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Schlagwort: böse Familie

Hervé le Tellier: All die glücklichen Familien

Hervé le Tellier: All die glücklichen Familien

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Es ist ein wenig Mode geworden in Frankreich, die eigene Familiengeschichte zum Thema von Romanen zu machen. Ob Annie Ernaux oder Edouard Louis: man begibt sich in die Familiengeschichten und findet heraus, wie und auf welche Weise sie Anteil des eigenen Lebens waren, und welchen Einfluss sie auf die eigene Lebensgestaltung genommen haben.
So macht es auch Hervé le Tellier mit seinem neuen Roman „ All die glücklichen Familien“.
Er zeichnet sich allerdings dadurch aus, dass er mit großer Distanz auf die einzelnen Familienmitglieder herabblickt. Dass er mit Spott sich selbst zum „Monster“ mangels Sohnesliebe erklärt, ist nur eine Seite der Geschichte.

Ob Mutter, Vater, Stiefvater oder Großvater: er betrachtet mit Ironie und Witz, wie sie sich zueinander verhalten. Der Großvater, ein Patriarch, in dessen Obhut der kleine Tellier die ersten Jahre seines Lebens verbringt, kommt da noch glimpflich davon. Schlimmer ist der leibliche Vater, der sich schon kurz nach Geburt seines Sohnes aus dem Staub gemacht hat. Die Mutter lässt den Sohn bei ihren Eltern, um ihrerseits ihr ungebundenes und unabhängiges Leben dem eigenen Familienleben vorzuziehen. Dass sie zuletzt bei einem penetranten, adeligen Langweiler endet, ist nur eine Pointe dieses skurrilen Familienromans. Durch Adoption trägt Hervé zuletzt auch noch dessen Nachnahmen.

Recht traurig wird es bei Telliers Verhältnis zur Mutter. Was für ein Kampf gegen diese lieblose, zornige Frau! Seine Versuche, ihr näher zu kommen, prallen alle an ihr ab.

Er erzählt nicht larmoyant sondern nimmt wahr, wie alle diese Onkel, Tanten und Erwachsenen an ihrer Unfähigkeit zur Lebensgemeinschaft kaputtgehen. Echte Liebe findet sich kaum. An Hinweisen und Bezügen zu literarischen und biblischen Vergleichen oder einschlägigen Texten fehlt es in dieser Geschichte nicht.

Hervé le Tellier hat alles im Blick. Ihm entgehen keine Sonderbarkeiten und Charakteristiken dieser verrückten Familie. Vielleicht steckt in seinen Beobachtungen auch eine gehörige Portion Sarkasmus im Sinne von „so sind Familien“. Auf jeden Fall findet sich ein Konvolut verschiedener Eigenschaften, die man in Familien finden kann.

Diesen Autor haben Lieblosigkeit und schwere Schicksalsschläge geprägt. Seine Bewältigung ist die Leichtigkeit, mit der er sich der Geschichten annimmt. Gelegentlich spürt man durchaus auch Tragik, wenn er beschreibt, wie sehr ihm Liebe und Anerkennung von Seiten der Väter und der Mutter gefehlt haben.

Der Tenor von Telliers Ausführungen liegt in der Frage: muss man seine Familie lieben?
Und er kommt zu dem Schluss: man muss es nicht!

Eine anspruchsvolle und geistreiche Lektüre erwartet den LeserIn!

Hervé le Tellier
All die glücklichen Familien
154 Seiten
dtv Verlagsgesellschaft. Oktober 2018
ISBN-10: 3423289716
ISBN-13: 978-3423289719
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