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Kategorie: Biografie

Natalia Wörner: Heimat-Lust

Natalia Wörner: Heimat-Lust

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Die bekannte Schauspielerin Natalia Wörner hat ein Buch geschrieben in Anlehnung an ihre Reflexionen über das, was „Heimat“ uns sein kann oder auch nicht sein kann.

Herausgekommen ist ein durchaus lesenswertes Buch. Detailreich und flott in der Sprache berichtet sie über die verschiedenen Geschichtsphasen ihres Heimatortes Stuttgart Cannstatt, wo sie die meiste Zeit ihrer Kindheit verbracht hat. Sie erzählt über Mutter, Großmutter und Vater. Ihre Jugend hat sie schon frühzeitig als Rebellin in verschiedenen Schulen und Orten, immer jedoch noch in der Nähe von Stuttgart, verbracht. Sie ist ein neugieriges Kind, tatkräftig, durchsetzungsfähig und geliebt von Vater und Mutter, die sich früh schon getrennt hatten.

„Zupacken“: dieses für sie charakteristische Verhalten zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Aufzeichnungen. Sie hat jede Gelegenheit beim Schopf gepackt, um weiter- und hochzukommen. Dabei ist es wohl weniger der Ehrgeiz als die Neugierde, die sie antreibt. Sie will unentwegt Neues erproben, Erfahrungen ansammeln und vorwärtsstreben. Da nimmt es nicht Wunder, wie viele Menschen mit bekannten Namen sich in ihren Erinnerungen wiederfinden. Von fast beneidenswerter Unabhängigkeit beseelt schreitet sie durchs Leben.

Stark, fleißig und munter scheint sie alle Hürden zu meistern, denn sie weiß aus jeder Erfahrung das Positive herauszuziehen. Es hat den Anschein, dass sie mit ihrem charismatischen Auftreten leicht die Herzen der Menschen gewinnt. Neben ihr zu bestehen, mag nicht immer ganz einfach sein!

Wenngleich ihre Aufzeichnungen von kluger Nachdenklichkeit zeugen, ist sie mit Sicherheit keine Grüblerin. Man fragt sich, ob sie Tiefen und Kummer kennt, denn davon spricht sie nicht. Ausgenommen sind davon ihre Erlebnisse bei dem schweren Tsunami in Thailand 2004, den sie hautnah miterlebt hat. Auch daraus aber ergab sich für sie flugs ein neues Engagement in der Gründung von Kinderhilfswerken.

Ihre inneren Verfassungen sollten vermutlich hier nicht Thema sein, denn ihr geht es wohl eher um die Verortung des Menschen an Orten und mit Menschen, die sie liebt und die sie lieben. Da sie von den geschichtlichen Veränderungen ebenso beredt zu berichten weiß wie von den Orten, an denen sie Station gemacht hat in ihrem Leben und von den Menschen, die ihr begegnet sind, bleibt die Lektüre immer unterhaltsam und wird nie langweilig.

Ihre Schilderungen bieten Gelegenheit, sie in ihrer Selbstwahrnehmung kennenzulernen.

Sie erscheint dem Leser wie ein Glückskind, und das wünscht man ihr auch weiterhin.

Natalia Wörner
Heimat-Lust
256 Seiten, gebunden
Riemann Verlag, Juni 2015
ISBN-10: 3570501876
ISBN-13: 978-3570501870
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Benjamin von Stuckrad-Barre: Panikherz

Benjamin von Stuckrad-Barre: Panikherz

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen!Sprachgenie und Lebenskünstler.

Mit einem wahren Sprachrausch beginnt Benjamin von Stuckrad-Barre seinen fulminanten Roman über sein eigenes Leben.

Die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus: mit amüsierter und spöttischer Beobachtungsgabe vermittelt er dem Leser einen Eindruck von seinem liberalen, ökoorientierten und wider die Spießigkeit agierenden Elternhaus. Man gibt sich friedensbewegt und allem Gewöhnlichem abholt. Dass sonntägliche Wanderungen, musikalische Früheerziehung und fleißige Geschwister einen ebenso unguten Druck im Heranwachsenden auslöse könnten, entgeht den fortschrittsgläubigen Eltern ganz. Aber nicht nur die häuslichen Gewohnheiten werden aufs Korn genommen. Ebenso geht es gegen Düfte von Essen und Ungewaschenheit, wie der junge Benjamin sie wahrnimmt. Eines wird bald klar: hier lökt einer permanent wider den Stachel. Udo Lindenberg wird weit über seine Zeit hinaus zu seinem Idol. Benjamin entwickelt eine frühe Begabung, sich denen zu nähern, von denen er sich ein Fortkommen verspricht. Geld verdienen, Platten kaufen, sich so zu kleiden, wie er es sich ersehnt, – das alles ist in diesem Roman zu finden.

Allerdings ist das erst der Beginn einer Entwicklung, die ihn weit und weiter führt ins Drogen- und Suchtmilieu und auf Pfade, die gegen jede bürgerliche Ordnung und Erwartung verstoßen.

Hinreißend ist die Begabung von Stuckrad-Barre, mit einfachen Wortkonstruktionen das Erleben und seine Beobachtungen zu formulieren. Seine Sätze reihen sich übergangslos aneinander und vermitteln ein gutes Bild von einem sensiblen Jungen, der auf der ständigen Suche nach dem von ihm ersehnten wahren Leben ist. Dass man auf diese Weise ein Bild vom Heranwachsen in den poppigen achtziger Jahren gewinnt, einem die Nöte eines begabten Jungen mit überbordender Fantasie und nachgerade auch schrecklichen Erfahrungen in Drogenmilieus mit allen dazu gehörigen Abstürzen vor Augen geführt werden: wem sollte das schaden?

Er ist Narziss mit starkem Drang zum Außenseitertum, er blufft und schlängelt sich allmählich in die Kunst -Popszene hinein; doch er ist auch ein genialer Macher mit Grips und Chuzpe.

Man lese das Buch und freue ich über die Teile, in denen er den Zeitgeist persifliert, die gesellschaftlichen Zwänge und auch sich selbst auf die Schippe nimmt! Ich mochte das Buch sehr!

Benjamin von Stuckrad-Barre
Panikherz
576 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, März 2016
ISBN-10: 3462048856
ISBN-13: 978-3462048858
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Hans Pleschinski: Ich war glücklich, ob es regnete oder nicht

Hans Pleschinski: Ich war glücklich, ob es regnete oder nicht

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Lebensrückblick in die Zeit der Romantik.

Hans Pleschinski hat sich der Erinnerungen von Else Sohn-Rethel aus den zu ihrer Zeit berühmten Malerfamilien Sohn-Rethel-Grahl angenommen.

Die Künstlerfamilie Sohn lebte ursprünglich in Düsseldorf.

Else Rethel (1853 -1933) entstammte der Familie Rethel und Grahl in Dresden. Alle genannten Familien waren weitverzweigt mit vielfältigen künstlerischen und verwandtschaftlichen Verbindungen, deren Aufzählung zuweilen das Fassungsvermögen des Lesers überschreitet. Es war ein christlich-deutsch-jüdisches Großbürgertum, in dem Else Rethel aufwuchs.

In Dresden bewohnte sie mit ihrer Mutter und den Großeltern eine von dem berühmten Architekten Semper erbaute Villa. Hier verlebte Else nach dem frühen Tod ihres Vaters ihre Kindheit und Jugend umgeben von der liebevollen Fürsorge ihrer Mutter und der Großeltern.

In ihren Erinnerungen werden Namen von Künstlern und Malern genannt, die alle zu ihrer Zeit Bedeutung hatten.

Erwähnt werden die Kriege unter Bismarck 1866 und 1870/71, an die sie sich noch erinnern kann.

Im Großen aber geht es in ihren Erinnerungen um das gesellige Leben der Zeit mit vielen auch immer wieder neuen Begegnungen; es geht um Feste wie Hochzeit, Taufe und Geburt und um häufige Einladungen nach München und Düsseldorf. Die Gärten und Villen der diversen Verwandten und Freunde werden eingehend und liebevoll beschrieben. Else Rethel ist ein fröhliches Kind, das den Umgang in den illustren Kreisen genießt und sich auf den anstehenden Bällen und Lustbarkeiten im Freien mit Freuden ergeht.

Sie heiratet noch sehr jung den Maler Carl Sohn aus Düsseldorf, mit dem sie eine überaus glückliche Ehe führte.

Maßgeblich sind im Buch die Erinnerungen an Künstler unterschiedlicher Stilrichtungen. Man verdiente vorwiegend als Porträtmaler gut, so dass man sich ein angenehmes gut bürgerliches Leben leisten konnte.

Die Industrialisierung mit den damit verbundenen Begleiterscheinungen in der Arbeitswelt brachten politische Veränderungen, die das gesellige Leben zunächst noch nicht berührten. Doch erstarkte nach der Deutschen Staatsgründung 1871 der Antisemitismus, der durch langjährige Assimilation der gebildeten Juden überwunden zu sein schien. Er ließ nichts Gutes für die Zukunft vermuten.

Doch noch befinden wir uns in der Zeit der Belle Époque, in der jüdisch-christliche Familien das öffentliche und private Leben mit gestalteten durch Förderung der Künste, Verwaltung der Banken (Oppenheim) und vielerlei Mäzenatentum.

Die fröhliche und sonnige Else Sohn–Rethel hat auf ganz eigene Weise in ihren Erinnerungen die Gründerjahre und das Leben ihrer Zeit verewigt. Sie beschreibt glücklich und froh ihre vielen Unternehmungen, die geselligen Vergnügungen und allerlei andere Kurzweil. Nebenbei gesagt war sie selbst als Sängerin erfolgreich und gefragt.

Man darf Hans Pleschinski, dem Herausgeber der Erinnerungen, dankbar sein. Er hat Zeitkommentare eingefügt, die zum Verständnis der Aufzeichnungen förderlich sind. Eröffnet die Lektüre doch noch einmal einen erhellenden Blick auf die zweite Hälfte des 19.Jahrhunderts. Unsere Aufmerksamkeit gilt einer Frau, die schon vor der eigentlichen Frauenemanzipation ein innerlich freies und ungebundenes Leben zu führen verstand.

Zahlreiche Bildtafeln bieten Einblicke in Leben und Werk der Künstler, die in den Erinnerungen von Else Sohn-Rethel eine Rolle spielen.

Das Buch ist für den künstlerisch interessierten Leser eine Quelle der Inspiration.

Hans Pleschinski
Ich war glücklich , ob es regnete oder nicht
56 Seiten, gebunden
H.Beck, Februar 2016
ISBN-10: 340669165X
ISBN-13: 978-3406691652
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Irmgard Keun: Kind aller Länder

Irmgard Keun: Kind aller Länder

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Eine abenteuerliche Reise…

Dieser wieder aufgelegte Roman von Irmgard Keun aus dem Jahr 1938 ist eine Neuentdeckung für alle jene, die das Nazireich nicht miterlebt haben.

Spontan beginnt die Geschichte der kleinen zehnjährigen Kully, als sie sich zu ihrem Leben in Hotels äußert. Dorthin nämlich verschlägt es sie in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer wieder: nach Brüssel, dann nach Ostende, Nizza, bis Amerika, nach Holland und wo nicht noch überall hin.

Sie lebt mit ihrer Mutter ständig in Geldnot, während ihr Vater, ein Schriftsteller, von Land zu Land reist, um bei diversen Verlegern Geld aufzutreiben. Er trinkt, er prasst und er vertröstet alle: seine Frau, seine Tochter und die zahlreichen Schuldner, die ihm immer auf den Fersen bleiben. Geflohen ist die Familie aus Deutschland, als Hitler sein Zerstörungswerk an den Juden und progressiven Denkern begann und zu immer neuen Auswüchsen trieb. Das Leben auf der Flucht von Ort zu Ort, heimatlos und verloren, fasst Irmgard Keun in die naiven Sätze und Worte der kleinen Kully. Diese spricht kindlich, denkt nach und lässt uns an ihren unvergorenen Vorstellungen über die Welt und die Welt der Erwachsenen in einfachen Worten teilhaben.

Wie sollte ein Kind damit fertig werden, das sich ständig von Verfolgern umringt sah, und das in einfachen Worten die Scham beschreibt, die es ergriffen hat, wenn Kellner und Hoteliers sie loswerden wollten? Die Geldnot zwang zu Hunger und ständiger Lügerei mit der stillen Hoffnung auf Versprechungen des Vaters, dass er sie schon bald mit einer großen Summe freikaufen würde.

Gerade die naive Sprechweise und der unschuldige Blick des Kindes öffnen den Blick auf die Grausamkeit von Vertreibung und Not, von Kälte und Armut ohne Perspektive für das Weiterkommen. Da muss die Kleine in einem Kaffee ausharren, weil der Vater sie erst des Abends wieder abholt. Sie weiß nicht, ob er denn wirklich kommen wird. Sein Verhalten ist so unzuverlässig und vage, dass das Kind sich oft verlassen und vergessen vorkommen muss. Die Mutter weint viel und bedarf häufig selber des Trostes. Auch reisen sie sehr plötzlich immer wieder von irgendwo ab, ohne dass das Ziel oder Warum ersichtlich wird. Der Vater organisiert die Reisen, aber man weiß zuweilen nicht, wo er selber denn nun steckt.

Die kurzen Sätze mit dem naiven Unterton kindlichen Denkens und den Folgerungen, die das Kind aus seinen Beobachtungen zieht, sind sehr anrührend.

Nichts klingt larmoyant oder altklug.

Das Sprichwort „Kindermund tut Wahrheit kund“ scheint sich hier zu bestätigen. Wie soll man das Verhalten Erwachsener verstehen, wenn man noch klein ist, und die Welt voller Geheimnisse steckt? Das Leben für Kully war ein Herumzigeunern mit unbekanntem Ziel und Sinn. Die Autorin hat sich die Sichtweise eines herumgestoßenen Kindes zueigen gemacht. Da darf man vieles sagen, was die Erwachsenen nicht äußern, auch weil sie dem ständigen Überleben selber ausgesetzt sind und dem Kind nichts erklären wollen. Das Kind bleibt mit seinen Träumen und Ängsten sich selbst überlassen.

Irmgard Keun gehörte selber zu den Flüchtlingen aus Hitler Deutschland, in dem für Juden und Andersdenkende keines Bleibens mehr war. In Ostende hatte Irmgard Keun eine Affäre mit Joseph Roth. In diesem Buch mag man sich an das Paar erinnern, das, immer auf der Suche nach Unterkunft und Nahrung, heimatlos geworden waren.

Irmgard Keun
Kind aller Länder
224 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2016
ISBN-10: 346204897X
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Tamara Dietl: Die Kraft liegt in mir

Tamara Dietl: Die Kraft liegt in mir

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Bewältigungsstrategien in Lebenskrisen.

Tamara Dietl hat ein durchreflektiertes Buch über ihre Jahre mit dem kürzlich verstorbenen Regisseur Helmut Dietl geschrieben.

Als sie ihn kennenlernt, ist sie bereits eine erwachsene und sehr reife Persönlichkeit. Sie war Journalistin, Dokumentarfilmerin und inzwischen Coach für diverse Unternehmen. Angezogen von den Thesen des Psychiaters Viktor Frankl hat sie sich dessen Lehren vom Sinn des Lebens zu Eigen gemacht. VF war Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse. Von diesen Thesen ist sie tief durchdrungen. Sie basieren auf einer positivistischen Sichtweise des Lebens, in dem wir Herr unseres Schicksals und unserer Handlungen sind.

Krisen bieten demnach die Möglichkeit, sich auf sich selber zu besinnen und sich durch Eigenerkenntnis zu stärken. Wir sind nicht Herr über das Leben oder Sterben, wohl aber darüber, wie wir leben oder sterben.

Darüber hinaus ist die Autorin durch Großmutter und Mutter schon früh auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft aufmerksam geworden. Sie nimmt Emanzipation als Funktion war. Wir können gleich berechtig handeln, ohne gleich zu sein.

Todesfälle im Freundes- und Familienkreis sind jeweils tief emotional anrührende Momente, die Tamara Dietl trauernd durchlebt, ohne sich zu verlieren.

Von Beginn an merkt man in ihren Aufzeichnungen, wie stark sie ist, und wie selbst bestimmt sie auch die Ehe mit Helmut Dietl eingeht. Natürlich hat sie mit 36 Jahren, als sie ihn kennenlernt, bereits eine beachtliche Karriere in wechselnden Berufen hinter sich. Sie weiß, dass sie alleine leben kann, und sie weiß, wie man Partnerschaft durch sinnvolle Absprachen gestalten kann, so dass das Scheitern der Beziehung möglichst nicht einkalkuliert werden muss.

Helmut Dietl war fast zwanzig Jahre älter als sie. Durch seinen Tod wurde eine offensichtlich harmonische, liebevolle und von zwei gleichberechtigten Partnern bestimmte Beziehung vorzeitig beendet.

Tamara Dietl beschreibt ihren inneren Werdegang sehr einleuchtend. Sie reflektiert alle Begebenheiten in ihrem Leben mit Neugierde und anhaltendem Interesse für die inneren Zustände, in denen sie sich befindet. „Einhalten und Durchatmen“ sind ihre Devisen; damit ist sie weit gekommen. Nicht jedem sind die intellektuellen Möglichkeiten und Feinheiten gegeben, so diszipliniert zu denken, das eigene Verhalten zu Durchforschen und Ergebnisse zu akzeptieren.

Den folgenden Spruch hat sie sich als Tröstung zu Eigen gemacht:

Gott gebe mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen,
die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern,
die ich ändern kann
und die Weisheit,
das eine vom andern zu unterscheiden.

Friedrich Christoph Oetinger (1702 -1782)

Man profitiert von ihren Aufzeichnungen auf je eigene Weise und kann sie sehr empfehlen.

Tamara Dietl
Die Kraft liegt in mir
296 Seiten, gebunden
btb Verlag, November 2015
ISBN-10: 3442754941
ISBN-13: 978-3442754946
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Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

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Start ins Leben mit Zögerlichkeit und Sinn für das Absurde.

Mit Verve und Unterhaltungsbegabung beginnt Joachim Meyerhoff die Geschichte seiner Studienzeit in München. Er wird in München an der Filmhochschule angenommen und wird zunächst mangels geeigneter Studentenbude bei seinen großbürgerlichen Großeltern in deren Villa in Nymphenburg aufgenommen.

Die Schilderung dieser ungewöhnlichen Großeltern ist schon das ganze Buch wert. Die Großmutter war einst eine hervorragende Schauspielerin; der Großvater ist ein pensionierter Philosophieprofessor. Wie der Enkel Meyerhoff deren Tagesrituale und vor allem deren Alkoholkonsum zu jeder Gelegenheit beschreibt zeugt von einer großartigen, urkomischen und trockenen Erzählweise.

Man muss laut lachen, weil die Szenen voller Ironie und Amüsement stecken. J. Meyerhoff versteht hier sein Dasein als ein von naiver Unbeholfenheit gezeichneter Junge am Rande zur Erwachsenwelt.

Eine gewisse Distanz zu seinen Beobachtungen macht die Geschichte so heiter und zu einem wirklich belustigenden Erlebnis. Da die Großeltern nur noch mühsam laufen konnten, „hatten sie sich einen Treppenlift einbauen lassen“. Auf diesem entschwebten sie zur Nacht hin in ihre oberen Gemächer, und Meyerhoff selbst, von all dem Alkohol benebelt, tat es ihnen gleich.

Durch das gesamte Buch hindurch spielen die Großeltern wiederholt eine zentrale Rolle im Wechsel mit langen Passagen über seine Erfahrungen als Schauspielschüler. Meyerhoff bleibt bei seiner distanzierten Haltung gegenüber den Mitschülern und der eigenen Rolle. Sein trockener Humor schimmert immer wieder durch und macht die Erzählung zu einer skurrilen und launigen Betrachtung über das Leben als Schauspieler, wobei er sich über eigene Niederlagen oder auch Erfolge gleichermaßen lustig macht.

Ein unterhaltsames Stück Münchner Zeitgeschichte wird uns da präsentiert. Die Großeltern mit ihren charaktervollen und dezidierten Lebensweisheiten bieten unablässig Anlass zum Schmunzeln.

Joachim Meyerhoff ist von entwaffnender Ehrlichkeit und Offenheit auch über sich selbst und seine Lebenserfahrungen.

Der talentierte Schauspieler und Erzähler wird uns hoffentlich noch so manche Gelegenheit zu guter Unterhaltung bieten.

Joachim Meyerhoff
Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
352 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, November 2015
ISBN-10: 3462048287
ISBN-13: 978-3462048285
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Jochen Schweizer: Der perfekte Augenblick

Jochen Schweizer: Der perfekte Augenblick

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In diesem Buch berichtet ein erstaunlicher Unternehmer von seinem Werdegang. Dynamisch, mutig, risikofreundlich und kreativ hat Jochen Schweizer sich ein Unternehmen erarbeitet, das mit großem Erfolg Erlebnisse verkauft. Wie soll man das verstehen?

Er hat als Junge aus ärmlichen Verhältnissen früh angefangen, sich Geldquellen zu erschließen. Dabei aber blieb es nicht. Von ungeheurer Abenteuerlust getrieben, begann er ebenfalls schon früh, das außergewöhnliche Erlebnis zu suchen und zu erforschen. Dazu gehörten alle Arten von waghalsigen Unternehmungen wie Bungeespringen, Wildwasserfahren, Fallschirmspringen, Ballonfahren und Seilkunststücke aller Art. Wüstenfahrten gehörten ebenso dazu wie die Erforschung ferner Völker.

Das Besondere an Jochen Schweizer aber ist, dass er gekoppelt an seine Erlebnisse daraus eine eigene Lebensphilosophie für sich entwickelte hat:für jedes Ereignis und jede Erfahrung den rechten Zeitpunkt zu erfassen und sich immer neue Ziele zu stecken. In der Psychologie nennt man das „intrinsische Verstärkung“. Jeder Erfolg stärkt das Selbstbewusstsein und aus jeder Niederlage sind neue positive Kräfte zu entwickeln. Da er Stuntman und Abenteurer in einem war, konnte er sich zu einem äußerst erfolgreichen Selfmademan entwickeln. Mit bemerkenswerten Leistungen geht er immer bis an die Grenzen des Möglichen. Ein traumatischer Unfall im Jahr 2003 brachte ihn in eine schwere Krise, aus der er neue Lehren zog.

Er gründete das „Jochen Schweizer Unternehmen“ für Erlebnisreisen. Seine Kreativität kannte keine Grenzen, wenn es darum ging, immer neue Events zu Verkaufschlagern zu machen. Irgendwann ging er fast in Konkurs und begann einen neuen Start.

Seine Niederschrift über sein Leben enthält neben den Fakten des Erfolgs und der Niederlagen zahlreiche Einsichten, die er zu seiner „Selbsterfahrung“ hinzufügte. Er muss schließlich Grenzen erkennen und einen Weg zu einem ausgewogenen Leben zwischen Aktivität und Ruhe finden.

Sympathisch erläutert der die Notwendigkeit, das jeweils Richtige für sich selbst im richtigen Augenblick zu finden und mit seinen Erfahrungen nicht zu missionieren. Auf seiner Suche nach dem besten Weg gelangt er zum Yoga. Auch hier aber schneidert er sich ein Übungsmodell zurecht, das für ihn passt. Es hat nichts mit Esoterik zu tun und nichts mit abstrakten Heilsgeschichten.

Der Lebensbericht ist brillant und spannend zu lesen. Für Menschen, die selber einmal erlebt haben, wie es ist, an einer Wegscheide zu stehen und zu neuen Zielen zu finden, ist das Buch ein MUSS.

Jochen Schweizer
Der perfekte Augenblick
176 Seiten, gebunden
GRÄFE UND UNZER Verlag, 2. Auflage, Oktober 2015
ISBN-10: 3833845392
ISBN-13: 978-3833845390
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Peter Härtling: Verdi

Peter Härtling: Verdi

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Lebensbild des Giuseppe Verdi auf der Höhe seines Ruhms und seiner Größe.

Mit dem Leben des alternden Verdis, der bereits zu Ruhm und Ansehen gelangt ist, beginnt der neue Roman von Peter Härtling über den Komponisten und bekannten Musiker Giuseppe Verdi.

Dieser besitzt zu dieser Zeit um 1870 mehrere Wohnsitze, eine ihn liebevoll umsorgende Frau, und er macht sich gerade an die Komposition zu einem ersten Streichquartett.

Wir erleben ihn knurrig, leicht unzufrieden und ebenso leicht despotisch. Kritik gegenüber ist er hoch empfindlich. Er komponiert und arbeitet, trifft sich mit Sängerinnen und Sängern und lebt ein ausgefülltes Leben. Voller Unrast und Unruhe reist er von einem Wohnsitz zum nächsten und ist auch von seiner Frau nicht zur Ruhe zubringen.

Als ihn 1883 die Nachricht vom Tod Richard Wagners erreicht, ist er getroffen, wenn er auch dessen musikalisches Werk nicht schätzte.

Doch gerade schwingt er selber sich zu neuen ungeahnten Erfolgen auf: Otello und Falstaff stehen vor den Erstaufführungen. Auch ein Requiem zu Ehren des verstorbenen Dichters Alessandro Manzoni bringen ihm Ruhm und Ehre ein.

Peter Härtlings bedient sich in seinem neuen Roman einer abgeklärten und behäbigen Erzählweise.

Detailversessen beschreibt er die damalige Musikszene in Mailand, Berlin und London. Sänger und Librettisten buhlen um seine Gunst, doch auch die Neider sind nicht fern.

Für den Musikkenner enthält der Roman atmosphärisch dichte Partien. Der ganze Roman entspricht in den Kapiteln einer groß angelegten Fuge.

Härtling ist ein ausgewiesener Musikkenner. In seinen früheren Romanen hat er sowohl Schumann als auch Schubert und Fanny Mendelssohn Denkmäler gesetzt. Unübertroffen bleibt für mich sein Roman über Hölderlin, der mich zu seinem Lesefan gemacht hat.

Dieser letzte Roman erscheint mir ein wenig zu ausufernd. Es gibt u.a. musiktheoretische Anmerkungen, die eine gewisse Fachkenntnis voraussetzen. Im letzten Teil über den Tod und das Sterben findet man feinfühlige poetische Ausführungen. Hier zeigt sich Härtlings Fähigkeit, in unübertroffener Weise Stimmungen und Zeitbilder herauf zu beschwören.

Für Verdifans ist die Lektüre gewiss eine lebendige Quelle der Freude und Information.

Peter Härtling
Verdi
224 Seiten, gebundn
Kiepenheuer&Witsch, August 2015
ISBN-10: 3462048082
ISBN-13: 978-3462048087
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Alfred Neven DuMont: Mein Leben

Alfred Neven DuMont: Mein Leben

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Lebensstationen eines einflussreichen Zeitungsmagnaten.

Alfred Neven DuMont (1927-2015) war einer der bekanntesten Deutschen Zeitungsverleger in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Jetzt liegt seine Autobiographie vor, in der er uns aufschlussreiche Einblicke in sein Leben gewährt.

Aufgewachsen ist er in einem gebildeten und gut situierten bürgerlichen Elternhaus. Die Mutter wird als bezaubernde Erscheinung beschrieben. Sie ist die Tochter des als „Malerfürst“ bekannten Malers Franz von Lenbach, der in München ein stattliches Palais bewohnte.

Während die frühen Jungendjahre mit Kindermädchen, Dienstboten und Hilfskräften aller Art ein anschauliches Bild über das Kölner Großbürgertum vermittelt, beginnt mit dem Zweiten Weltkrieg 1939 ein unruhiges Dasein für den heranwachsenden Alfred. Geliebt, beschützt und verwöhnt nimmt er aber die Unbilden des Krieges mit Leichtigkeit und Neugier auf sich. Starnberg und München bieten Abwechslung und Natureindrücke, von denen er beredt zu erzählen weiß. Dank freundschaftlicher Warnungen und Hilfen entging er der Einberufung, als die letzten Kriegstage angebrochen waren.

Mit dem Kriegsende 1945 versucht er sich zunächst als Schauspieler in München. Er tummelt sich in Theaterkreisen und genießt beachtliche Erfolge.

Die Autobiographie zeichnet sich durch einen leichten Ton und frischen Lebensmut aus. Selbst eine kurze Zeit der Niedergeschlagenheit überwindet Neven DuMont, um sich danach erneut mit Tatendrang ins Leben zu stürzen.

Immer wieder spürt man das wohlwollende Elternhaus im Hintergrund und die weitreichenden Verbindungen der Eltern als sicheren Boden, auf den er bauen konnte. Doch entwickelte er sich selber zu einer souveränen und starken Persönlichkeit mit eigenen Vorstellungen und Ambitionen.

Die Verlegerkarriere im traditionsreichen Familienunternehmen wird schließlich zu seiner Berufung.

Der blendend aussehende Mann voller Elan und Ideen für eine Steigerung der Auflagen des Kölner Stadt-Anzeigers weitete sein Unternehmen zu einer umfangreichen Mediengruppe mit Buchverlag aus.

Unter den westdeutschen Zeitungsverlegern spielte er eine herausragende Rolle und wurde im Laufe seines Lebens mit hohen Auszeichnungen und Preisen geehrt.

Seine Betrachtungen und Erfahrungen sind die Basis dieser Erinnerungen. Vom Privaten geht es in das Berufliche, doch er bleibt stets diskret. Er war im wahrsten Sinne des Wortes ein „Herr“ und lebte kein gewöhnliches Leben. Da er Gott und die Welt kannte,   verkehrte er in den besten Kreisen mit Zugang zu einflußreichen politischen Persönlichkeiten.

Die mit Verve beschriebenen Lebensstationen machen die Lektüre zu einem wirklichen Lesevergnügen. Daneben bieten die Aufzeichnungen ein authentisches Zeitdokument von einigem Rang über die Nachkriegszeit bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit ihren politischen Verwerfungen.

Man verlässt dieses aufregende Leben zu Ende der Lektüre nur ungern.

Im Anhang gibt eine Zeittafel Auskunft über die Lebensstationen.

Man kann die Lektüre uneingeschränkt empfehlen.

Alfred Neven DuMont
Mein Leben
400 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, August 2015
ISBN-10: 3832198083
ISBN-13: 978-3832198084
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Sabriye Tenberken: Die Traumwerkstatt von Kerala

Sabriye Tenberken: Die Traumwerkstatt von Kerala

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Die Welt verändern und Impulse dafür geben: das ist das Thema, und das ist die Geschichte, von der man hier hören kann.

Sabriye Tenberken ist mit 12 Jahren erblindet. Dank ungeheuer positiver Erziehungseinflüsse und einer selten optimistischen Lebenshaltung hat sie es ganz weit gebracht. Nicht nach unserem herkömmlichen Sinne ist sie erfolgreich; sie ist Entwicklungshelferin von einer besonderen Art.

Nach einer guten Ausbildung und einem Studium der Tibetologie, Soziologie und Philosophie, brach sie alleine nach Tibet auf. Dort schaute sie sich um, traf ihren Lebenspartner Paul Kronenberg und gründete mit ihm die erste Blindenschule der Region.

Welche Hürden es zu überwinden galt, wie man Zugang zu den Menschen fand und Überzeugungsarbeit leistete, dass blinde Menschen nicht gleich blöde Menschen sind, das kann man sich im gewöhnlichen Leben unserer Regionen kaum vorstellen.

Die beiden Aufbauhelfer leisten Unvorstellbares und bleiben beseelt davon, dass man auf diesem Weg noch weiter fortschreiten kann.

So gründeten sie eine Traumwerkstatt in Kerala/Indien. Dorthin kommen außergewöhnliche Menschen mit Behinderungen aus aller Welt, deren Visionen von neuen Projekten Erfolg zu versprechen scheinen. Hier lernen sie gemeinsam, wie man bei dieser Aufbauarbeit vorgeht.

Im Anhang sind die Namen und Länder aufgeführt, in denen schon Projekte aus der Werkstatt von Kerala hervorgegangen sind.

Sabriye Tenberken berichtet spontan und ohne Schönfärberei von ihren Anfangsschwierigkeiten, auch von Rückschlägen, immer aber getragen von der zuversichtlichen Hoffnung auf eine Veränderung der Welt. Sie ist weder naiv noch unrealistisch. Die sachliche und konkrete Berichterstattung macht das Buch zu einem Erlebnis. Wie charakterstark und selbstbestimmt muss ein Mensch sein, der trotz Behinderung sich an diese teilweise waghalsigen Projekte wagt?

Sie hat gelernt, mit der Nase und den Ohren ihre Einschränkung der Sehkraft zu kompensieren. Sie wirkt nie unsicher oder zaghaft. Stattdessen ist sie stabil und bestimmt in ihrem Vorgehen. Man merkt, dass manche ihrer Vorhaben fast unrealisierbar erscheinen.

Diese junge Frau besitzt eine außerordentliche visionäre Kraft. Sie packt etwas an, und es gelingt ihr. Gemeinsam mit ihrem Partner Paul Kronenberg hat sie fast Berge versetzt, und sie wird es weiter tun. Bewundernswert!

Ihr sind schon zahlreiche Ehrungen aufgrund ihrer Verdienste zuteil geworden.

Sabriye Tenberken
Die Traumwerkstatt von Kerala
288 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, September 2015
ISBN-10: 3462047175
ISBN-13: 978-3462047172
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