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Schlagwort: China

Antonio Carrido: Der Totenleser

Antonio Carrido: Der Totenleser

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Bei der Arbeit auf dem Feld findet Song Ci die Leiche des alten Shang. Der Mörder hat den Kopf vom Leib getrennt. Richter Feng, der angereist ist, um Cis Vater, einen ehemaligen Mitarbeiter, der in der Trauerzeit befindet, einen Besuch abzustatten, sieht sich den Toten im Lagerhaus von Bao-Pao an, obwohl es nicht sein Amtsbereich ist. Ci assistiert ihm. Bald steht fest, dass es sich um einen Raubmord gehandelt haben muss. Die Spuren führen zu Cis Bruder Lu, der den Mord unter grausamer Folter schließlich gesteht. Ci ist entsetzt. Er versucht, sich für seinen Bruder einzusetzen. Eine hohe Summe könnte es möglich machen, die Todesstrafe in Verbannung umzuwandeln.

Doch der Handel mit dem Hüter der Weisheit, der offenbar ein geldgieriger Betrüger ist, bringt Ci in große Schwierigkeiten. Als dann auch noch sein Elternhaus nach einem Blitzschlag abbrennt, erwägt er die Flucht. Seine kleine Schwester, die einzige Überlebende des schrecklichen Unglücks, nimmt er mit sich. Sein Wunsch ist es, weiter in Lin’an zu studieren, so wie Richter Feng es angeboten und sein Vater ausgeschlagen hat. Ci hat Talent, doch er ist nun ein gesuchter Betrüger und Dieb. Er ist mittellos und muss dennoch für seine kranke Schwester sorgen. Und Richter Feng ist auf Reisen und für lange Zeit unerreichbar für Ci.

Die Geschichte spielt in China um das Jahr 1200. Es ist die Zeit der Song-Dynastie unter Kaiser Nin Zong. Im Buch geht es um den Lebensweg Songs Cis, der als erster Forensiker der Geschichte gesehen werden kann. Der Autor hat ausführlich recherchiert und so ist ein Buch entstanden, das faszinierender nicht sein könnte. Cis Lebensweg ist geprägt von Schicksalsschlägen. Seine Fähigkeiten rufen Neider auf den Plan. Und so ist er bald verstrickt in eine Intrige am Hofe des Kaisers, in der es um Macht und Ansehen geht und die Verschleierung von Betrug. Ci hat diesem Netz aus Lügen nichts entgegen zu setzen. Er vermag zunächst nicht hinter die Fassade zu sehen. Genauso wenig wie der Leser. Und so wendet sich das Blatt ein ums andere Mal. Das erzeugt eine ungeheure Spannung.

Der Autor versteht es, eine Geschichte lebendig werden zu lassen. Man kann sich perfekt in das Geschehen hineinversetzen. Es ist Art des Autors zu erzählen, die begeistert. Als Leser ist man mittendrin, wird mitgerissen und immer wieder zum Staunen gebracht.

Rezension von Heike Rau

Antonio Carrido
Der Totenleser
Aus dem Spanischen von Julika Brandestini und Enno Petermann
640 Seiten, gebunden
Rütten & Loening
ISBN-10: 3352008418
ISBN-13: 978-3352008412
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Maxence Fermine: Am Ende der Teestraße

Maxence Fermine: Am Ende der Teestraße

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Charles Stowe hat die Faszination für Tee von seinem Vater, einem Londoner Teehändler, der seinem Sohn all sein Wissen vermittelt hat. Doch das Geheimnis der Herstellung der Teesorten kann er ihm nicht mitgeben. Chinas Teeplantagen hat der Vater nie gesehen. Und so nimmt sich der Sohn vor, die Reise zu machen, um das Geheimnis der Herstellung der Teesorten, insbesondere des weißen Tees, der nicht außerhalb Chinas zu bekommen ist, zu erkunden.

Im Jahre 1838 im Alter von einunddreißig Jahren verlässt Charles Stowe London und macht sich auf den Weg in eine fremde Welt und bereist die bekannte Handelsroute.
Der Weg ins Landesinnere Chinas wird ihm jedoch verwehrt, auch weil ein Krieg bevorsteht. Der Handel mit weißem Tee, der dem Kaiser vorbehalten ist, ist verboten.

Mr. Pearle, Vorsitzender des Teekomitees, könnte Charles Stowe den Weg ebnen und seinen Traum möglich machen. Also schließt er mit ihm einen Blutspakt, der es erlaubt, ihn in die letzten Geheimnisse einzuweihen. So kann er die Teeplantagen doch noch sehen und den Teepflückerinnen bei ihrer Arbeit zuschauen.

Doch Lu Chen kennenzulernen, den wahren Meister des Tees, ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, scheint ein unerfüllbarer Wunsch zu sein. In dessen Gattin Loan verliebt Charles Stowe sich Hals über Kopf. Sieben Tage und sieben Nächte darf er mit ihr verbringen. Wenn er dann nicht geht, wird er sterben.

Es ist ein Buch, das von der Faszination für Tee erzählt, einem geheimnisvollen und anregenden Getränk. Nur wer Tee liebt, wird diese Begeisterung nachvollziehen können, die der Autor mit sehr passend gesetzten Worten unterstützt.

Charles Stowe ist ein leidenschaftlicher und risikofreudiger Mensch. Grenzen kann er nicht akzeptieren. Auch nicht, was die Frau betrifft, die er kennenlernt. Im Opiumrausch lebt er diese zeitlich begrenzte Liebe aus.
So kommt er noch ganz anderen Geheimnissen auf die Spur, den Tee- und den Opiumhandel betreffend, für die er einen hohen Preis zahlt.

Es ist nur eine kurze, sparsam erzählte Geschichte, aber es steckt so viel darin. Gerade diese Knappheit ist es, die Eindringlichkeit bringt. Belangloses hat keinen Platz. Lebenszeit ist begrenzt. Man wird nachdenklich gestimmt, kann vieles in die Erzählung hineininterpretieren.

Das Buch ist schön gestaltet. Es hat einen aufwändig gearbeiteten Leineneinband. Damit ist es auch gut als Geschenk geeignet.

Rezension von Heike Rau

Maxence Fermine
Am Ende der Teestraße
Aus dem Französischen von Georges Hausemer
120 Seiten, gebunden
Unionsverlag
ISBN-10: 329300444X
ISBN-13: 978-3293004443
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Alai: Ferne Quellen

Alai: Ferne Quellen

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Der kleine Junge geht gern zu Gongba dem Pferdehirten. Genau wie er möchte er gerne allein in den Bergen leben. Doch Gongba ist dazu gezwungen. Sein Gesicht ist entstellt. Gongba träumt davon, zu den heißen Quellen zu reisen. Sie versprechen Heilung. Der Junge hört die Geschichten über die Quellen, die im Grasland jenseits der Berge liegen und sein Fernweh bekommt ein Ziel. Dort bei den heißen Quellen könnte er seine Schüchternheit ablegen. Die Zeiten haben sich jedoch geändert. Wer weiß, ob der Junge es unter diesen Umständen jemals zu den Quellen schafft.
Der Junge besucht die Grundschule und träumt davon, das rote Halstuch der Pioniere tragen zu dürfen. Darum zu bitten, wagt er jedoch nicht. Ein Versuch vor den Augen des Leiters der Arbeitsgruppe scheitert kläglich.
Als der Pferdehirte stirbt, werden die Pferde abtransportiert. Sie sollen fortan den sozialistischen Aufbau unterstützen und Äcker pflügen. Der Junge versteht, auch er muss fort, genau wie die Pferde.
Zehn Jahre später arbeitet er als Fotograf und füllt die Propagandaschaukästen mit Bildmaterial über den Wandel der Zeit und den damit verbundenen gesellschaftlichen Fortschritt. Es ist eine Arbeit mit künstlerischem Anspruch.
Von den Quellen träumt er immer noch. Sie sind nun nicht mehr unerreichbar. Doch ob Traum und Wirklichkeit zusammenpassen, muss sich erst noch zeigen.

Die fernen Quellen stehen als Sinnbild für den Traum von einem freien Leben. Denn dieses wurde den Menschen genommen. Traditionen können nicht mehr gelebt werden. Das Dorf ist nun eine Volkskommune.
Erzählt wird ein Stück einer Lebensgeschichte, das sehr traurig anklingt. Der Junge scheint seine Einsamkeit nicht loswerden zu können, auch als Erwachsener nicht. Das zeigt, dass man die Vergangenheit nicht einfach abstreifen kann. Von dem Kind, das man einst war, geht nichts verloren, auch wenn man sich weiterentwickelt. Allerdings ist diese Entwicklung nun mehr nur noch in streng gezogenen Grenzen möglich. Einen dementsprechenden schwermütigen Eindruck macht die Atmosphäre, die im Buch herrscht.
Das Buch gibt viel Stoff zum Nachdenken her. Viele Fragen bleiben offen. Man hat das Gefühl, ein sehr persönlich wirkendes Buch in den Händen zu halten. Einmal, im Verlauf der Geschichte, wird die Hauptperson dann auch mit Alai angesprochen.
Dennoch wirken die Charaktere etwas oberflächlich dargestellt. Die Geschichte plätschert so dahin, ohne Höhen und Tiefen. Nichts ist so recht greifbar.
Der Autor sorgt dafür, dass man sich keine Illusionen macht. So manche Suche nach dem Glück dauert eben ewig.

Rezension von Heike Rau

Alai
Ferne Quellen
Aus dem Chinesischen von Marc Hermann
153 Seiten, gebunden
Unionsverlag
ISBN-10: 3293004059
ISBN-13: 978-3293004054