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Schlagwort: Liebesleben

Ulrich Woelk: Der Sommer meiner Mutter

Ulrich Woelk: Der Sommer meiner Mutter

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Die Erzählung führt uns in die Mitte der sechziger Jahre an den Rand einer kleinen Stadt bei Köln: hier lebt das Ehepaar Ahrens in einem neu gebauten Einfamilienhaus mit Doppelgarage und Waschbetonterrasse. Tobi, der Sohn und Icherzähler, ist 11 Jahre alt. Schon bald ziehen neue Nachbarn ein. Sie stellen sich vor als Ehepaar Leinhard mit Tochter Rosa, die mit ihren 12 Jahren schon mitten in der Pubertät steckt.

Die sechziger Jahre werden mit diesen beiden Familien, ihrem Leben, ihren Gedanken und ihren Lebensformen vom Autor kolossal gut charakterisiert. Geht es doch darum, über Verklemmung und Fortschritt zu berichten.

Die Eheleute Leinhard verkörpern die intellektuelle Elite ihrer Zeit mit Adorno, Bloch und der Frankfurter Schule. Professor Leinhard lehrt Philosophie und ist Vertreter einer glühenden Weltbesserung. In den abendlichen Unterhaltungen wird viel vom Geist der damaligen Zeit spürbar. Ein wenig Salonkommunismus spielt in die Gespräche hinein.

Das Ehepaar Ahrens lebt in wirtschaftlich guten Verhältnissen, ist aber sexuell verklemmt, was auch dem Sohn aus nächtlich belauschten Gesprächen seiner Eltern ein wenig spürbar wird. Er kennt sich aber mit der Sexualität noch nicht so aus, denn seine Interessen liegen eindeutig bei der Erforschung des Weltraums.

Herr Ahrens ist ein liebevoller und partnerschaftlicher Vater für seinen Sohn und hält dennoch die Generationenschranke ein, “weil Kindheit schön ist“.

Als seine Frau der neuen Nachbarin nacheifert und Englisch lernen will, um wie diese Kriminalromane aus dem Englischen übersetzen zu können, ist er vollends ratlos! Was sollen die Freunde und Kollegen denken, da er doch gut verdient, und sie ihr Auskommen haben? Bürgerliche Wohlanständigkeit und eben solche Regeln vereinbaren sich schlecht mit der allgemeinen Aufbruchsstimmung hinzu mehr Freizügigkeit in allen Bereichen.

Mit dem Zusammenspiel der beiden Paare wird eine leicht erotisierende Stimmung erzeugt, die auch die beiden Kinder zusammenführt.

Woelk lässt die Zeit der sechziger Jahre neu erstehen. War es doch der Beginn gesellschaftlicher Umwälzungen in Form von Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, Befreiung der Frauen aus sexueller und wirtschaftlicher Abhängigkeit und ganz allgemein in weiten Kreisen auch Befreiung aus bürgerlichen Zwängen. Kindern wurde Freizügigkeit gewährt, und die Formen pädagogischer Allmacht lösten sich auf. Jeder wollte auf seine Weise an der allgemeinen Aufbruchsstimmung teilhaben.

Aus der Perspektive des 11 jährigen erscheinen die Beobachtungen teilweise naiv und sind von Ahnung, Unwissenheit, Hoffnung und Neugierde gekennzeichnet. Die Sätze sind knapp und kurz und zuweilen in ihrer Naivität auch drollig.

Dass die Geschichte einen unerwarteten und tragischen Ausgang nimmt, lässt sich zu Beginn nicht ahnen. Alles in Allem ist es Ulrich Woelk gelungen, ein Zeitkolorit mit adäquaten Stimmungsbildern zu erfassen. Das Büchlein ist konzentriert und inhaltsreich und sehr empfehlenswert!

Ulrich Woelk
Der Sommer meiner Mutter
189 Seiten, gebunden
C.H.Beck, Januar 2019)
ISBN-10: 3406734499
ISBN-13: 978-3406734496
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Peter Stamm: Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt

Peter Stamm: Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt

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Subtile Suche nach den Grundlagen unserer aller Existenzen.

Eine seltsame Geschichte hat uns der bekannte Autor Peter Stamm mit diesem kleinen Roman vorgelegt.
Christopher ist ein alternder Mann. Er hat einen nicht ganz fassbaren Doppelgänger, den er beobachtet, und dessen Spuren er verfolgt.

Gleichzeitig erzählt er einer zwanzig Jahre jüngeren zufälligen Bekannten von seiner vergangenen Liebe zu Magdalena. Verwirrend und irritierend wechseln Zeit, Ort und Handlung. Christopher ist Schriftsteller. Er hat schon lange kein Buch mehr geschrieben.
Seine Spaziergänge, Begegnungen und schließlich auch Liebesnächte mit der jungen Lena sind so mysteriös wie die ganze Handlung. Die assoziativ dargestellten Begebenheiten beziehen sich immer wieder auf die Liebe, das Warum und Wie des Lebens und unseres Endes. Lena, seine junge Begleiterin, ist Schauspielerin. In gewisser Weise wiederholt sich die Liebesgeschichte von Chris mit der der jungen Lena und deren Freund.

Das Verwirrspiel um das Doppelgängertum verschiedener Figuren ist zweitweise kaum zu durchschauen.

So wie das ganze Buch einer langen Lebensreflexion gleicht ist auch das Ende. Christopher sieht einem alten Mann zu, der in einem Haus verschwindet und man meint, dass er sich selber schon zusieht, wie er im Alter des alten Mannes sein wird.

Der Titel des Romans stammt aus dem Roman „Der Fremde“ von Peter Stamms Lieblingsschriftsteller Albert Camus. Mit Camus wird auch Peter Stamm zuweilen gleichgesetzt.

Existenzfragen hier wie dort sind das Lebensthema beider Schriftsteller.

Peter Stamm
Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt
160 Seiten, gebunden
S. FISCHER, 2. Auflage Februar 2018
ISBN-10: 3103972598
ISBN-13: 978-3103972597
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