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Schlagwort: Enttäuschung

Verena Carl: Die Lichter unter uns

Verena Carl: Die Lichter unter uns

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Schicksalswende!

Anna und Jo haben zwei Kinder: Judith und Bruno. Alles scheint seine Ordnung in der Ehe zu haben. Doch dann will Jo unbedingt im Herbst nach Sizilien. Dorthin hatte er mit Anna einst die Hochzeitsreise gemacht.
Anna findet gar nicht mehr alles so romantisch und glücklich wie damals. Die heranwachsenden Kinder sind aufsässig und für Anna sieht alles so gar nicht mehr rosig aus. Sie müssen mit ihrem Geld haushalten und außerdem ist sie innerlich unzufrieden. Doch nun sind sie einmal da.
Dann taucht Alexander auf. Er ist smart und hat eine schöne Frau. Anna beäugt ihn und lässt ihrer Fantasie freien Lauf. Wie mag es ihm und seiner schönen Frau miteinander gehen? Anna sieht neidisch dem Glück der beiden zu. Wohin hat ihr eigener Lebensweg sie nur geführt?

In einer Doppelerzählung werden die beiden Ehen einander gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass keine alleine vom Glück gesegnet ist.
In jeder Ehe gibt es den verheißungsvollen Anfang, der nach und nach in verzwickte und schicksalhafte Bahnen gerät.

Verena Carl bemüht sich um eine differenzierte Analyse der Lebenswege aller ihrer Protagonisten, und es zeigt sich, dass jeder einen eigenen Charakter und eigene Wünsche hat, und ein jeder sehr unterschiedliche Lebensziele verfolgt. Die Träume der Einen sind unerfüllbar, die der Anderen voller Erwartung und Zukunftsvisionen.
Insgesamt bemüht sich Verena Carl um Tiefenschärfe und realitätsgerechte Beobachtung. Ihre psychologischen Ansätze sind flach, die der Realitätseinschätzung kommen der Wahrheit schon näher.
Die Vergeblichkeit aller Lebensschicksale sind ernüchternd. Ist die Wahrheit immer so oder gibt es eine dazwischen? In der Tat liegen Glück, Freude und Lebenserfüllung nicht immer beieinander. Doch gibt es eine Mischung von allem, und diese alleine machen das Leben lebenswert.
Es ist ein leicht verdaulicher und zu lesender Lesestoff, der Unterhaltung für einen gemütlichen Nachmittag bietet.

Verena Carl
Die Lichter unter uns
320 Seiten, gebunden
S. FISCHER, 25. April 2018
ISBN-10: 3103973632
ISBN-13: 978-3103973631
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Carola Saavedra: Blaue Blumen

Carola Saavedra: Blaue Blumen

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Liebe, Verlust, Leben, Leidenschaft…

Ein Mann und ein Frau geraten sehr zufällig in einen geheimen Kontakt zueinander.

Die Frau schreibt Liebesbriefe an ihren verflossenen Liebhaber, die sie an die Adresse richtet, in der mittlerweile ein anderer Mann wohnt.

Wortgewandt im Ausdruck und tiefschürfend in den Gefühlen kann man den Liebesbriefen entnehmen, dass die unbekannte Frau ihren Freund sehr geliebt hat. Sie lässt in ihren Schilderungen keine Einzelheiten dieser für sie mit Sehnsucht nach Glück besetzten Beziehung aus. Ihr Liebhaber hat sie verlassen, und nun geht sie in ihren Gedanken den gemeinsamen Erlebnissen und gelebten Erinnerungen nach. Indem sie ihn direkt anspricht, wähnt man die Frau in einer Art Selbstgespräch mit dem verflossenen Liebhaber. Die langen Monologe bieten Erinnerungen, gute, schlechte, traurige und melancholische.

Der fremde Mann, der in den Besitz dieser an einen anderen gerichteten Briefen gelangt, wird neugierig und gerät nach und nach ganz in den Bann der für ihn so fremden Frau. Doch er ist selber ein Verlassener, der ab und zu seine dreijährige Tochter bei sich hat. Er fühlt sich fremd in seiner Haut mit dem kleinen Kind und einer Frau, die ebenfalls die Trennung herbeigeführt hat.

Mit zahlreichen Beispielen und Wendungen in der Wortwahl darf man sich in eine Welt hinein versetzen, in der Gefühle aufgespürt und aufgerührt werden, die beide Protagonisten im tiefsten Inneren anrühren und verbinden.

Während die Briefschreiberin merkwürdig fleischlos wirkt, ist der Mann auch im Alltag zu sehen: er führt Gespräche mit neuen Liebhaberinnen, mit seiner Exfrau, seinem Kind und seiner Sekretärin. Er ist ein trauriger und ganz in sich zurück gezogener Zeitgenosse. Voller Melancholie verirrt er sich in seinen Phantasien zu der geheimnisvollen Briefschreiberin, von der er sich ein illusionäres Bild macht. Sie ist ja nicht greifbar, nicht real und nur immer in ihren sehnsuchtsvollen Briefen vorhanden.

Insgesamt ist der Roman von tiefer Melancholie, Resignation aber auch Leidenschaft und Einsamkeit getragen. Fiktion bestimmt das Leben der Protagonisten, die den Weg ins reale Leben nicht zu bewältigen scheinen.

Die Geschichte bietet ein nachdenkliches und poetisches Bild einer Welt zwischen Traum und Wirklichkeit.

Das Ende bietet noch einmal eine überraschende Wende, in der so recht deutlich wird, wir leicht wir von unseren Phantasien überwältig werden können, die uns ein Leben mit Leidenschaft und Glück verheißen wie es sie in dieser reinen Form wohl niemals gibt.

Maria Hummitzsch ist eine kongeniale Übersetzerin. Man lese das Buch in einer ruhigen Stunde, um sich ganz dem Eindruck des Lebens dieser beiden Hauptfiguren zu überlassen.

Carola Saavedra
Blaue Blumen
223 Seiten, gebunden
C.H.Beck, März 2015
ISBN-10: 3406675670
ISBN-13: 978-3406675676
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Uwe Timm: Vogelweide

Uwe Timm: Vogelweide

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Von Liebe, Begehren und ihrem Vergehen.

Auf einer einsamen Insel in der Elbmündung lebt für einige Monate der Vogelkundler Eschenbach. Was hat ihn hier her getrieben? Nur seltene Besucher kreuzen zuweilen auf, darunter Freunde und Freundinnen aus seinem vergangenen Berufs- und Gesellschaftsleben in Berlin. In assoziativen Motiven hält der Erzähler Rückschau auf sein Leben, das von zahlreichen Höhen und Tiefen gekennzeichnet war. Da findet man sich bei Galeristen, auf Partys und in Restaurants wieder, wo man zu seinen „besseren“ Zeit ein- und ausging. Er hatte zusammen mit seinem Freund Fred ein gut gehendes Unternehmen, das den Zeitläufen am Ende nicht standhalten konnte und Pleite ging. Es blieb auch nicht aus, dass sich in ihren Kreisen Amouren entwickelten, Ehen zerbrachen und zusammen mit diesen Hoffnungs- und Zukunftsträume zerfielen. Der ehemalige IT Fachmann Eschenbach, das schöne Ehepaar Ewald und Anna und Eschenbachs ehemalige Freundin Selma sind die Protagonisten, deren Geschicke hier abgehandelt werden. In langen und teilweise schwerblütigen Betrachtungen ergeht sich Eschenbach in seinen Erinnerungen. Er ist nun alt, und Leidenschaften und die Liebe sind Geschichte. Doch die Geister der Vergangenheit holen ihn ab und zu mit allen damit verbundenen Gefühlen ein, um dann langsam zu verlöschen.

Melancholisch und versonnen ist auch der Abschiedsbesuch von Anna auf der einsamen Insel bei Eschenbach. Jugendliches Begehren brachte früher ihre Lebensläufe durcheinander. Heute ist das vorbei, und die beiden können gelöst über ihr vergangenes Leben sinnieren. Man geht den Stimmungen der Natur nach, spürt den Wind und hört das Vogelgezwitscher. Uwe Timm gibt den sich wandelnden Gefühlen mit seiner Stimme einen eigenen Klang zwischen Trauer, Resignation und Versöhnung.

Uwe Timm ist der Meister der leisen Töne, die er auch in seinem neuen Roman anklingen lässt. Mit Reflexionen ganz eigener Art geht er den Lebensspuren seiner Hauptfiguren nach. Zuweilen wirken die Geschichten verträumt, abgeklärt und schon fast verarbeitet in ihrer jeweiligen Problematik.

Unnachahmlich fein und sensibel ist die Sprache, mit der Uwe Timm uns am Wandel der Zeiten teilnehmen lässt. Er ist einer der großen deutschen Erzähler, auf dessen neue Romane man neugierig wartet.

Uwe Timm
Vogelweide
336 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, August 2013
ISBN-10: 3462045717
ISBN-13: 978-3462045710
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J.-K. Huysmans: Monsieur Bougran in Pension

J.-K. Huysmans: Monsieur Bougran in Pension

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Literarisches Kleinod aus dem Haus der Friedenauer Presse.

Die vorliegende delikate kurze Novelle von J.-K. Huysmans ist von bezaubernder Einfachheit in ihrer Darstellung der Welt eines kleinen untergeordneten Büroangestellten. Er lebt und arbeitet in Paris zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Im Fokus steht der unbedeutende Angestellte  Monsieur Bougran. Ihm wird die Frühverrentung angetragen, und sein geordnetes Leben gerät aus dem Gleis. Die Arbeit hat dem allein lebenden skurrilen Kleinbürger Sinn und Lebensfreude beschert. Soll das alles nun vorbei sein? Monsieur Bougran kann es nicht fassen, dass er seinen Arbeitplatz räumen muss. Ist er doch erst 50 Jahre alt und hat sein Leben ganz der Arbeit gewidmet. Wie soll er die Tage verbringen? Wie dem Tag noch etwas Gutes abgewinnen? Er fügt sich, und man erlebt einen geknechteten Charakter, den diese schmerzliche Erfahrung umtreibt.

Mit fein ziselierten Beobachtungen beschreibt der Autor die Atmosphäre und das Interieur des Büros, in dem Bougran die Entlassung von seinem Büroleiter verkündet wird. Die Teppiche, der Schreibtisch und der Bücherschrank mit den Gesetzestexten werden detailgenaue gewürdigt.

Huysmans zeigt in dieser kurzen Schrift sein ganzes Können eines Schriftstellers von Rang. Die Gedanken, das Ambiente und die Wege, die Bougran am Tage geht, sind äußerst penible beschrieben, so wie der ganze Mann von einer Aura aus Gewissenhaftigkeit und Fleiß umgeben ist, die plötzlich zerbricht.

Monsieur Bougran gestaltet den Alltag neu und verfällt darauf, zu Hause sein Büro nachzubauen und einen Laufburschen einzustellen. Er versucht beharrlich, sein altes Leben beizubehalten.

Es geht hier also auch um eine ungewöhnliche Sozialstudie, die von makaberen Zügen begleitet ist.

„In der Auflehnung von Monsieur Bougran gegen die Regeln des Öffentlichen Dienstes, die Heimsuchungen des Alters und die unwiederbringlich vergehende Zeit manifestiert sich ein wahrhaft heroischer Widerstand.“

In dieser Form birgt der Text eine Menge kostbarer Details, die das Lesen zu einem Genuss werden lässt.

Huysmans war selbst Beamter. Er hat den vorliegenden Text als Auftragsarbeit geschrieben. In dieser Form wurde die Arbeit vom Auftraggeber abgelehnt. Erst 1964 gewann der 1888 verfasste Text die Aufmerksamkeit eines Verlegers.

Heute nun haben uns die Mitarbeiter der Friedenauer Presse wieder einmal eines ihrer Kleinodien präsentiert, mit denen sie immer wieder Aufmerksamkeit erregen.

In der Aufmachung und dem Inhalt nach eignet sich das fast an eine Broschüre gemahnende kleine Büchlein als edles Geschenk zu passenden Gelegenheiten.

J.-K. Huysmans
Monsieur Bougran in Pension
32 Seiten, broschiert
Friedenauer Presse, Oktober 2012
ISBN-10: 3932109724
ISBN-13: 978-3932109720
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Anita Shreve: Weil sie sich liebten

Anita Shreve: Weil sie sich liebten

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Unglückliche Folgen einer Jugendverfehlung.

Anita Shreve zieht ihre Krimis in besonderer Weise auf: sie hebt den Fokus der Untat zuerst in den Blick, und bemüht sich danach erst wie im richtigen Leben um Aufklärung über die Hintergründe eines Verbrechens.

Hier veranstalten in einem feinen Eliteinternat in Vermont drei Jungen und ein 14jähriges Mädchen eine sexuelle Orgie, die auf einem Band von einem fünften Täter festgehalten und zur Kenntnis der Schulleitung gebracht wird. Die Bilder sind ekelhaft und der Schulleiter Mike Bordwin ist geschockt. Niemand kann sich einen Reim darauf machen, wie es zu dem Verstoß gegen alle guten Sitten und die Internatsordnung kommen konnte.

In einer strengen Analyse versucht Anita Shreve, Ordnung in das äußere Chaos der Handlung zu bringen. Aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet sie Ehen, Familien und einzelne Personen mit ihren Verbindungen, Neigungen und unglücklich verlaufenden Lebensdaten. Absonderliche Handlungen brechen sich Bahn, und Anita Shreve beschreibt mit klarem Blick das Ausmaß menschlicher Schwächen. Im Alkoholrausch verlieren alle Schranken bürgerlicher Wohlanständigkeit ihre Gültigkeit. Die Tragödie, die Ehen und Beziehungen zwischen ganz normalen Menschen zerstört, fördert geheime Wünsche und Abartigkeiten zu Tage.

Anita Shreve gelingt das Soziogramm einer Jugendgemeinschaft, in der sich Handlungen verselbständigen, und perverse Bedürfnisse ohne Rücksicht auf die Folgen ausgelebt werden.

Charaktere von Eltern und Schülern werden in ihrer Verschiedenartigkeit geschildert, und Schuld, Liebe und Sühne verschwimmen mit einander.

Handlungsabläufe bringen uns einzelne Protagonisten nahe. Gebannt folgt man der Entwicklung, die eine ganze Schule und zuletzt die Stadt in Misskredit bringt, Familien zerstört und Existenzen bedroht.

Der Roman hat unmittelbaren Realitätsbezug und ist somit ein Dokument unserer Zeit. Außerdem zeigt er, was alles möglich ist, und in welcher Weise Medien bei der Verbreitung und Bekanntmachung eines Verbrechens mitwirken, so dass schließlich alle Betroffenen auf der Strecke bleiben.

Anita Shreve schreibt sich mit dieser subtilen Romanhandlung einmal mehr in die Herzen der Krimifreunde.

Anita Shreve
Weil sie sich liebten
353 Seiten, gebunden
Piper, September 2010
ISBN-10: 3492052851
ISBN-13: 978-3492052856
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