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Schlagwort: Liebe

Anne Sanders: Sommer in St. Ives

Anne Sanders: Sommer in St. Ives

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„Her name was Lola, she was a showgirl.“ Diesen Spruch hat Lola, die Protagonistin dieses Romans, schön öfters gehört. Aber aus dem Mund von Chase Bellamy klingt er doch etwas anders.

Sommer, Sonne, Strand und Meer, dazu Meeresrauschen, Möwengeschrei, kieloben liegende Boote und eine Bildergalerie neben der anderen. Wenn dies auch etwas nach Klischee klingen mag, so ist das vielleicht nur in dieser Rezension so, denn in dem Roman beschreibt die Münchner Autorin sehr fein und mit viel Liebe zum Detail die Straßenzüge von St. Ives, die Landschaft von Cornwall und das Leben in diesem Landstrich. Bei den Lesern passende Bilder im Kopf hervorzurufen (Ich muss rot sein wie ein italienischer Kleinwagen.), fällt ihr leicht. Einfach zurücklehnen und die Bilder genießen, sollte zumindest beim Hörbuch gut funktionieren. Beim Lesen schweift man schnell vom Text ab und verliert sich in der cornischen Region.

Worum geht es in diesem Roman? Vor einem Jahr ist Großvater verstorben. Großmutter Elvira hat die Tochter Samantha samt Schwiegersohn Ben und den Enkelkindern Lynda, Lola und Luca an den Ort eingeladen, der für ihr eigenes Leben so prägend war. Noch im Flugzeug gehen alle davon aus, dass es sich um ein kleines Cottage handeln wird, in dem sie sich die nächsten sechs Wochen vergnügen dürfen, obwohl manchen von ihnen die Arbeit im Nacken sitzt. Doch dann werden sie bei ihrer Ankunft von einem großen Herrenhaus auf den Höhen überrascht. Die Großmutter erwartet sie schon, denn sie war wegen irgendwelcher Vorbereitungen eine Woche früher nach Cornwall gereist.

Am ersten Tag wundert sich die Familie, dass sich Großmutter für den ganzen Tag über verabschiedet und erst am Abend wieder alle treffen werde. Noch dazu in einem Pub unten im Ort zu einem Konzert. Nun gut, alle wissen, dass Großmutter hin und wieder ein Klassikkonzert besucht. Um so überraschter sind sie, als sich herausstellt, dass es sich um ein Rockkonzert handelt. Die Familie versteht die Großmutter nicht mehr. Als nach dem Konzert der Gitarrist und Frontmann Sam Watson auf den Tisch der Familie zukommt, kommt es noch dicker …

Anne Sanders hat diesen Roman im Sprachspiel eines Tagebuches angelegt. Die sechsundzwanzigjährige Protagonistin Lola plaudert und plätschert ihre Erlebnisse so locker, als würde sie sie ihrem Tagebuch anvertrauen. Manchmal etwas zu locker, denn die Figuren sagen nichts, vielmehr quietschen, krächzen, schreien, quieken, quäken, brummeln und murmeln sie. Murmeln vor allem. Der Spannung und guten Laune beim Lesen kommt das aber nicht in die Quere. Auch der reichlich enthaltene Konfliktstoff, den die Familienmitglieder mit sich herumtragen, lässt keine wirklich düstere Stimmung aufkommen. Das gelegentlich schlechte Wetter in St. Ives sorgt ebenso wenig für Unbehagen, verbergen sich darin doch so manch spaßige Überraschungen.

Sander erzählt auf geschickte Weise gleich zwei Liebesgeschichten, die der Protagonistin Lola und die ihrer Großmutter Elvira. Sie erzählt von schwierigen Verhältnissen, welches die Frauen dieses Romans mit ihren Müttern hatten, und stellt dar, dass jede Generation mit ähnlichen Problemen zu tun hat und doch jeder seinen eigenen Weg gehen muss. Während die Hauptgeschichte von Lola selbst in der ersten Person erzählt wird, so erschließt sich die Geschichte der Großmutter über Rückblenden, die in der dritten Person erzählt werden. Stück für Stück setzt sich ein riesiges Familienpuzzle zusammen.

Ein rundum lesenswerter Roman für viel Sonne und Wärme im Herzen, der sich nach der letzten Seite nur schwer zuschlagen lässt.

Sanders, Anne
Sommer in St. Ives
Blanvalret Verlag, München
ISBN 9783764505462

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Robin Black: Porträt einer Ehe

Robin Black: Porträt einer Ehe

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Nichts eignet sich so sehr zum Thema eines Romans wie das Porträt einer Ehe.
Sind es doch die immer gleichen Ereignisse, die uns Menschen während eines langen Lebens bewegen.

In diesem Roman finden sich zwei Künstler zusammen, die auf lange gemeinsam verbrachte Jahre zurückblicken. Sie sind aus Philadelphia aufs Land gezogen. Owen ist Schriftsteller, und Augusta, genannt Gus, malt. Kinder wollten sie zuerst nie, und als sie daran dachten, bekamen sie keine mehr.

Gus hatte noch in Philadelphia eine heiße Affäre mit Bill, dem Vater einer ihrer Malschülerinnen. Sie hat sich Owen offenbart, weil sie nicht mit einer Lüge leben wollte. Die Wunde bei ihrem Mann sitzt tief, und beide haben allerhand zu tun, um diesen gravierenden Zwischenfall und Vertrauensbruch zu verwinden.

Nun leben sie ein zurückgezogenes Leben auf dem Land. In einem alten Farmhaus haben sie sich eingerichtet. Sie sind nicht gläubig und leben gegen den Mainstream. Doch gewisse Formen geben Halt, und so haben sie sich eigene Rituale zugelegt: wo sie wann, wie und was z.B. feiern werden.

Doch in die selbst gewählte Stille und kontemplative Ruhe bricht eines Tages eine Nachbarin ein. Auch sie ist Malerin und sucht Ruhe und Alleinsein nach einer langjährigen desaströsen Ehe. Alison hat eine Tochter, die erwachsen geworden ist und das Elternhaus verlassen hat.

Alison und Gus, die beiden Malerinnen, freunden sich an, und man ist gespannt, wie sich das Dreiergrüppchen mit Owen dazwischen arrangieren wird. Wie zu vermuten ist, kann das nicht lange gut gehen.

Warum ist diese Geschichte so reizvoll für den Leser?

Nun, es ist das geruhsame Landleben und die prickelnde Versuchung neuer Gemeinsamkeiten, die mit Alison in das Leben von Owen und Gus getreten ist. Einmal trifft man sich zu einem Glas Wein, dann wieder ist es ein Abendessen, das man mit einander verbringt. Die Frauen beginnen, sich kleine Geheimnisse aus ihrem Eheleben mitzuteilen, was am Ende nicht zum Guten gereicht.
Mit ihren diffizilen Querverbindungen unter den verschiedenen Protagonisten steigert Robin Black die Geschichte zu einer Erzählung, die mit einem unerwarteten Ende aufwartet.
Das psychologische Feingefühl der Autorin lässt uns glauben, dass genau solche Ereignisse im wirklichen Leben und quer durch alle Schichten passieren könnten. Da vermischen sich Missverständnisse mit Lug und Betrug und Eifersucht mit Versuchung. Robin Black gewährt uns Einblicke in die sensibelsten Empfindungen ihrer Protagonisten.

Die Erzählung verläuft zunächst in einem ruhigen Strom von Beschaulichkeit und Einkehr, um dann an Fahrt aufzunehmen. Genauso aber spielt das Leben: unerwartete Wendungen passieren ohne unser Zutun, und alle guten Vorhaben mögen zunichtewerden, wenn der Zufall als Schicksal in Erscheinung tritt. Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte mit nicht zuletzt kriminellem Einschlag ist Robin Black mit diesem Roman gelungen.

Robin Black
Porträt einer Ehe
320 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag, Mai 2016
ISBN-10: 3630873227
ISBN-13: 978-3630873220
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Debbie Macomber: Winterglück

Debbie Macomber: Winterglück

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Die an der Ostküste und in Florida lebende Schrifstellerin Debbie Macomber hat mit „Winterglück“ (Originaltitel: „The Inn at Rose Harbour“) einen weiteren schönen Wohlfühlroman vorgestellt. Die Protagonistin Jo Marie Rose hat ihren Mann Paul in Afghanistan verloren. Ein kleines Erbe und der Verkauf, des mit Paul erworbenen Hauses reichen, damit sie einen neuen Anfang wagen kann. Sie zieht in den beschaulichen Küstenort Cedar Cove und wagt sich an die Eröffnung eines Bed & Breakfasts, welches sie Rose Harbour Inn nennt. Bald schon kommen die ersten Gäste, Abby Kincaide und Joshua Weaver. Schnell merkt Jo Marie, dass beide Gäste nicht ganz freiwillig in Cedar Cove sind. Sie tragen schwer an ihrem Gepäck und ihnen steht ein turbulentes Wochenende bevor. Wird alles gut gehen?

Macomber hat diesen Roman als Episodenroman angelegt. Die Gäste der Pension kennen sich nicht und jeder hat eine andere Last zu tragen, mit der sie in den kleinen Ort gekommen sind. Drumherum wird die Geschichte von Jo Marie erzählt. Somit erfährt der Leser drei unterschiedliche Geschichten in diesem Roman. In jeder dieser Geschichten stellt sich die Frage, wie sie wohl ausgehen mag. Damit wird der Leser mit drei sehr unterschiedlichen Protagonisten konfrontiert. Jede Geschichte wird aus einer anderen Perspektive erzählt. Während die von Jo Marie in der ersten Person aus der Sicht von ihr selbst erzählt wird, werden die anderen beiden Geschichten von einer dritten Person erzählt. Nicht von Jo Marie, denn sie ist nicht in allen Momenten anwesend.
Nicht besonders schön fand ich die ständigen Wiederholungen im Text. Die Schriftstellerin scheint ihren Lesern nicht zuzutrauen, dass sie sich an eine Tatsache auch nach 50 oder 200 noch erinnern können. Wenn eine Figur einmal als böswillig beschrieben wird, dann muss dieses nicht alle zwanziug Seiten wiederholt werden.

Ein schöner Roman zum Entspannen, den man einfach so weglesen kann, ohne sich viel Gedanken um das Weltgeschehen machen zu müssen. Liebhaber von Nora Roberts werden auch diesen Roman mögen.

In derselben Reihe:
– Frühlingsnächte
– Sommersterne
– Herbstleuchten

Macomber, Debbie
Winterglück
Aus dem Amerikanischen von Nina Bader
Blanvalet Verlag, München
ISBN 9783734102493

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Ulrike Renk: Die Australierin

Ulrike Renk: Die Australierin

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Der Roman ist der Auftakt einer Reihe von Romanen, die sich um die Auswanderung der Emily Bregartner und ihrer Familie drehen. Es geht ins Hamburg des 19. Jahrhunderts. Hamburg erlebt gerade den größten Brand seines Bestehens. Die Häuser vieler Stadtteile sind bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Die Familie Martin Bregartners, Emilias Vater, wohnt außerhalb in Othmarschen. Das Haus seines Bruders in der Stadt ist vom Feuer getilgt worden, weshalb Hinrich mit seiner Frau bei den Verwandten in Othmarschen aufgenommen wird. Was eigentlich für kurze Zeit gedacht war, entwickelt sich wegen der Schwierigkeiten beim Aufbau der Stadt zu einem Dauerzustand. Hinrichs Frau übernimmt das Haus in Othmarschen in ihrer Selbstgefälligkeit. Darunter leidet nicht nur Emilia, sondern auch alle Bediensteten.

Ulrike Renk hat das Bild einer bürgerlichen Familie in der Mitte des 19. Jahrhunderts gezeichnet. So entgeht ihm nicht eine gewisse Ähnlichkeit mit Thomas Manns „Die Buddenbrooks“, was nicht zuletzt auch an der norddeutschen Regionalität liegen mag. Die Figuren sind umfangreich charakterisiert. Nicht nur Emilia als Protagonistin und tragende Figur, auch alle ihre Verwandten und Freunde werden umfassend dargestellt, so dass sich der Leser eine entsprechende Meinung zu ihnen bilden kann. Schnell ist die Unterscheidung zwischen „gut“ und „böse“ möglich, um letztendlich doch noch überrascht zu werden. Einzelne Figuren werden sehr sympathisch gezeichnet, wozu die Autorin auch die Macht der Dialoge nutzt. Da mit den Bediensteten nicht nur die Oberschicht dargestellt wird, werden auch Dialekte wie das Hamburger Platt eingesetzt.
Fesselnd ist die Schiffsreise um das Kap Horn beschrieben. Mit sehr viel Akribie hat Renk auf den Einsatz der seemännischen Sprache wertgelegt. Diesen Passagen sind weitgehend stimmig und erinnern an dem im Buch oft genannten Roman „Moby Dick“ oder andere Seefahrergeschichten.

Seite für Seite gibt es für den Leser immer wieder Neues zu entdecken. So erschließt sich ihm schließlich ein Gesamtbild der damaligen Zeit, wie sie tatsächlich hätte sein können. Zwar wird heute nicht mehr in einem solchen Umfang von Hamburger „Pfeffersäcken“ gesprochen, aber so, wie im Roman geschildert, kann der Leser sie sich gut vorstellen.

Hass und Freude liegen für den Leser nah beieinander. Rührend so manche Episode. Für Liebhaber einer Familiensaga, die er nicht verpassen sollte. Allein deshalb ist der Roman schon empfehlenswert.

Renk, Ulrike
Die Australierin
Aufbau Verlag, Berlin
ISBN 9783746630021

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Carolina De Robertis: Perla

Carolina De Robertis: Perla

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Argentiniens Militärdiktatur und die Folgen.

Zu Beginn des Jahres 2001 lebt in Buenos Aires in Argentinien ein junges Mädchen namens Perla. Sie ist eine verwöhnte Tochter aus gutem Hause. Eine dunkle Wolke scheint jedoch das friedfertige Leben mit ihren Eltern zu überschatten. Der Vater ist Marineoffizier. Er ist liebevoll aber unnahbar. Die Mutter ist von betörender Schönheit und leicht exzentrisch.

Inzwischen ist Perla Studentin, und ihre Eltern sind vereist. Eines nachts erscheint in ihrem Wohnzimmer eine unheimliche Figur. Nackt, schwach, durchnässt und nach Brackwasser stinkend liegt ein Mann auf dem Wohnzimmerteppich.
Man weiß nicht: ist hier Fantasie oder Wirklichkeit am Werk?

Rückblickend erleben wir Perla noch einmal in der Schule zusammen mit ihrer liebsten Freundin Romina, die sich eines Tages unerklärlicherweise von ihr abgewandt hat.

Viel ist in ihren Gesprächen mit Freunden und Freundinnen von den „Verschwundenen“ die Rede. Die Zeit der Militärdiktatur von 1976 -1983 hat Spätfolgen hinterlassen, die noch nicht vergessen sind. Tausende von Männern, Brüdern, Frauen und Söhnen wurden damals als Regimegegner abgeholt und tauchten nie wieder auf. Man erfuhr auch nie, wohin sie gekommen waren. Die Mehrzahl wurde auf grausame Art und Weise ermordet.

In diesem Buch verschwimmen die Zeiten vom Vorgestern zum Heute. Perla erkennt erst langsam, in welcher Weise die Militärdiktatur Menschen, ob schuldig oder unschuldig, verfolgt, entführt und aus deren Leben gerissen hat. Frauen gehen nach dem Ende der Diktatur jahrelang mit weißen Kopftüchern demonstrieren, um auf die unhaltbare Vergangenheit aufmerksam zu machen und nach ihren verschwundenen Brüdern, Männern, Schwestern, Müttern und Vätern zu suchen.

In langen Passagen erfährt Perla, welche Bedeutung der nasse Mensch in ihrem Wohnzimmer für ihr Leben bedeutet.

In ihrem Roman verarbeitet Carolina De Robertis die tragischen Umstände, die in Argentinien s. Zt. die ganze Gesellschaft in ein Chaos gestürzt hatte. Waisenkinder aus der Hinterlassenschaft der „Verschwundenen“ wurden häufig von korrupten Militärs und anderen als eigene Kinder angenommen.

Die Geschichte ist dramatisch. In ihr verlieren sich Liebende und andere finden sich wieder.

Die Last und die Bürde ist für manche zu schwer. Auch Perla muss erkennen, dass sie ein falsches Leben geführt hat.

In poetischen und zuweilen visionären und apokalyptischen Bildern beschwört De Robertis die Vergangenheit herauf. Mit ihrem Erzählstil vergegenwärtigt sie das Phänomen einer Grausamkeit, die dramatischer nicht sein könnte.

Perla
Carolina De Robertis
336 Seiten, broschiert
FISCHER Taschenbuch, Juni 2014
ISBN-10: 3596194466
ISBN-13: 978-3596194469
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Sophia Farago: Das Geheimnis von Digmore Park

Sophia Farago: Das Geheimnis von Digmore Park

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Elizabeth Porter ist jung, jedoch für das England des 19. Jahrhunderts möglicherweise schon zu alt, um noch einen Freier zu finden, der mit ihr die Ehe eingehen möchte. Ihre Mutter, ganz und gar Dame „von Welt“, kümmert sich seit dem Tod des Ehemannes kaum um das Anwesen. Das macht Elizabeth. Unterstützung hatte sie von dem langjährigen Verwalter. Doch der kommt langsam in ein Alter, welches ihn nicht mehr so agil handeln lässt. Deshalb bleibt alles an Elizabeths Schultern hängen. Sie befürchtet, sich zu wenig um die jungen Männer der Gegend gekümmert zu haben, um noch einen abzubekommen.

Major Frederick Michael Dewary kämpft als Seeoffizier für die Krone. Doch dann erreicht ihn eine schreckliche Nachricht. Er wird in der Heimat des Mordes bezichtigt und höchstrichterlich gesucht. Es muss sich hierbei um ein Missverständnis handeln. Doch so einfach kann es dieses Missverständnis nicht aufklären, denn er wird gesucht. Deshalb reist er unter dem Namen Freddy Michaels in die Nähe seines Anwesens Digmore Park. Ihm zur Seite immer sein getreuer Adjutant. Ein zuverlässiger Freund verschafft ihm den Posten des Gutsverwalters auf Portland. Doch dort gerät er mit der jungen Elizabeth zunächst aneinander.

Sophia Farago hat hervorragend das Ambiente des südlichen Englands der 19. Jahrhunderts wiedergegeben. Als eine Hommage an die Romane von Jane Austen herausgebracht, greift sie die Landschaften, Gepflogenheiten und Personen dieser Zeit auf. Die Not der jungen Mädchen, und noch mehr die ihrer Eltern, finanziell abgesichert unter die Haube zu kommen, unbedingt einmal in London eingeführt zu werden, scheinen zwar etwas historisch angehaucht, haben aber auch in der heutigen Zeit kaum von Attraktivität eingebüßt. Die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen Elizabeth und Frederick wurde mit dem Kampf und dem Geheimnis um Digmore Park zu einem spannenden und sehr unterhaltendem Roman versponnen. Intrigen und Betrügereien scheinen in manchen englischen Kreisen auf der Tagesordnung zu stehen, so mancher Jüngling lässt sich blenden und fällt darauf herein.
Für Liebhaber von Jane Austen und den Brontë-Schwestern wird dieser Roman eine faszinierende Ergänzung sein.

Farago, Sophia
Das Geheimnis von Digmore Park
Dryas Verlag
ISBN 9783940855442

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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J. Paul Henderson: Letzter Bus nach Coffeeville

J. Paul Henderson: Letzter Bus nach Coffeeville

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Debütroman eines bemerkenswerten Schriftstellers.

Es handelt sich im Romandebüt von J.Paul Henderson um eine lange Geschichte, die mehrere Zeitebenen und Ortswechsel umfasst.

Hauptakteur und Icherzähler ist Eugene Chaney, der inzwischen 72 Jahre alt ist.

Die Szenen wechseln von den Nordstaaten in die Südstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika zur Zeit der Aufhebung der Rassendiskriminierung. Diese war von zahlreichen Aufständen und Kämpfen um die Rechte der farbigen Bevölkerung zu Ende der fünfziger und Beginn der sechziger Jahre in den Südstaaten gekennzeichnet.

In unterschiedlichen Kapiteln werden Auszüge aus Chaneys Leben, dem seiner Geschwister, Freunde und Freundinnen erzählt.

Nach einer behüteten Kindheit ging Chaney seinen eigenen Weg, der ihm frühe Verluste und tief traurige Erlebnisse brachte.

Als Student schloss sich Gene, wie Henderson hier auch genannt wird, der Bürgerbewegung gegen Rassismus an und hatte einen guten Freund, Bob, der aus dem farbigen Milieu stammt.

Beginnend mit seiner großen Liebe Nancy, die sich aus für ihn nicht ersichtlichen Gründen spontan und ohne weitere Erklärung aus seinem Leben entfernt hat, setzen sich seine Erinnerungen fort mit Spotlights aus seinen Studienjahren, Familiengeschichten, einer kurzen Ehe und so vielen Jahren, in denen er alleine sein Leben als Allgemeinmediziner hinter sich gebracht hat.

Die Geschichte spinnt sich fort und fort voller spannender Einzelheiten, die einen nicht mehr loslassen.

Kurze Momente befassen sich mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Vietnamkrieg, der so viele Opfer forderte.

Kristallisationspunkt der Geschichte aber ist die Alzheimerkrankheit, die einen Großteil der Erzählung ausmacht. Eine heimliche Spannung wird im ersten Teil durch den frühen Wunsch Nancys mit einer Bitte an Gene erzeugt, ihr im Falle einer Erkrankung an Alzheimer, die in ihrer Familie gehäuft auftrat, beizustehen.

Der erste Teil des Buches hört nicht auf, einen in Bann zu schlagen. Leider ufert die Erzählung in der zweiten Hälfte ein wenig zu weit aus. Es erscheinen immer neue Figuren, deren Lebens- und Werdegang breit und ausführlich beschrieben werden. Das ermüdet. Es ist, als wäre die Geschichte eigentlich schon zu Ende, als weitere Personen auftauchen und die Geschichte umranken. Diese Ausschweifung tut der Erzählung nicht gut. Slapstickartig ist von Verfolgung, CIA und anderen Unbilden die Rede.

Der Erzählton ist traurig und witzig und gelegentlich auf komische Weise lakonisch.

Man kann sich dem Sog der Erzählung zu Beginn nicht entziehen und möchte unentwegt weiter lesen. Sie steuert auf ein ungewöhnliches Ende zu.

Paul Henderson lebt in Bradford, Yorkshire, wo er sich mit diesem Roman als Schriftsteller etabliert hat.

Sein Buch ist durchaus empfehlenswert!

J.Paul Henderson
Letzter Bus nach Coffeeville
528 Seiten, gebunden
Diogenes, März 2016
ISBN-10: 3257069596
ISBN-13: 978-3257069594
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Nina George: Das Traumbuch

Nina George: Das Traumbuch

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Mit dem Roman „Das Lavendelzimmer“ hat Nina George internationale Beststellergeschichte geschrieben. „Das Traumbuch“ soll nun nachziehen.

Dabei geht es zunächst um die drei Personen Henri, Eddie und Sam. Henri rettet einem jungen Mädchen das Leben, wird unmittelbar danach aber von einem Auto erfasst und liegt jetzt im Koma. Eigentlich war er gerade auf dem Weg zu Sam, seinem Sohn. Beide waren sich noch nie begegnet. Sams Mutter hatte etwas dagegen, dass er Kontakt zu seinem Vater hat. Doch nun setzte sich Sam darüber hinweg und hatte seinen Vater zu einem Treffen eingeladen. Doch dann passiert dem dieser Unfall. Schließlich ist da noch Eddie, eigentlich Edwina. Sie ist die Ex-Freundin von Henri. Vor zwei Jahren hatte Henri ihr gesagt, dass er sie nicht liebe. Doch sie wurde nun von der Klinik informiert, weil sie noch in Henris Patientenverfügung als wichtige Kontaktperson eingetragen ist. Gerade in dem Moment, als sie mit ihrer Liebe zu Henri abgeschlossen und einen neuen Lebensgefährten hat.

In dieser Konstellation entwickelte Nina George eine gefühlvolle, nicht immer schmerzfreie, Beziehungsgeschichte. In von ihr gewohnter Weise findet sie bildreichte und treffende Worte, Metaphern und Vergleiche, um die Gefühle aller Protagonisten den Leser mitspüren zu lassen. Die Kapitel sind immer aus der Sicht eines der Protagonisten jeweils in der ersten Person erzählt. Das animiert den Leser, das Geschehen und vor allem die Gefühle der jeweiligen Person mitzuerleben und zu fühlen. Leser mit ähnlichen Erfahrungen werden in der einen oder anderen Situation Empathie empfinden können. In von den Figuren gemeinsam erlebten Situationen bekommt der Leser winzige Überschneidungen aus unterschiedlicher Perspektive dargeboten, um den jeweils neuen Standpunkt einnehmen zu können. Ich fühlte mich sehr wohl damit.

Womit ich mich zunächst, Betonung liegt auf „zunächst“, nicht so wohl fühlte, war das Thema Krankheit und Tod. Krankenhaus, Schläuche, Apparate und Kanülen, nichts für mich. Aber vielleicht war die authentische Gestaltung der Gefühle daran schuld. Doch die Geschichte der drei Personen wird dann so packend, dass man sich ihnen nicht verschließen kann und sie einfach mögen muss. Der Gegenspieler, der zwar in jeder Zeile des Romans mitschwingt, gibt so viel Raum, dass sich Sympathie für die Figuren, sowohl Haupt- als auch Nebenfiguren, zwangsläufig einstellt. Es braucht halt eine gewisse Zeit der Annäherung, des Kennenlernens, damit sich eine intensive Beziehung zwischen Leser und Protagonisten aufbauen kann. Bis es schließlich zu erster Gänsehaut kommt, wenn der junge Sam zwei Menschen ein Versprechen gibt. Spätestens ab hier lässt der Sog den Leser nicht mehr los.

Auf diese Weise, gefesselt in einer Klinik, erzählt Nina George die Lebensgeschichte dreier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnte. Ob es sich dabei um die Storys des Kriegsberichterstatters Henri handelt, der auch in Afghanistan unterwegs war, die Überlegungen der Verlegerin Eddie, um guten Geschichten eine Chance zu geben, oder das Erwachsenwerden des pubertierenden Teenagers Sam.

Ein großartiger Roman um Liebe, Sehnsucht, Verlassensein und Erwachsenwerden.

George, Nina
Das Traumbuch
Droemer Knaur Verlag, München
ISBN 9783426653852

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit

Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit

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Um es gleich vorweg zu sagen: ich hatte von diesem Autor noch nichts gehört und gelesen. Umso freudiger war meine Überraschung, ihn mit diesem Roman kennenzulernen.

Es handelt sich um die Geschichte dreier Geschwister, die ihre Eltern bei einem Autounfall verloren haben und nun elternlos aufwachsen.

Die Erzählung beginnt schnell, schnörkellos und temporeich und ohne jegliche Sentimentalität. Der Kummer des jüngsten Sohnes Jules über den plötzlichen Verlust der Eltern ist dennoch hautnah nachzuempfinden. Die drei Geschwister wachsen in einem staatlichen Internat nach Jahrgängen getrennt auf. In der Vorgeschichte ist die Familie harmonisch und nett miteinander. Über allem steht eine Mutter, die ein gutes und freundliches Klima geschaffen hat. Die kurzen Urlaube in Frankreich bei der Mutter des Vaters, der Franzose ist, sind malerisch und naturverbunden, die Großmutter aber unbeliebt bei allen Familienmitgliedern. Zurück in München sind sie eine glückliche Familie.

Jules, der Jüngste der drei, ist der Icherzähler, der in langen Passagen das Geschehen bestimmt. Aus seinen Augen betrachtet passieren allerdings ab und zu seltsame Dinge, die er wahrnimmt, ohne sie zu verstehen.

In der Folge des Autounfalls nehmen die Geschwister sehr unterschiedliche Entwicklungen, verlieren sich über lange Zeit ganz aus den Augen, um im fortgeschrittenen Alter nach zahlreichen gelungenen und misslungenen Lebenserfahrungen wieder zusammenzufinden.

Zahlreiche Fragen nach dem Glück werden aufgeworfen. Die Antwort kann nicht anders sein, als sie hier gefunden wird: der Bruder Marty ist erfolgreich, zuverlässig und in seinem Glücksanspruch bescheiden. Zufriedenheit wiegt mehr als das überschäumende Glück. Die Schwester ist exzentrisch und findet nur langsam auf eine ruhige Spur. Jules aber ist der Melancholische, Zögerliche und Ängstliche, der erst nach vielen Umwegen zu sich und seiner großen Liebe findet.

Voller Poesie und malerischen Beschreibungen gerät man ganz in den Sog einer Familiengeschichte, die vielleicht exemplarisch für ähnliche Familienschicksale herhalten könnte.

Benedict Wells weiß seine Geschichte mit unerhörter Spannung zu steigern, so dass keine Minute Leerlauf oder Langeweile aufkommen kann. Reflektiert wird Gegenwart und Vergangenheit herangezogen, um von den Lebenswegen der Geschwister zu berichten. Diese sind voller Liebe, Schmerz und Abschiedskummer, nachdenklich, häufig tragisch und dann wieder von Glücksmomenten durchzogen. Die Phasen von Jugend, Pubertät und Erwachsenwerden unterliegen eigenen Gesetzen, die fürsorglicher Begleitung bedürfen. Hier ist sie nicht gegeben.

Poetisch, weise und klug vermittelt uns der Autor einen Eindruck davon, was Einsamkeit, Trauer und Glück für uns Menschen bedeuten. Die Palette der Erfahrungen ist breit gefächert. Sie bietet eine Ahnung davon, wie das Leben so spielt, welche Anteile wir oder unsere Ahnen an der Entwicklung haben, was vom Schicksal oder dem Zufall mit bestimmt sein könnte, und was unser Werden und Gedeihen prägt.

Alles in Allem ist das ein mitreißender Roman, den man sich nicht entgehen lassen sollte!

Benedict Wells

Vom Ende der Einsamkeit
368 Seiten, gebunden
Diogenes, Februar 2016
ISBN-10: 3257069588
ISBN-13: 978-3257069587
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Irmgard Keun: Kind aller Länder

Irmgard Keun: Kind aller Länder

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Eine abenteuerliche Reise…

Dieser wieder aufgelegte Roman von Irmgard Keun aus dem Jahr 1938 ist eine Neuentdeckung für alle jene, die das Nazireich nicht miterlebt haben.

Spontan beginnt die Geschichte der kleinen zehnjährigen Kully, als sie sich zu ihrem Leben in Hotels äußert. Dorthin nämlich verschlägt es sie in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer wieder: nach Brüssel, dann nach Ostende, Nizza, bis Amerika, nach Holland und wo nicht noch überall hin.

Sie lebt mit ihrer Mutter ständig in Geldnot, während ihr Vater, ein Schriftsteller, von Land zu Land reist, um bei diversen Verlegern Geld aufzutreiben. Er trinkt, er prasst und er vertröstet alle: seine Frau, seine Tochter und die zahlreichen Schuldner, die ihm immer auf den Fersen bleiben. Geflohen ist die Familie aus Deutschland, als Hitler sein Zerstörungswerk an den Juden und progressiven Denkern begann und zu immer neuen Auswüchsen trieb. Das Leben auf der Flucht von Ort zu Ort, heimatlos und verloren, fasst Irmgard Keun in die naiven Sätze und Worte der kleinen Kully. Diese spricht kindlich, denkt nach und lässt uns an ihren unvergorenen Vorstellungen über die Welt und die Welt der Erwachsenen in einfachen Worten teilhaben.

Wie sollte ein Kind damit fertig werden, das sich ständig von Verfolgern umringt sah, und das in einfachen Worten die Scham beschreibt, die es ergriffen hat, wenn Kellner und Hoteliers sie loswerden wollten? Die Geldnot zwang zu Hunger und ständiger Lügerei mit der stillen Hoffnung auf Versprechungen des Vaters, dass er sie schon bald mit einer großen Summe freikaufen würde.

Gerade die naive Sprechweise und der unschuldige Blick des Kindes öffnen den Blick auf die Grausamkeit von Vertreibung und Not, von Kälte und Armut ohne Perspektive für das Weiterkommen. Da muss die Kleine in einem Kaffee ausharren, weil der Vater sie erst des Abends wieder abholt. Sie weiß nicht, ob er denn wirklich kommen wird. Sein Verhalten ist so unzuverlässig und vage, dass das Kind sich oft verlassen und vergessen vorkommen muss. Die Mutter weint viel und bedarf häufig selber des Trostes. Auch reisen sie sehr plötzlich immer wieder von irgendwo ab, ohne dass das Ziel oder Warum ersichtlich wird. Der Vater organisiert die Reisen, aber man weiß zuweilen nicht, wo er selber denn nun steckt.

Die kurzen Sätze mit dem naiven Unterton kindlichen Denkens und den Folgerungen, die das Kind aus seinen Beobachtungen zieht, sind sehr anrührend.

Nichts klingt larmoyant oder altklug.

Das Sprichwort „Kindermund tut Wahrheit kund“ scheint sich hier zu bestätigen. Wie soll man das Verhalten Erwachsener verstehen, wenn man noch klein ist, und die Welt voller Geheimnisse steckt? Das Leben für Kully war ein Herumzigeunern mit unbekanntem Ziel und Sinn. Die Autorin hat sich die Sichtweise eines herumgestoßenen Kindes zueigen gemacht. Da darf man vieles sagen, was die Erwachsenen nicht äußern, auch weil sie dem ständigen Überleben selber ausgesetzt sind und dem Kind nichts erklären wollen. Das Kind bleibt mit seinen Träumen und Ängsten sich selbst überlassen.

Irmgard Keun gehörte selber zu den Flüchtlingen aus Hitler Deutschland, in dem für Juden und Andersdenkende keines Bleibens mehr war. In Ostende hatte Irmgard Keun eine Affäre mit Joseph Roth. In diesem Buch mag man sich an das Paar erinnern, das, immer auf der Suche nach Unterkunft und Nahrung, heimatlos geworden waren.

Irmgard Keun
Kind aller Länder
224 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2016
ISBN-10: 346204897X
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