankheit, womöglich Pflegeheim und der Tod unausweichlich sind. Sie hängen an allem, was sie im Laufe eines langen Lebens zusammen getragen haben. Trennen können sie sich von gar nichts! „Augen zu und durch“ scheint die unausgesprochene Devise geworden zu sein.

Das Dilemma zwischen dem Werden, Wachsen und Vergehen ist eines, dem man sich im Alter immer weniger stellt. Roz Chast hat es in unübertroffener Weise ins Bild gesetzt. Beim Lesen und Schauen rührt es bei aller Überzogenheit und Groteske an die Seele und ans Herz. Sogar verborgene Zärtlichkeit und Wärme meint man aus den gedrängt wieder gegebenen Erinnerungen zu spüren!
In einem Nachwort wird Roz Chast von Rubinowitz in ihren Zeichnungen mit einem Kind verglichen „ein Kind, das sich in der Welt ohne Eltern zurechtfinden muss und sich seine eigene baut…“.
Sie sprüht über von Einfällen und Geschichten aus der Vergangenheit, die bis in die Gegenwart reichen.
Roz Chast ist langjährige Cartoonistin des „New Yorker“ mit hohem Ruhm, Auszeichnung und Anerkennung! Sie ist einfach wunderbar!

Roz Chast
Können wir nicht über was anderes reden?
240 Seiten, gebunden
Rowohlt, August 2015
ISBN-10: 3498009443
ISBN-13: 978-3498009441
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Matthew Johnstone: Resilienz

Matthew Johnstone: Resilienz

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Matthew Johnstone ist Artdirektor und Designer. Er kennt seelische Krankheiten aus eigener Erfahrung und hat darüber schon mehrere Bildergeschichten mit Texten verfasst.

In seiner neuesten Kreation verarbeitet er die Krisen des Menschen anhand zahlreicher Beispiele mit den entsprechenden Bildern dazu.

Mit seinen Bildern werden die Krisen eindeutiger fassbar und definierbar.

Ob es um Freundschaft, Kommunikation, um das Selbstwertgefühl oder Erfolg und Versagen geht: M.Johnstone weiß fast zu allen Themen etwas zu sagen. Er zeigt uns die Verzweiflung, und er weist auf die möglichen Lösungen hin. Nicht immer wird jeder/ jede mit den Hinweisen zur Lösung des Problems etwas anzufangen wissen.

Denn ein Problem zu erkennen ist die eine Seite unseres Lebens; die Änderung für eine Lösung und ihre Umsetzung in die Tat ist dann die andere und schwerere Seite der Erkenntnis.

Vieles klingt einfach, wenn man es so liest und sieht. Doch wer je schon in seelischen Nöten steckte, weiß auch, wie schwer die Änderung von einmal eingefahrenen Mustern und Gedanken ist.

Die Bilder von Matthew Johnstone sind wie immer klar und einfach strukturiert. Im Gegensatz zu seinen vorangegangenen Büchern dieser Art überwiegt hier aber der Text. Dieser lässt zuweilen ein wenig an die vielen Ratgeberbücher denken.

„Guter Rat ist teuer“ lautet ein Volksspruch. Guter Rat aber reicht häufig nicht, um anstehender Probleme Herr zu werden. Insofern hat sich M.Johnstone ein wenig von seiner guten Absicht entfernt, mit klaren Bildern Sachverhalte darzustellen und die Lösung aus diesen selbst zu ermöglichen. Beispiele sind hier seine Bücher über Depressionen und dem Leben mit dem „Schwarzen Hund“.

Dennoch möchte man das Buch gerne weiterempfehlen, weil jeder aus ihnen den einen oder anderen guten Gedanken schöpfen mag, mit dem der Alltag und das eigene Leben überprüft werden kann.

Es wird von M.Johnstone vieles ausgesprochen, was jeder vielleicht einmal so fühlt aber nicht in eigene Worte fassen kann.

Insofern ist das Büchlein eine Bereicherung für den Alltag mit zahlreichen guten Impulsen für das eigene Handeln.

Matthew Johnstone
Resilienz
120 Seiten
Verlag Antje Kunstman, Oktober 2015
ISBN-10: 3956140664
ISBN-13: 978-3956140662
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Richard Ford: Frank

Richard Ford: Frank

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Frank Bascombe ist alt geworden! Dieser Held der amerikanischen Mittelschicht, der uns aus einer Reihe von Romanen Richard Fords bekannt wurde, ist 68 Jahre alt, war Makler und ist inzwischen Rentner. Mit dem Alter änderte sich sein Weltbild. Gleich geblieben aber sind seine Betrachtungen zur Umwelt, mit denen er seine Mitbürger, ehemaligen Freunde und Kollegen und das politische Geschehen um sich herum beobachtet. Franks Einlassungen zur Zeitgeschichte haben nichts von ihrem Sarkasmus und ihrer Selbstironie verloren. In vier Episoden werden seine neuesten Eindrücke über sein Leben und das der anderen wieder gegeben.

Wir befinden uns im Jahr 2012,in dem der Hurrikan Sandy die Ostküste der USA verwüstete. Häuser, die Bascombe einst verkauft hat, liegen zerstört am Boden. Er selbst hatte sich von der Küste New Jerseys schon vor längerer Zeit zurückgezogen.

In lockerem Jargon, der nicht immer ganz nachvollziehbar ist, ergeht sich Frank in seinen Erinnerungen. Seine Reden und sein Denken sind durchdrungen vom gesellschaftlichem Wandel und seinen Folgen. Das Datum 9/11 mit dem anwachsenden Terror, der die politische Geschichte Amerikas eingreifend veränderte, und Obamas Visionen sind einer ungewissen Gegenwart gewichen.

Richard Ford wählt über weite Strecken das Stilmittel des Selbstgesprächs, mit dem er seinen Erzähler über den Sinn und Unsinn des Lebens nachgrübeln lässt.

Sein Held Frank Bascombe erfasst die Lage des Landes wie in seinem gleichnamigen Roman davor immer noch realistisch und treffsicher. Er ist ein Durchschnittsmann mit klaren Einsichten. Gezeichnet wird er als Mann, der zu den Menschen und Dingen, auch zu den eigenen Kindern, einen gewissen Abstand hält. Seine dritte Frau Sally bleibt im Hintergrund und widmet sich den zahlreichen Hurrikanopfern. Freunde oder Weggefährten, die er zufällig oder verabredet trifft, kommen nicht immer gut weg in seinen differenzierten Beobachtungen.

Er bleibt über die ganze Geschichte hinweg ein spöttischer und leicht resignierter Mann. So betrachtet er sein eigenes und das Leben seiner Mitmenschen aus einer melancholischen und abwartenden Haltung.

Die Kontakte zu seiner  Ex-Frau und gelegentliche zu seinen Kindern lassen ahnen, dass er ein zurückgezogener und letztlich einsamer Mann ist.

Im letzten Kapitel wird vermehrt über den Tod reflektiert. Man spürt seine Neugierde aber auch die Furcht in seinen Überlegungen.

Ein nachdenklich stimmendes und die Endlichkeit einbeziehendes Werk hat uns Richard Ford in der Übersetzung von Frank Heibert vorgelegt. Er gilt zu recht als einer der erfolgreichsten Schriftsteller Amerikas.

Richard Ford

Frank
224 Seiten, gebunden
Hanser Berlin, September 2015
ISBN-10: 3446249230
ISBN-13: 978-3446249233
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