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Schlagwort: Agota Kristof

Irgendwo

Irgendwo

Es sind ganz normale Menschen in ganz verrückten Geschichten, die uns in den Erzählungen von Agota Kristof über den Weg laufen.
Man meint, das Leben sei auf den Kopf gestellt.

Da findet eine Frau ihren Mann am Morgen mit einem Beil im Kopf. Er liegt blutüberströmt auf dem Boden neben dem Bett. Sie macht ganz naiv Mitteilung davon. Sie erzählt so, als sei es ganz normal und überhaupt nicht verwunderlich. Die Geschichte ist kurz und zuletzt verflüchtigt sie sich wie ein offen gelassener Satz…

Da will ein Kind ein Gewehr und bekommt es nicht, weil es kein schönes Spielzeug sei, woraufhin es beschließt, die verlogenen Erwachsenen, die selber mit richtigen Gewehren spielen, später einmal umzubringen.

Ein Mann flüchtet aus der lauten Stadt in die Stille eines Bauernhofs. Doch bald ist sein Grundstück von einer neu gebauten Autobahn eingeschnürt, eine Müllverbrennungsanlage entsteht und in seiner Nähe werden zwei Gastanks aufgestellt. Als er die Stadt besucht, findet er Blumenbeete, verkehrsberuhigte Strassen und eine idyllische Ruhe vor.
Eine andere Geschichte, der Kanal, erscheint wie ein Traum. Ein Mann sieht sein Auto verbrennen, dann sucht er seinen Sohn und das Haus, in dem er aufgewachsen ist. Am Ende begegnet ihm ein Puma. Er unterhält sich mit ihm. Es endet vollkommen ungereimt und verrückt.

So reiht sich eine Geschichte an die andere.

In kurzen Sätzen und einem ruhigen und lakonischen Ton werden die absurdesten Ereignisse vorgetragen.
Die Naivität und die Selbstverständlichkeit, mit der diese ungewöhnlichen Geschichten erzählt werden, sind teilweise urkomisch und gleichzeitig faszinierend. Neben der Verrücktheit lauert die ganz gewöhnliche Wahrheit: dass man vielleicht froh ist, wenn der Mann mit seinem nächtlichen Schnarchen endlich Ruhe gibt; dass ein Kind wütend ist auf Erwachsene, die mit ihren Widersprüchen für ein Kind nicht zu verstehen sind. Und die ganze Wahrheit ist, dass die Natur auf dem Bauernhof durch zivilisatorische Einflüsse verloren geht, und dass man in die Stadt Dank bürokratisch eingreifender Maßnahmen, bereinigter Luft und in ruhige Straßen wieder zurückkehren kann.

Agota Kristof bedient sich eines schwarzen und trockenen Humors, um die Welt mit ihren traurigen, schönen, grausamen und wahren Gesichtern zu zeigen. Was makaber anmutet, das wird so erzählt, als sei es ganz normal.

Diese kleinen Nouvelles lesen sich leicht und wie zwischendurch. Sie wirken unbeschwert und sind dabei kein bisschen oberflächlich.
Es geht um kleine Lebensskizzen, die, herausgeschnitten aus einem Ganzen, wichtige Details wiedergeben, um ganze Gesellschaftszustände zu beschreiben.
Hervorragend und sehr zu empfehlen!

Agota Kristof
Irgendwo
Verrückte Welt mit Wahrheitsgehalt
ISBN:3492048714
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