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Schlagwort: Lebenswirklichkeit

Lisa Halliday: Asymmetrie

Lisa Halliday: Asymmetrie

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Eine junge Frau und ein viel älterer Herr begegnen sich. Alice sitzt alleine auf einer Parkbank in New York, als sich ein älterer Herr mit einem Eishörnchen neben sie setzt. Sie erkennt ihn schon bald als den Schriftsteller Ezra Balzer alias Philip Roth, den sie bewundert.

Eine ganz zarte aber stetige Liebe zwischen Alice und Ezra nimmt den Leser mit zu einer ganz und gar ungewöhnlichen Freundschaft. Alice ist Assistenzlektorin bei einem renommierten Verlag, Ezra eingetragener Schriftsteller bei demselben Verlag. Sie lesen sich zum gegenseitigen Vergnügen Texte aus bekannten Werken vor. Was ganz harmlos beginnt, endet schon bald im Bett. Die ganze Zeit bleibt die Beziehung offen, denn man weiß nie, ob sie weitergehen wird. Je länger sie dauert, desto mehr zeichnet sich die Gebrechlichkeit des 40 Jahre älteren Mannes gegenüber der jungen Alice ab. Man weiß, dass diese Beziehung irgendwann ein Ende nehmen wird. Aus Liebe wird eine lebenslange Freundschaft im wahren Leben der beiden, wie man in einem Porträt über Lisa Halliday in der FAS vom 22.07.2018 nachlesen kann. In diesem Artikel wird ihre Liebesaffäre und spätere Freundschaft zu dem um viele Jahre älteren Schriftsteller Philip Roth beschrieben, wenn es auch heißt, der Roman sei Fiktion.

Halliday hat eine ganz eigene Art der Auffassung von ihrer Beziehung zu dem Schriftsteller.

Die Begegnungen sind von beiden Seiten eng und zugleich distanziert. Man bemerkt, dass jeder Tag des Zusammenseins der erste und der letzte sein kann. Alice wünscht sich, auch schreiben zu können. Die alltäglichen Ereignisse treten ganz zurück hinter die Beziehungsgeschichte, die in ihrem Äquivalent zwischen Nähe und Distanz, Freiheit und Gleichheit ungewöhnlich beeindruckend ist. Als bindendes Glied gilt sicher für Ezra und Alice die Leidenschaft für die Literatur und das Schreiben.

In einem zweiten Teil des Romans geht es um die „Asymmetrie“ zwischen West und Ost.

Der in Los Angeles lebende Doktorand und Wissenschaftler Amar will seine Eltern im Irak besuchen und nach seinem verschwundenen Bruder suchen helfen. Auf dem Flug dahin wird er in London festgehalten, weil seine Papiere und er selbst endlosen Untersuchungen unterzogen wird. Inzwischen erinnert er sich an seine Kindheit, Jugend, Freunde und Lieben.

Hier geht es um die Unterschiede zwischen West und Ost. Familienzusammenhalt und Nähe wird hier wie dort aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Dieser Teil liest sich nicht so geschmeidig wie der erste, weil sich einem der Zusammenhang zum ersten Teil nicht erschließt. Er entspricht jedoch sehr den literarischen Vorgaben von Philip Roth.

In einem letzten Teil lässt Lisa Halliday Ezra nochmals während eines Interviews zu Wort kommen.

Welche Musik liebte er? Wie war sein Leben, wie hat es sich verändert?

Lisa Halliday hat eine liebevolle Hommage an den verstorbenen Dichter Philip Roth geschrieben. Die Zuneigung zu dem Menschen Roth wird in jeder Zeile deutlich.

Sie schreibt so locker, leicht und unangestrengt und doch voller Tiefe und Teilnahme, auch von ungewöhnlich künstlerischem Niveau beseelt, dass man das Buch hingerissen verschlingt.

Lisa Halliday
Asymmetrie
320 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag, Juli 2018
ISBN-10: 3446260013
ISBN-13: 978-3446260016
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Elizabeth Taylor: Angel

Elizabeth Taylor: Angel

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Angel ist ein unausstehliches Geschöpf.

Sie ist die einzige Tochter ihrer Mutter Mrs. Deverell, die einen kleinen Einzelhandelsladen Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in einer englischen Kleinstadt betreibt. Der Vater ist schon lange tot.

Mrs. Deverell erfährt von ihrer Schwester, Tante Lottie, Unterstützung gegen die aufsässige Tochter. Diese aber lässt sich nicht beirren: sie fantasiert sich in eine kitschige Oberklassewelt, in der alles nur so glänzt wie Gold. Damit macht sie sich bei ihren Klassenkameradinnen und Lehrerinnen unbeliebt. Mit 15 Jahren verweigert sie jede weitere Schulbildung und beginnt, Romane aus ihrer verstiegenen Fantasiewelt zu schreiben.

Unbeirrt und energisch bietet sie ihre Romane verschiedenen Verlagen an. Sie bleibt ohne Kompromisse, wenn es um die Entschärfung besonders auffälliger Stilblüten geht.

Zwei Verleger können sich nicht ganz einigen, ob man diesen Schund dem lesenden Publikum zumuten könne. Einer gibt den Ausschlag dafür, dass Angel einen unerwarteten Siegeszug mit ihren Büchern antritt. Der Zeitgeist lässt ihren Kitsch gut ankommen. Sie kann mit ihre Mutter dank ihrer Einnahmen aus der bisher eher ärmlichen Gegend in eine vornehmere Gegend umziehen und sich ein besseres Leben gönnen.

Am Ende erreicht sie viel, wird wohlhabend und findet sogar einen Mann. Auch dieser ist mehr Opfer als Zweck zum Erfolg. Zu wahrer Liebe ist sie gar nicht fähig. Die sie umgebenden Menschen sind ihr untertan, weil sie Arbeit und Geld brauchen.

Einfache Menschen mögen ihre Bücher, die Gebildeten ergötzen sich an ihren Schilderungen und die Kritiker verreissen sie. Auf Kritiken reagierte Angel mit Wut, Zorn und Ärger. Sie arbeitete ohne Unterlass, um nur niemanden ihren Platz in der Rangliste der gelesenen Bücher zu überlassen.

Elizabeth Taylor hat das Bild einer ungewöhnlichen Frau entworfen. Schon als junges Mädchen fühlt sie sich ihren ärmlichen Verhältnissen entrückt, ist frech und zickig zu Mutter und Tante und plant zielstrebig ihren eigenen Weg: eine erfolgreiche Schriftstellerin zu werden.

Wie die Autorin das Panorama dieser verqueren Persönlichkeit vor uns ausbreitet, ist bemerkenswert. Da wimmelt es nur so von fantastischen und unwirklichen Lebensgeschichten. Angel bleibt angeberisch, prahlt und ist geltungssüchtig. In ihrem Denken dreht sich alles um ihre eigene Person, alle anderen Menschen sind in ihren Augen dumm und ignorant. Von dem angestrebten Weg zur erfolgreichen Schriftstellerin kann diese Frau niemand abbringen. Die Projektion der eigenen Unvollkommenheit auf die Umwelt ist ein gekonnter psychologischer Trick, mit dem Elizabeth Taylor ihre Menschenkenntnis unter Beweis stellt.

Anfang des 20. Jahrhunderts mögen die Schichtunterschiede in England noch auffälliger gewesen sein als heute. Arm zu sein ist immer eine traurige Angelegenheit. Hier aber setzen der Wille und die Energie einer aufstrebenden Person diesem Schicksal Grenzen. Auch deshalb konnte Angela so erfolgreich werden: weil die Hoffnung auf Glück und Reichtum die Armen immer berückt.

Taylor hat die Zeichen ihrer Zeit mit ihrem Roman erfasst.
Sie lebte von 1912 bis 1975. Nicht nur in ihren Geschichten wurden Träume wahr. Ihre Protagonistin Angel lebt diesen verwegenen Traum und realisiert ihn. Das Gesellschaftsbild hochfahrender Eitelkeit gewinnt in der Gestalt von Angel eine unerwartete Parallele zu ihren erfundenen Geschichten. E. Taylor entwirft ein sprachlich und inhaltlich lebhaftes Gemälde einer längst vergangenen Zeit. Die Übersetzung von B. Abarbanell rundet die Geschichte zum Wohl einer geneigten Leserschaft sehr schön ab.

Elizabeth Taylor
Angel
400 Seiten, gebunden
Dörlemann; 1. Auflage Februar 2018
ISBN-10: 3038200522
ISBN-13: 978-3038200529
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