Peggy Weber (Herausgeber): Im Licht von Orion: 2015 Collection of Science Fiction Stories

Peggy Weber (Herausgeber): Im Licht von Orion: 2015 Collection of Science Fiction Stories

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Ich habe nicht viel Zeit und Muse, außerhalb des Jobs noch etwas zu lesen. Eine Geschichtensammlung kam mir da gerade recht. Science Fiction aus deutscher Feder verspricht „Im Licht von Orion“ aus dem Verlag für Moderne Phantastik. Warum der Untertitel („2015’ Collection of Science Fiction Storys“) englisch sein musste, wissen wohl nur der Verleger und die Herausgeberin Peggy Weber-Gehrke. Dass das Cover-Motiv sehr Fantasy-artig wirkt, störte mich hingegen überhaupt nicht. Außerdem kann man durchaus einen Bezug zum Inhalt herstellen – aber dazu später.

Zur Sammlung also …

Die Güte der Texte spannt sich über fast die gesamte Qualitätsbreite. Ganz dicht an „Das geht gar nicht“ bewegte sich zum Beispiel „Das Symbol“ von F. Anderson. Die eher krude Wüsten-Abenteuer-Story ohne nennenswerten Spannungsbogen, dafür mit emotionsloser, aber kitschig formulierter Love-Episode und wie abgehackt wirkendem Ausgang, der eine Weiterführung fürchten lässt, ist in einem Stil erzählt, wie ich ihn eigentlich nur von Erst-Schreibern (und welchen, die in dem Stadium steckenbleiben) kenne. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Es gibt noch eine zweite Story von F. Anderson in der Anthologie und diese ist zwar auch nicht perfekt – insbesondere die sehr unoriginelle Idee enttäuscht – aber doch um Längen besser erzählt.

Das betrifft auch die anderen Storys, die ich eher an der Nicht-so-überzeugend-Seite ansiedeln würde. Mal erreichte mich die offenbar beabsichtigte Stimmung nicht, mal fehlte mir bei aller Technikerklärung die Story, mal waren die Dialoge unglaubhafte Infodump-Vehikel. Einmal ärgerte ich mich über die verpatzte Pointe, die eine an sich witzige Wendung ins Kitschig-Alberne überdehnte. Dazu kommt, dass vor allem am Anfang so viel Setz- und Korrektoratsfehler enthalten sind, dass der Einstiegseindruck nicht eben überzeugend war.

Und jetzt das Aber: Das alles ist nur ein Teil der Anthologie – ein Sechstel oder Fünftel vielleicht. Der „Rest“ der Geschichten ist gut bis sehr gut. Also sprechen wir lieber über einige dieser Geschichten …

Cliff Allisters Story rund um Wells’ Zeitmaschine ist stimmig gemacht, kam mir aber sehr vertraut vor. Sicher, dass der Text 2015 das erste Mal veröffentlicht wurde?

Die „Flitterwochen“ von Matthias Falke hatten eine ausgesprochen nette Idee in Sachen „fremde Gebräuche“, spielen erzählerisch aber nicht ganz oben mit.

„NNT 275“ von Galax Acheronian bot beides: eindrucksvolle Ideen, die mich voll und ganz ansprachen, und Erzählkunst. Auch „Harmonice mundi“ von Regine Bott überzeugte mich in dieser Hinsicht. An beiden Texten gefällt mir vor allem, dass Themen aufs Tapet kommen, die in allen Zeiten zu den eher problematischen oder zwiespältigen Aspekten des Menschseins gehör(t)en. In gewissem Sinne gehört auch „Reha 2.0“ von Michael Stappert dazu, wobei hier der Bogen zu den Niederungen wirtschafts-politischer Entscheidungen schon sehr deutlich geschlagen wird. In „Der Gebühreneinzugbevollmächtigte“ von B. C. Bolt geht es ebenfalls ums Finanzielle, allerdings wird hier ein richtig schön schwarzhumoriger Tonfall angeschlagen.

An der Stelle ein kleiner Rückgriff in die Schublade der grenzwertigen Story: „Spätes Erwachen“ ist die Geschichte, die den oben erwähnten Bezug zum Cover-Motiv herstellt. Michael Thiele erzählt in einem durchaus süffigen Ton von einem Amazonen-Abenteuer. Leider sind einige Erotik-Elemente eher albern (Lieber Herr Thiele: Soooo groß ist das weibliche Interesse an der männlichen Brust nicht, vor allem nicht, wenn da was anderes ist der Gegend rumsteht.) und die eigentliche Geschichte (Was ist das für ein Typ, was macht er da und was bedeutet dieses Erlebnis für ihn?) wird nicht hier erzählt.

In „Zilie“ führt Christopher Dröge andererseits vor, dass dieses „Worum geht es eigentlich“ gar nicht immer in eine Geschichte hineingepresst werden muss. Er entfaltet im Hauptteil der Story ein farbiges Bild von einem unter wirtschaftlicher Knute Chinas stehenden Afrika, kombiniert es mit einer glaubhaften Außenseiter-Story und einem spannenden Seltsame-Ereignisse-Plot. Das war richtig, richtig gut geschrieben. Leider konnte er sich nicht verkneifen, im Ausklang noch ein Haufen Hintergrundinfos für diese Ereignisse zu liefern – das ist zwar auch süffig gemacht, zerdehnt aber den Spannungsbogen nach hinten raus etwas zu sehr.

Die Highlights der Anthologie sind für mich „Fehler im System“ von Oliver Koch und „Die Verführung der Mona Lisa“.

In ersterer Story überraschte mich zuerst die sehr schlicht gehaltene Sprache: Es „hörte“ sich an, als erzähle ein Kind. Dann wurde klar, dass es um einen erwachsenen Mann ging. Geistig zurückgeblieben vielleicht. Dazu passten – so merkwürdig das auch klingen mag – die wunderschönen, hochkreativen Formulierungen, wenn es um tiefe Gefühle des Protagonisten geht. Da hat jemand mal so ganz und gar nicht auf Standards zurückgegriffen – vielleicht der Held aus Unwissen um diese Konventionen, der Autor vermutlich, um sehr wirksame Akzente zu setzen. Dass sich diese so spezifisch eingeschränkte Sprachfähigkeit auch ganz anders erklären lässt, wird erst am Ende klar. Ich neige beim Lesen wirklich nicht zu Gänsehaut – hier hatte ich so einen Moment.

Ganz anders die Wirkung von „Die Verführung der Mona Lisa“ von Rico Gehrke. Hier herrscht von Anfang an eine sehr gekonnte und dabei völlig natürlich wirkende Sprache vor. Der Mann, der da von seiner irritierenden, ihm aber durchaus angenehmen Begegnung mit einer bildschönen jungen Frau spricht, ist bis in die Haarspitzen hinein glaubhaft. Beide Figuren sind ausgesprochen sympathisch, obwohl sie Dinge tun und denken, die in anderer Verpackung wohl eher Naserümpfen auslösen würden. Man versteht aber, warum sie es tun, und dass es in gewissem Sinne die natürlichsten, die menschlichsten Reaktionen der Welt sind. Die Story kommt ohne Effekthascherei aus und entwickelt sich doch nach allen Regeln der Kunst zu einer schönen Überraschung.

Nun könnte ich sicher noch über die anderen Geschichten sprechen – hier und da reizt es mich sogar –, aber für einen Eindruck soll das hier mal genügen. Alles in allem: „Im Licht von Orion“ ist nicht die perfekte SF-Story-Sammlung, aber eine durchaus lesenswerte mit richtig schönen Perlen. Kaufempfehlung!

Peggy Weber (Herausgeber)
Im Licht von Orion: 2015 Collection of Science Fiction Stories
Verlag für Moderne Phantastik, 2016
ISBN-10: 3981692985
ISBN-13: 978-3981692983
528 Seiten
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