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Schlagwort: Olivier Adam

Klippen

Klippen

Melancholische Reflexionen über eine verlorene Kindheit!

Schwer trägt der Protagonist in diesem kleinen Roman am Leben!

Olivier ist mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter am Ferienort seiner Kindheit, einem Badeort an der normannischen Küste. Rührend schweifen seine Blicke zu der schlafenden Frau und zu dem ebenfalls schlummernden Töchterchen. Er findet keine Ruhe und schaut gedankenverloren auf die Klippen hoch über dem Meer.
Schleichend kommen Erinnerungen, die ihm die Kindheit ins Gedächtnis zurück rufen. Wie aber war diese Kindheit?

In poetisch wortreichen Beschreibungen erleben wir ein Leben, das durch den frühen Freitod der Mutter aus den Fugen geriet. Olivier ist erst 11 Jahre alt, als die depressive und gestörte Mutter ihrem Leben ein Ende setzt. Schon vor ihrem Tod gab es keine Fröhlichkeit oder unbeschwerte Kindertage.
Für Olivier ist die Mutter ein schwebender Schatten, zart, leidend und unnahbar. Ihre Beerdigung setzt erdenschwere Akzente, trübe, traurig und unverständlich für das Kind.
Antoine, der ältere Bruder, fällt für lange Wochen in ein Koma, und Olivier ist ganz der düsteren Trauer in einem leeren Haus überlassen.
Wen wundert es, dass Alkohol und Drogen sein späteres Leben bestimmten?

Adams beschreibt eine leere, traurige und schwer erträgliche Jugend unter dem Zeichen der Verlassenheit und überschattet durch den Jähzorn und die Wut eines mit einfachem Gemüt ausgestatteten Vaters. Dieser ist viel zu sehr mit seinem eigenen Unglück beschäftigt ist, als dass er nur das geringste Verständnis für seine verlassenen Söhne aufbringen kann.
Antoine und Olivier bilden die ersten Jahre nach dem Tod der Mutter eine unzertrennliche Einheit. Um sie herum versammeln sich andere Jugendliche, mit denen sie ein Eigenleben aufbauen, in dem sie trinken, Drogen konsumieren und sich gegenseitig mit Sex und Zärtlichkeiten trösten.
Sie sind Outlaws der Gesellschaft, die sozial im Abseits leben.
Nachdem sich ein Freund erschossen hat und die Freundin Loretta mit Magersucht in einer Klinik landet, ist auch diese Zeit der Zuflucht beendet.
Adams beschreibt die Freundin Loretta grandios mit einem Feuerwerk an Worten und tänzelnden Sätzen, die einen Eindruck von der Trostlosigkeit der einsamen und verlorenen Jugendlichen widerspiegelt.
In seinen Gedanken erlebt der Held eine Spurensuche, in der als ferne Gestalt die Mutter immer wieder auftaucht.
Die Lebensgeschichte des jungen Mannes, z.Zt. der Handlung ist Olivier erst 31 Jahre alt, wird zu einer Biographie, an deren Ende eine Art Metamorphose steht. Aus dem in die Tiefen des Lebens abgesunkenen Helden wird ein Schriftsteller, der erste Romane mit Erfolg auf den Büchermarkt bringt.
Die handlungsarme Geschichte ist atmosphärisch nahe an der Wahrheit und so differenziert beschrieben, dass man sich ganz gefangen genommen fühlt. Eine poetischen Gesang gleich wechseln die Stimmungen, tauchen die Verstorbenen aus der Vergangenheit auf und offenbaren ein Leben, das fernab von Glück und Heiterkeit stattfand. Die beschriebene Tristesse steht im krassen Gegensatz zu der leichten, poetisch farbigen und ungeheuer bildhaften Sprache, mit der darüber geschrieben wird.
Wohl selten hat ein Autor über randständige Mitmenschen so verstörend und einfühlsam berichtet.
Olivier Adam ist ein vielfach ausgezeichneter Autor, der mit Frau und Tochter an der bretonischen Küste lebt.

Claudine Borries

Olivier Adam
Klippen
Eine Spurensuche
ISBN:3865550517
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