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Schlagwort: Spannung

T. C. Boyle: Drop City

T. C. Boyle: Drop City

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Wer diesen Roman zur Hand nimmt, was gleich vorneweg sehr zu empfehlen ist, der wird sich zunächst auf zwei Geschichten einlassen müssen, die im ersten Moment nichts miteinander zu tun haben. In den sechs Teilen, in denen das Buch untergliedert ist, wird im Wechsel zunächst die Geschichte von einer Hippie-Kommune irgendwo in Kalifornien berichtet.

Dabei stehen nicht nur die zwei Personen Star und Ronnie (genannt Pan) im Vordergrund, die den Auftakt bilden. Sondern mit einem detailgetreuen Wissen um die Abläufe in solch einem Mikrokosmos, was eine Kommune ursprünglich auch darstellen sollte, gibt der Ex-Hippie Thomas C. Boyle vielen Figuren Raum in dieser Geschichte. Vielleicht ist aber gerade das der Grund, warum die Geschichte so detailliert und authentisch wirkt. So gibt es Norm und seine Frau, dem das Grundstück gehört, auf dem die Kommune lebt, der dadurch in eine Anführerrolle gerutscht ist, die er gar nicht gewollt hat. Es gibt Alfredo, den Möchte-gern-Chef der Gruppe, mit seiner Familie, es gibt die Clique der Schwarzen um Lester, denen unterstellt wird, dass sie zwar von der Kommune leben, ihr aber nichts beisteuern wollen.

Jeder Tag im sonnigen Kalifornien läuft wie der vorhergehende, und wenn die Kleinkinder mal zu lästig werden, dann werden sie mit LSD im Orangensaft ruhig gestellt. Ein Drink, der eigentlich nur für die Erwachsenen gemixt wurde. Aufregendes, abgesehen von den alltäglichen Problemchen sowie den Klagen der Nachbarn über diese verlausten Nichtsnutze oder gar eine Vergewaltigung innerhalb der Kommune, passiert nicht.

In der Parallelhandlung der anderen Teile im Buch geht es um Sess Harder, ein Mann, der für sich herausgefunden hat, dass ein Leben als einsamer Fallensteller in einer Blockhütte in Alaska das Leben ist, was für ihn nur in Frage kommt. Doch er weiß, dass es sich mit einer Frau an der Seite in der Einsamkeit auch sehr gut anfühlen kann und ist umso mehr überrascht, dass sich Pamela für ihn interessiert. Ursprünglich wollte Pamela nicht ihn, sie kannte ihn da noch nicht, sondern Joe Bosky besuchen. Der jedoch nimmt es seinem Nachbarn später übel, Pamela geheiratet zu haben.
Die Liebesgeschichte um Pamela, Sess und Joe könnte sicherlich auch alleine als spannender Roman funktionieren, wenn Norm, der Chef von Drop City, nicht die Schnauze voll von den Behörden und kein Grundstück in Alaska geerbt hätte. Er setzt allen den Floh ins Ohr, dass sie als Kommune in Alaska ein phantastisches Leben vor sich hätten, ein Leben in völliger Freiheit und Natur, unbelästigt von dem ganzen spießigen Kleinbürgertum.

Man ahnt es: an dieser Stelle werden die beiden Handlungsstränge ineinander geführt. Die Wege von Norm, Ronnie, Star und Sess kreuzen sich und das Desaster nimmt seinen Lauf. Die Hippies treffen in Alaska auf ein Umfeld, mit dem sie nicht gerechnet hatten, so hatten sie dieses Land in ihren Vorstellungen und Träumen nicht gesehen. Es kommt zu einer Vermischung mit den Einwohnern und sie werden in deren Probleme hineingezogen. Die Unterschiede zwischen einer Kommune im ewig sonnigen Kalifornien und einer in einem sechs Monate lang bei Temperaturen weit unterhalb von Null liegendem Alaska sind so gravierend, dass das Auseinanderbrechen der Gemeinschaft zwangläufig sein muss.

Dass in der Kommune nicht viel passiert, ist natürlich weit untertrieben. Die detailgenaue Phantasie Boyles schafft genügend spannende Momente, die den Leser die Zeilen verschlingen lassen. Aber in der Phantasie des Autors mag zwar die Handlung in der Natur Alaskas gelegen haben, das detailreiche Wissen darüber verdankt er seinen Recherchen. Außerdem ist Boyle eines seit seiner Hippie-Zeit geblieben: die Liebe zur Natur. Auch heute noch wandert er tagelang durch abgeschiedene Landschaften.

Boyle ist ein großes Epos über ein als alternativ möglich gesehenes Gesellschaftsmodell, welches mit dem heutigen Abstand auch in seinen Augen als gescheitert anzusehen ist, gelungen. Er schreibt von Menschen, die davon reden, im Einklang mit der Natur zu leben (wie die Hippies) und von solchen, die es tatsächlich tun (wie die Einsiedler in Alaska). Boyle schreibt von Menschen, deren Naivität schier grenzenlos zu sein scheint, die damit aber nichts anderes als das blanke Chaos hervorrufen. Der Zusammenbruch der Gemeinschaft wird schließlich dadurch symbolisiert, dass die Hippies plötzlich ihre Namen auf das Geschirr kratzen, wo bis dato doch allen alles gehörte.
Ein Buch, welches unbedingt gelesen werden sollte.

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T. C. Boyle
Drop City
528 Seiten, gebunden
Hanser Verlag
ISBN-10: 3446203486
ISBN-13: 978-3446203488
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2010
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T. C. Boyle: Zähne und Klauen

T. C. Boyle: Zähne und Klauen

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„Er wusste nicht, wie es passiert war – mangelnde Voraussicht seinerseits, mangelndes Engagement, mangelnde Planung, mangelnde Rücklagen für schlechte Zeiten -, aber in rascher Folge verlor er seinen Job, seine Freundin und das Dach über dem Kopf, und eines Morgens erwachte er auf dem Gehsteig vor der Post.“ („Hier kommt“)

Mit solch faszinierender Spannung, die auf das Porträt eines Verlierers hinweist, kann der Leser rechnen, wenn er sich den vorliegenden Erzählband zur Hand nimmt. Wer Boyle kennt, ist schon gespannt auf das Ende einer Geschichte, bevor er sie überhaupt zu lesen begonnen hat, bevor er weiß, wovon sie handelt. Mit diesem 2005 in den USA erschienenen Erzählband zeigt der Autor einmal mehr seinen Spaß beim Feinschleifen seiner Sätze. Novellen, Erzählungen und Kurzgeschichten haben auf der anderen Seite des Teiches einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland, wo solche Schreibübungen lediglich von preisgekrönten Schriftstellern geduldet werden. Für die Amerikaner gehören solche kürzeren Geschichten ganz einfach zu jedem Autor. Boyle ist die Lust am Gestalten dieser Geschichten anzumerken. Damit schafft er selbst in sehr kurzen Geschichten eine solche Dichte an Umfeld und Geschehen, dass man das Gefühl hat, trotzdem einen ganzen Roman gelesen zu haben. So ist es auch bei den 14 Geschichten dieses Bandes.

Bei „Windsbraut“ entwickelt sich auf einer stürmischen Insel eine romantische Liebesbeziehung zwischen einem eher zurückgezogen lebenden Inselbewohner und einer amerikanischen Vogelkundlerin, die von den Inselbewohnern nur die Frau mit den Vögeln oder die Vogelfrau genannt wird. Sehr humorvoll wird eine Romanze aufgebaut, bis es schließlich in einem Desaster endet.
In „Der freundliche Mörder“ geht es um einen Rekordversuch im Wachsein eines Radiomoderators, bei dem er die Leute auf der Straße durch ein Schaufenster zuschauen lässt.
In „Chicxulub“ erfährt ein Ehepaar vom Unfall ihrer Tochter, auf dem Weg in die Klinik leiden sie Qualen.
Meteoriteneinschläge in Sibirien und in Mittelamerika demonstrieren die Unabwendbarkeit mancher Ereignisse und erhöhen mit ihrer ständigen Unterbrechung der laufenden Handlung die Spannung, die darin besteht, zu erfahren, wie es der Tochter geht.
„Hier kommt“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der alles verloren hat und gerade auf der Straße wach geworden ist. So langsam wird ihm bewusst, dass ihn der Alkohol im Griff hat, weil alle seine Probleme verschwinden, sobald er etwas getrunken hat. Bis er schließlich ein Verbrechen beobachtet.
„Geblendet“ spielt auf den südamerikanischen Estancias, auf welcher sich ein Wissenschaftler an die Untersuchung der UV-Strahlung macht. Doch so unaufhörlich er den Estancieros von den negativen Auswirkungen der Strahlung auf Mensch und Tier predigt, so unnachgiebig muss er von einer Estancia zur nächsten ziehen.
„Gegen die Wand“ wird sprichwörtlich das Leben eines jungen Mannes gefahren, der sich vor dem Vietnamkrieg drückt, vom Kiffen auf harte Drogen umsteigt und nichts anderes als Rausch im Sinn hat, obwohl sich ihm Alternativen bieten.

Fingerübungen sind diese Geschichten vom amerikanischen Autor, der selbst einen Großteil seiner Jugend als Hippie durchlebte, allemal. Dem Boyle-Leser wird die eine oder andere Figur nicht ganz fremd vorkommen. So weisen die Inselbewohner in „Windsbraut“ eine gewisse Ähnlichkeit mit den kauzigen Einwohnern des Alaska-Örtchens Boynton auf und von dem rauschbesessenen Typen in „Gegen die Wand“ gibt es in „Drop City“ gleich eine ganze Kommune. Die Geschichten gleichen Charakterstudien, die früher oder später den Protagonisten und Antagonisten in seinen Romanen als Grundlage dienen. Die behandelten Themen sind sehr vielschichtig und obwohl so manche von ihnen mit einem Desaster endet, in welcher der Protagonist ein Chaos hinterlässt, sind viele sehr humorvoll geschrieben und treiben dem Leser ein Schmunzeln oder gar die Tränen ins Gesicht. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er nicht alles so ernst nehmen sollte, wie es am Ende aussieht. Boyle ist perfekt in der Lage, mit dem zwinkernden Auge und eine alle Sinne ansprechende Weise seine Geschichten an die Leser zu bringen.
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T. C. Boyle
Zähne und Klauen
384 Seiten, broschiert
DTV, Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423211946
ISBN-13: 978-3423211949
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Jennifer Lauck: Der Sommer liegt noch vor dir

Jennifer Lauck: Der Sommer liegt noch vor dir

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Die Mutter des fünfjährigen Mädchens Jenny ist schwer krank, jedoch verstehen sich beide gut. Nur mit ihrem älteren Bruder, der ihr schroff und abweisend gegenüber ist, hat sie so ihre Probleme. Der Vater wiederum ist sehr liebevoll zu ihr. Für eine schwere Operation der Mutter zieht der Vater mit den Kindern in die Stadt mit der Klinik. Die Therapie ist langwierig und mehrfach wechselt die Mutter zwischen Klinikaufenthalt und Aufenthalt daheim. Dabei kümmert sich die kleine Tochter, sie ist inzwischen etwas älter geworden ist, um die Mutter, sie wäscht sie manchmal, sie reinigt ihr Bett, macht das alles ohne Meckern und Murren. Ihr großer Bruder aber stänkert immer noch und erzählt ihr, dass sie nicht seine richtige Schwester wäre, sondern adoptiert ist.

Nachdem die Mutter verstorben ist, zieht der Vater mit den Kindern nach Los Angeles, aber die Großstadt gefällt Jenny nicht. Der Vater lernt eine neue Frau kennen, die ihrerseits drei Kinder hat. In dieser Gemeinschaft fühlt sich Jenny nicht wohl und wünscht sich nichts sehnlicher, als bei ihrer Mutter zu sein. In einem Ferienlager wird Jenny vom Schwimmlehrer schikaniert, muss Strafarbeit erledigen und wird schließlich von diesem sexuell missbraucht. Obwohl der Vater viel arbeitet, bekommt er mit, dass sich seine Tochter nicht besonders wohl fühlt und so macht er ihr zu ihrem neunten Geburtstag eine Überraschung über die sie sich freuen kann. Es scheint einige Zeit in der Familie besser zu laufen. Doch dann erleidet der Vater einen Herzinfarkt und die Patchworkfamilie steht nach dreitägigem Klinikaufenthalt ohne Ernährer da. Jenny wird von der Stiefmutter in einem kirchlichen Obdachlosenheim allein gelassen und muss für ihren Lebensunterhalt hart und viel arbeiten. Auch ihr Bruder wurde verstoßen. Beide hatten instinktiv gespürt, dass es irgendetwas mit dem Geld des Vaters zu tun haben musste.

Der auf autobiographische Erlebnisse basierende Roman ist aus der Sicht eines Ich-Erzählers verfasst. Während es sich anfangs scheinbar um eine Milieustudie handelt, in der die amerikanische Gesellschaft beschrieben wird, stellt sich immer wieder die Frage, worauf die Geschichte hinauslaufen soll. Uninteressant wird sie deshalb allerdings nicht, weil das Interesse des Lesers alleine deshalb schon geweckt ist, weil ein kleines fünfjähriges Mädchen etwas zu erzählen hat. Doch nach einer gewissen Zeit stellt sich die Frage ein, die man am Ende auch beantwortet haben möchte. Nach so vielen Schicksalsschlägen, die das Mädchen im Laufe der Handlung immer wieder hinnehmen muss, bleibt am Ende nur noch die Frage, wird ist ein Happy End geben oder nicht? Obwohl das Buch an manchen Stellen etwas langatmig wirkt, fasziniert doch der Umstand, wie geschickt die Autorin ihre eigene Kindheit in einer solch dramatischen Romanhandlung festhalten konnte. Zwar erlebt jeder Mensch in seinem Leben Schicksalsschläge, aber diese jeweils in eine Beschreibung so auf einen Höhepunkt zu treiben, bedarf meistens besonderen Geschicks. Das Bild einer amerikanischen Familie im Zeitraum 1969 bis 1975 gibt das Buch sehr gut wieder, was auch an der bildhaften Beschreibung liegen mag.

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Jennifer Lauck
Der Sommer liegt noch vor dir
Softcover, Taschenbuch
Goldmann Verlag
ISBN-13: 978-3442457465
ISBN-10: 3442457467
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2010

Derek Meister: Ghostfighter – Das Licht, das tötet

Derek Meister: Ghostfighter – Das Licht, das tötet

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Ian glaubt nicht, dass sein Großvater tot ist. Vielmehr denkt er, dass dieser 1967 untergetaucht ist. Die Nachricht, die der Großvater in der alten Taschenuhr versteckt hat, deutet darauf hin. Doch für Ian und seinen Freund Benjamin, Bpm genannt, ist die Nachricht ein Rätsel, das erst entschlüsselt werden muss. Doch schon bald wissen die beiden, wo sie mit ihrer Suche beginnen müssen: in Montauk im Bundesstaat New York. Zwar bedeutet dies, einen Langstreckenflug von London aus unternehmen zu müssen, aber nur dort können die Freunde versuchen eine bisher nicht zu knackende Zahlenkombination zu entschlüsseln.
Am Zielort angekommen finden Ian und Benjamin tatsächlich weitere Hinweise. Sie landen schließlich in einem heruntergekommen Uhrenladen und hoffen dort Weiteres zu erfahren. Die Jungen ahnen nicht, dass sie von McArthur und seinem Sohn erwartet werden. Scheinbar sind sie in eine Falle gegangen, denn sie werden überrumpelt und eingesperrt. Ian sieht auch noch eines dieser Geistwesen. Bald werden die Jungen an einen Strand gebracht. Sie erfahren, dass die rätselhafte Nummer, die sie entschlüsseln wollten, eine Losung ist. Ian und Benjamin werden befragt. Es kommt zu einer Auseinandersetzung. Nichts entwickelt sich so, wie es soll.

Ob Ian seinen Großvater doch noch findet, soll hier nicht verraten werden. Was die Spannung betrifft steht dieser zweite Teil der Geschichte nach „Ghosthunter: Das Licht das tötet“ in nichts nach. Der Erzählstrang um Ian und Benjamin ist sicher der wichtigste. Allerdings wird die Geschichte auch noch von anderen Seiten beleuchtet. Der Autor geht in der Zeit zurück und so erfährt man von den Forschungsarbeiten, dem Philadelphia-Experiment, an denen Ians Großvater beteiligt gewesen ist und dass die Geister, wie Ian die merkwürdigen, tödlichen Lichterscheinungen nenn, auf den Plan gerufen hat. Ebenfalls in den Focus rückt ein junges Mädchen, dass mit Hilfe eines von ihrer Großmutter entwickelten Helms die Geister sehen kann.
Ein Hin und Her zwischen Jägern und Gejagten entsteht. Als Leser wird man die ganze Zeit fantastisch unterhalten. Vieles, das im ersten Band noch völlig rätselhaft geblieben ist, wird ein Stück weit aufgeklärt. Immer klarer wird, welch gefährliches Erbe, Ian angetreten hat.
Das Ende kommt wieder schlagartig. Statt sofort weiterzulesen zu können, wie man es am liebsten möchte, muss man sich nun erst einmal in Geduld üben, bis das nächste Buch erscheint.

Rezension von Heike Rau

Derek Meister
Ghostfighter – Das Licht, das tötet
436 Seiten, gebunden
ab 12 Jahren
Loewe Verlag
ISBN-10: 3785562632
ISBN-13: 978-3785562635

Malla Nunn: Ein schöner Ort zu sterben

Malla Nunn: Ein schöner Ort zu sterben

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Spannende Impressionen aus Südafrika
Die im Swasiland geborene Autorin Malla Nunn führt den Leser in das Südafrika von 1952. Zu dieser Zeit greifen gerade die Rassengesetze und die Weißen dürfen keinen Kontakt zu den Nicht-Weißen haben. Der weiße englische Polizist Cooper wird von Johannisburg in einen kleinen Ort an der mosambikanischen Grenze geschickt, um nachzuschauen, was dort passiert sein könnte. Ein Telefonanruf zuvor hatte nicht gerade viel Informationen gebracht. Cooper trifft dort auf die Leiche des weißen Polizisten Pretorius, der bäuchlings im Wasser liegt. Schnell wird klar, dass es sich um einen Mord handelt. Von seinem Vorgesetzten wird Cooper beauftragt, den Mord aufzuklären. Doch dafür bleibt ihm nicht viel Zeit. Während er sich noch den Überblick über die Situation und die Afrikaander-Familie Pretorius verschafft, von denen er bereits drei Söhne des ermordeten „Dorfsheriffs“ am Fundort der Leiche getroffen hatte und die ihm schnell einen Verdächtigen liefern, treffen zwei Bedienstete der Security Branch, der Staatssicherheit des Apartheitregimes, im Ort ein und übernehmen ganz offiziell die Ermittlungen. Cooper wird auf das Abstellgleis geschoben. Der jedoch lässt sich nicht ins Bockshorn jagen und ermittelt heimlich weiter, weil er vermutet, dass hier ein Mord vertuscht oder zumindest den Kommunisten in die Schuhe geschoben werden soll. Das Oberhaupt der Burenfamilie wäre ein willkommenes Opfer für die Politik des Apartheitregimes. Um ihn weiterhin kalt zu stellen, wird auch Cooper Zielscheibe der Geheimpolizei, trotzdem gelingt es ihm immer wieder, ihnen zu entgehen und heimlich weiter zu machen. Dabei erfährt er, dass der Chef der hiesigen Polizei, Captain Pretorius, gar keine so weiße Weste hat, wie allgemein angenommen und von seiner Familie behauptet wird. Als echter Bure war Pretorius mit dem schwarzen Stammespolizisten Shabalala zusammen aufgewachsen und stand den dunkelhäutigen Frauen nicht so ablehnend gegenüber, wie die Gesetze es von ihm als weißen Südafrikaner und als Polizist erwarteten. Nicht zuletzt, weil Cooper auch fähig ist, sich mit den Leuten auf Zulu zu unterhalten, hat er sehr gute Chancen, mehr über die Hintergründe des Mordes in Erfahrung zu bringen.

Malla Nunn, die auch als Filmemacherin schon internationale Auszeichnungen erhielt, hat mit ihrer Familie viele Jahre in diesem Südafrika gelebt und greift in ihrer spannenden Geschichte auf Erfahrungen und Erlebnisse ihrer Familie zurück, denn ihre Eltern haben sich etwa zu dem Zeitpunkt der Romanhandlung dort kennengelernt. In einer bildreichen Sprache führt sie in die Landschaft und das Umfeld der Handlung ein. Aussagekräftige und zutreffende Vergleiche und Metaphern erleichtern dem Leser das Eintauchen in diese Landstriche. Dabei werden die Charaktere so lebendig, als würden sie neben einem stehen.

Schnell wird klar, dass der Autorin nicht nur daran gelegen ist, einen spannenden Kriminalroman vorzulegen, sondern dass sie gewillt ist, die Menschen über die Taten und die Gesellschaft einer Zeit aufzuklären, die stets in Erinnerung bleiben sollte, damit sie sich nicht noch einmal wiederholen kann. Schon frühzeitig lässt sie in den Gesprächen und Gedanken von Cooper, und nicht zuletzt mit seiner Fähigkeit Zulu zu sprechen, durchblicken, dass er nicht immer mit dem herrschenden System einverstanden ist. Dass er sich wohl aber darin arrangiert hat, um unbehelligt leben zu können. Dadurch wird die Ermittlung nicht nur ein Kampf um die Aufklärung des Mordes sondern auch ein Kampf gegen die Rassengesetze und die Meinung einiger im System etablierter Nutznießer. Malla Nunn führt damit in eine Gesellschaft ein, die vielen Menschen gerade in Europa verborgen blieb. Sie zeigt in diesem Buch, dass es nicht nur schwarz/weiß, sondern in den unterschiedlichsten Varianten Grautöne gab. Sie informiert über die Bevölkerungsgruppen, die damals das Bild der südafrikanischen Gesellschaft ausmachten: den aus Europa eingereisten Weißen, den in Afrika geborenen Weißen, der Afrikaans spricht, den aus Asien eingereisten Farbigen, den in Afrika geborenen Farbigen und den in Afrika geborenen Schwarzen. So vielschichtig die Einwohner waren, so vielschichtig waren auch die Meinungen von ihnen gegenüber der Apartheit.

Das Buch fasziniert zunächst durch seine bildreiche Sprache und führt den Interessenten an einen Ort, der von Krimiautoren noch nicht so häufig als Ort von Verbrechen auserkoren worden ist, obwohl dort bereits kaum zählbare Verbrechen stattgefunden haben. Es fasziniert dann durch die detailreiche und akribische Beschreibung der Gesellschaft und den Umgang der unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten untereinander im Südafrika der 1950er Jahre. Schließlich fasziniert es durch die Spannung der kriminalistischen Handlung, die den Leser mitfiebern lässt und ihn bis zum Schluss über den wahren Täter und die wahren Zusammenhänge des Mordes im Ungewissen hält.
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Malla Nunn
Ein schöner Ort zu sterben
Kriminalroman, aus dem Englischen von: Armin Gontermann
Gebunden, 407 Seiten,
Rütten und Loening, Berlin
ISBN: 978-3-352-00771-2
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2009

F. G. Klimmek: Ein Fisch namens Aalbert

F. G. Klimmek: Ein Fisch namens Aalbert

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Der Aal mit dem bezeichnenden Namen Aalbert lebt im Rhein-Herne-Kanal und ist Privatdetektiv….

Seine großen Vorbilder scheinen Philip Marlowe, Mike Hammer oder Thomas Magnum zu heissen. Ähnlich wie sie ist er als Detektiv aber nur ein kleiner Fisch, der sich mit den üblichen Beschattungsaufträgen und Ermittlungen in Sachen Ehescheidungen mehr schlecht als recht unter Wasser hält. In seiner Kasse herrscht chronische Leere. Auch Harry´s Auftrag, dessen Freundin Wilma, die als Kellnerin arbeitete und plötzlich verschwunden war, aufzuspüren, scheint ihn nicht gerade zum Millionär zu machen .

Die meiste Zeit hält sich Aalbert in Nick´s Café, gleich über seinem Büro, auf. Hier verbringt er die vielen Stunden und Tage, die er ohne Auftrag durch die Wasser treiben muss. Obwohl er noch nicht so richtig weiß, wie er Wilma finden kann, torkelt plötzlich ein weiterer Auftrag in seine Nähe: der Empfang und die Aufbewahrung eines Päckchens. Anschließend taucht ein erster Toter auf, der unter Umständen etwas mit dem Päckchen zu tun haben könnte oder auch nur ein weiteres Opfer des Serienkillers ist, der seit geraumer Zeit die Gewässer des Kanals in Unruhe versetzt. Zwar sollte sich in dem Päckchen eine Statue von höchstem Wert befinden, die für einen der Gangsterbosse in dieser Unterwasserwelt gedacht ist. Es stellt sich jedoch heraus, dass dem nicht so ist und der Gangster gelinkt wurde. Von diesem bekommt Aalbert den Auftrag, die Statue bei den Russen zu suchen und sie diesen gegebenenfalls abzujagen. Jedoch lehnt er diesen Auftrag ab. Dahingegen nimmt er einen Auftrag zur Identifizierung von fünf Leichen des Serienkillers an. Das Problem: von den Leichen sind nur noch die Schwanzflossen übrig. Dr. Meduse, der trotzdem eine unproblematische Identifizierung versprach, ist letztendlich ein Scharlatan.

Nun soll Aalbert erneut mit der Suche nach der wertvollen Statue beauftragt werden, diesmal von einem anderen Ganoven, dem reichsten Fisch des Rhein-Herne-Kanals. Aalbert lehnt wieder ab und der Serienkiller scheint erneut zugeschlagen zu haben.

Dieser humorvolle Krimi im Stile eines Detektivromans, der wie in diesem Genre üblich in der Form eines Ich-Erzählers verfasst wurde, gibt tiefe Einblicke in das Innenleben des Rhein-Herne-Kanals. Die Adaption des Milieus eines einsamen, ermittelnden Verlierers ist dem Autor hervorragend gelungen. Es scheinen sich in dieser Unterwasserwelt alle zwielichtigen Typen zu treffen, die in der Kriminalliteratur schon einmal vertreten waren: rivalisierende Gangsterbanden, mafiöse Paten, gehirnlose Leibwächter; und selbst die Bar, in der sich alle treffen, ist mit Nick´s Café vorhanden. Humphrey Bogart läßt grüßen.
Jedoch sollte der Leser die Erwartungen nicht zu hoch hängen, was die Geschichte an sich angeht. Liebhaber des Detektivromans, die ihre Freude an der Szenerie und den skurilen Typen haben, kommen voll auf ihre Kosten. Dass es sich bei den handelnden Personen um Fische, Krebse und Frösche handelt, ist der Sache nicht abträglich und hebt das Buch in das Satirische. Aber Leser, die einen spannungsvollen und actionreichen Krimi erwartet haben, werden ein wenig enttäuscht sein. Es dauert einfach zu lange, bis der Leser mit der entscheidenden Frage konfrontiert wird, wonach der Privatdetektiv überhaupt sucht, woran er ermittelt. Die Satire und die vielen kleinen Geschichten sind es, die den Leser lange Zeit bei der Stange hält. Beispielsweise die mit den drei Ratten, denen Aalbert zu entkommen versucht, als er einen seiner Aufträge abwickelt.

Kurz vor dem Ende werden dann alle Stränge und Personen im Showdown wieder zusammengeführt und die Leser darüber aufgeklärt, worum es eigentlich ging. Von diesem Moment an wird das Buch keinesfalls wieder aus den Händen gelegt werden.

Als liebevolle Hommage an den großen Detektivroman ist das Buch lesenswert, äußerst amüsant und bereitet dem Leser sicherlich viel Vergnügen.

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F. G. Klimmek
Ein Fisch namens Aalbert
Roman, 220 Seiten, Softcoverausgabe
KBV Verlag, Hillesheim
ISBN: 978-3-94007-15-8
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2009

Mary Hooper: Teuflische Maskerade

Mary Hooper: Teuflische Maskerade

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Das 16. Jahrhundert geht zu Ende. Nach wie vor ist Lucy bei Dr. Dee als Kindermädchen angestellt. Königin Elizabeth I. ist mit ihrem Gefolge nach London aufgebrochen. So plant Dr. Dee seinen Wohnsitz ebenfalls nach London zu verlegen, um ganz in der Nähe der Königin sein zu können. Lucy und die Haushälterin Mistress Midge sollen vorausgehen, um die Unterkunft für die Familie vorzubereiten.

Einen Tag vor der Abreise findet Lucy einen kleinen Jungen im Haus. Sie hat ihn zuvor auf einer Beerdigung im Trauerzug gesehen und er ist ihr nachgelaufen, weil er nicht zurück nach London ins Waisenhaus will. Mistress Midge nimmt sich seiner an. Schließlich könnte der Junge beim Umzug behilflich sein, auch wenn Dr. Dee das natürlich nicht wissen soll.

Das Haus in London ist völlig verwahrlost. Es wird also einige Zeit in Anspruch nehmen, bis es hergerichtet ist. Sehr zur Freunde von Lucy, die die Zeit, bis Anweisungen von Dr. Dee kommen in London gut nutzen will. Ihr Interesse gilt dem Theater, nur ist es für eine Frau nicht schicklich dorthin zu gehen. Lucy verkleidet sich als Bursche und nennt sich Luke. Am Theater fällt der junge Mann auf. Luke wird gebeten Handzettel zu verteilen und für einen fehlenden Schauspieler einzuspringen.

Natürlich hält Lucy die ganze Zeit ihrer Augen offen. Nichts wünscht sie sich mehr als Tomas, den Narren der Königin, zu treffen. Tatsächlich kommt es bald zu einer Begegnung. In seiner Begleitung ist allerdings eine neue Hofdame. Diese kommt Lucy sofort suspekt vor. Liegt es daran, dass die Eifersucht sie packt. Oder hat die Dame etwas auf dem Kerbholz? Lucy wird nicht müde, ihr auf die Schliche zu kommen. Damit leistet sie der Königin wieder einmal einen wertvollen Dienst.

Wer die ersten beiden Bände „Im Haus des Zauberers“ und „In königlichen Auftrag“ gelesen hat, hat es sicher kaum abwarten können, dass dritte Buch endlich lesen zu können. Die Geduld wird belohnt mit einem Buch, das ebenfalls ausgesprochen gut gefällt.
Wieder ändert sich der Schauplatz. Das Buch spielt in London/Whitehall. Lucy schlüpft in die Rolle eines jungen Mannes. Das gefällt auch Tomas gut, der Lucy so als Spionin einsetzen kann. Wie erwartet gerät Lucy in viele atemberaubend gefährliche Situationen. Bald ist sie mitten in einer Intrige verfangen, aus der es kein Entrinnen zu geben scheint.
Endlich wird es auch zwischen Lucy und Tomas sehr viel spannender. Die Autorin versteht es romantische Situationen sehr einfühlsam und zu Herzen gehend zu beschreiben.
Was ebenfalls beeindruckt, sind die hellseherischen Fähigkeiten, die sich sehr viel weiter entwickelt haben. Lucys Blicke in die Zukunft sind für den Leser sehr interessant, auch wenn sich ihre Bedeutung manchmal erst später erschließt.
Auch dieses Mal gibt es im Nachwort Anmerkungen zum historischen Hintergrund der Geschichte.
Das Buch ist also rundherum gelungen und es liest sich, wie gewohnt sehr angenehm. Es schließt die Trilogie ab.
Auch wenn es ein Jugendbuch ist, für erwachsene Fans historischer Romane ist es auch einen Lesetipp wert.

Rezension von Heike Rau

Mary Hooper
Teuflische Maskerade
Aus dem Englischen von Marlies Ruß und André Mumont
336 Seiten, gebunden
ab 13 Jahren
Bloomsbury Kinderbücher & Jugendbücher
ISBN-10: 3827053757
ISBN-13: 978-3827053756